Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Deswegen sage ich: Kehren Sie endlich um. Machen Sie eine Ausgabenpolitik, die vernünftig ist, und hören Sie auf mit Ihