Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss Ihnen sagen, dass dieser Nachtragshaushalt in der Tat die Schlussbilanz eines katastrophalen Haushaltsjahres ist. Hessens düstere Zukunft hat mit dem Haushalt 2004 begonnen. Darüber hätten Sie einmal reden sollen. Die soziale Infrastruktur dieses Landes wurde zerstört. Bei den Schwächsten der Schwachen wurde hingelangt: bei Schuldnerberatungen, bei den Erziehungshilfen, bei

ambulanten Hilfen für Drogenabhängige – das Problem sollten Sie eigentlich aus Frankfurt kennen –, bei den Frauenhäusern. Dadurch wurde auch die ehrenamtliche Arbeit massiv behindert. Das sind die Folgen einer Politik, bei der der soziale Kompass nicht stimmt. Das ist der entscheidende Vorwurf auch an diesen Haushalt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinzu kommt Ihre Ideologie. Sie schlägt auch im Nachtragshaushalt durch.Hessen soll ein Land des Südens werden, leider nicht, was die Sonne betrifft, sondern was soziale Ungerechtigkeit betrifft, was ökologische Verantwortungslosigkeit betrifft und was Intoleranz betrifft. Das ist Ihre Herangehensweise. Das versuchen Sie auch haushaltspolitisch durchzusetzen – Deutsch-Südwest als Ihr Kampfziel. An dieser Stelle sind Sie wirklich Erben von Herrn Kanther.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Irmer ist an dieser Stelle nur die Spitze eines Eisbergs.Herr Kollege Caspar,dass Sie sich auf Botswana berufen, macht vieles Ihrer Ideologie deutlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Aber dieser Nachtrag ist neben der Ideologie auch noch das Ergebnis einer miserablen Haushaltswirtschaft, einer Fahrt ins Blaue,die von Herrn Koch und Herrn Weimar zu verantworten ist.

(Zurufe der Abg. Günter Rudolph (SPD) und Heinrich Heidel (FDP))

Herr von Hunnius, aber auch die FDP – Sie werden sich nachher wieder als Retter der Finanzen darstellen – hat einen gewaltigen Anteil daran, dass der Haushalt 2004 so aussieht, wie er aussieht.

(Beifall der Abg. Günter Rudolph (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn der Haushalt 2004 ist die Konsequenz einer sorglosen Finanzpolitik, zu der Sie in Ihrer Regierungstätigkeit immer die Hand gehoben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heinrich Hei- del (FDP): Jetzt sagen Sie ein Wort zu Hans Eichel!)

Herr Kollege Heidel, nach diesem Zwischenruf will ich das jetzt mit Zahlen belegen. Im Jahr 1998 – das war das letzte Jahr unter Rot-Grün – betrugen die bereinigten Ausgaben 15 Millionen c. Sie sind im Jahr 2003 mit Ihren Stimmen um 1,5 Milliarden c auf 16,5 Milliarden c gesteigert worden. Das war eine Steigerung – das können Sie sich sogar im Kopf ausrechnen – um 10 %. Meine Damen und Herren, das war das Ergebnis Ihrer Haushaltswirtschaft.

Wie war das unter Rot-Grün? In den letzten drei Jahren unter Rot-Grün – 1996 bis 1998 – hatten wir Minus-Haushalte.Wir hatten – das müssen Sie sich einmal überlegen – die Ausgaben im Vergleich von 1998 zu 1997 sogar um 320 Millionen DM, also etwa 160 Millionen c, gesenkt. Das war unser Ergebnis. Sie haben immer nur draufgelegt. Deshalb gibt es überhaupt keinen Anlass, dass Sie sich beschweren. Sie können nicht immer nur sagen, die Steuer

einnahmen sinken. Meine Damen und Herren, die Finanzmisere hat etwas mit Ihrer Ausgabenpolitik zu tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hätten Sie nur finanzpolitisch so sorgsam agiert wie RotGrün. Das hat natürlich auf uns Druck gemacht. Es gab Kritik im Kulturbereich, in den Hochschulen, an den Schulen, von der Polizei. Aber am Ende führt Ihre Haushaltspolitik dazu – das ist die Konsequenz des Haushalts 2004 –, dass da auch kein Stein auf dem anderen bleibt und dass das Personal darunter leiden muss, dass die sozialen Initiativen darunter leiden müssen, dass die Kulturpolitik darunter leiden muss. Sie haben den Haushalt an die Wand gefahren. Das zeigt der Nachtragshaushalt noch einmal.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Finanzminister, wenn Sie immer Steuerausfälle beklagen: Sie sind nicht Opfer, Sie sind Täter. Sie blockieren Milliardenbeträge im Bundesrat, was den Abbau von Subventionen betrifft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie der Haushalt an die Wand gefahren ist, zeigt dieser Nachtragshaushalt. Es gibt überhaupt keinen Spielraum, keine Handlungsmöglichkeit, die Steuermindereinnahmen aufzufangen. Was wird deshalb gemacht? Es wird einfach bei der Nettokreditaufnahme draufgeknallt mit dem Ergebnis, dass die Nettokreditaufnahme nach Beratung im Haushaltsausschuss mittlerweile bei 1,8 Milliarden c liegt. Nach der ganzen „Operation düstere Zukunft“ liegt sie damit höher als im Jahr 2003. Das muss man sich vorstellen.

(Beifall des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen sage ich:Die „Operation düstere Zukunft“ war ein harter Schlag für soziale Initiativen, für das Personal und für die Zukunft Hessens.Aber sie war auch ein harter finanzpolitischer Schlag ins Wasser. Meine Damen und Herren, sie hat nämlich nicht das gebracht, was sie nach Ihrer Aussage bringen sollte.

Übrigens Sie haben immer gesagt, Sie wollten die Personalkosten reduzieren oder auffangen.Mit dem Nachtragshaushalt steigen die Personalkosten um 1,1 %. Diese Steigerungsrate haben wir 1997 unter Rot-Grün übrigens unterschritten – nur um ein Beispiel zu nennen. Sie haben das Personal gedätscht. Sie haben eine Herr-Knecht-Politik betrieben. Am Ende steht eine Steigerung um immerhin 1,1 %. Ihre ganzen Maßnahmen haben am Ende nicht zu dem geführt, was Sie erreichen wollten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sagen wir noch einmal:Wenn Sie etwas finanzpolitisch im Personalbereich erreichen wollen, dann dürfen Sie das nicht mit der PVS gegen die Bediensteten machen, sondern da ist eine Diskussion mit den Gewerkschaften und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der öffentlichen Verwaltung erforderlich,

(Petra Fuhrmann (SPD): Genau! – Günter Rudolph (SPD): Da sind sie gescheitert!)

sonst werden Sie scheitern. – Sie sind schon gescheitert. Das zeigt dieser Nachtragshaushalt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Finanzpolitisch ist das Land am Ende. Die Immobilienverkäufe – wir haben gestern über das Behördenzentrum in Frankfurt in der Gutleutstraße diskutiert – zeigen, dass der Ausverkauf Hessens begonnen hat. Bis zum Jahr 2008 sollen insgesamt 2,6 Milliarden c durch Verkäufe hereinkommen. Das Land soll um 2,6 Milliarden c entreichert werden. Das ist auch das Ergebnis einer sorglosen Finanzpolitik, wie Sie sie über Jahre betrieben haben.

(Beifall bei der SPD)

Weil eine dritte Lesung immer ein Aufguss von Debatten ist, sage ich Ihnen noch einmal:

(Zurufe der Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) und Frank Gotthardt (CDU))

Sie haben Ihre Fehler nach der Regierungsübernahme gemacht. Sie haben die Ausgaben sorglos gesteigert und gesteigert: 1999 um 2,1 %, 2000 um 0,8 %, 2001 dann um 3,2 % und im letzten Jahr der CDU/FDP-Mehrheit 2003 um 2,8 %.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Diese Steigerungsraten stehen auch im Widerspruch zu den Beschlüssen des Finanzplanungsrates, in denen deutlich gesagt worden ist: Um die Maastricht-Kriterien einzuhalten, sollen die Haushalte nur um 1 % steigen.

Natürlich gibt es Probleme auf der Einnahmenseite, Herr Finanzminister, das kann niemand bestreiten.

(Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU) – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die Ausgaben in Hessen sinken!)

Hätten Sie, wie es Rot-Grün gemacht hätte, den Haushalt einigermaßen eingefroren oder leichte Steigerungen von nur 1 oder 2 % vorgenommen, dann würden wir nicht über einen verfassungswidrigen Haushalt sprechen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch dann wäre es schwierig geworden. Sie wären an die Verfassungsgrenze herangekommen, völlig klar. Aber Sie hätten die Verfassung einhalten können. Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass diese Auseinandersetzung auch vor dem Staatsgerichtshof noch einmal deutlich wird und dass sie in das Urteil einfließen wird.Es war vor allem Ihre Ausgabenpolitik, die dazu geführt hat, dass das vierte Mal hintereinander – jetzt wieder mit einer Rekordsumme – die Nettokreditaufnahme deutlich über der Verfassungsgrenze liegt. Alle Berechnungsversuche, dass andere Bundesländer die Verfassungsgrenze anders definieren, sind ein Schlag ins Wasser, denn auch nach den Kriterien der anderen Länder wird die Verfassungsgrenze durch Sie im Nachtrag um 600 Millionen c überschritten.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist die Wahrheit!)

Dies alles macht ein komplettes finanzpolitisches und ein komplettes sozialpolitisches Versagen deutlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insgesamt muss man aus wirtschaftspolitischer Sicht sagen: Hessen hat über Jahre hinweg im Bundesvergleich eine miserable Entwicklung gehabt: wenn Sie sehen, wie sich bei uns die Arbeitslosigkeit entwickelt hat, dass wir leider Spitzenreiter des Zuwachses an Arbeitslosigkeit sind, wenn man sieht, dass in keinem anderen Land das

Verhältnis der Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze zur Zahl der Bewerber so schlecht ist wie in Hessen. Ich glaube, das macht alles deutlich. Das macht deutlich, dass Hessen auch im Vergleich zu anderen Bundesländern ganz entscheidend zurückgefallen ist. Das zeigen auch die Zahlen des Länderfinanzausgleichs. Insgesamt kann man nur sagen: Der Nachtragshaushalt 2004 ist ein Dokument des Scheiterns und ein Beweis dafür, dass über Jahre hinweg zu sorglos mit unseren Finanzen umgegangen worden ist.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Sie müssen zum Ende kommen.

Deswegen sage ich: Kehren Sie endlich um. Machen Sie eine Ausgabenpolitik, die vernünftig ist, und hören Sie auf mit Ihren Luftnummern, z. B. bei der mittelfristigen Finanzplanung, wo globale Steuermehreinnahmen in Höhe von 390 Millionen c dargestellt worden sind. Diese globalen Mehreinnahmen, die mit angesetzt waren, waren eine entscheidende Ursache dafür, dass völlig falsche Berechnungen angestellt wurden.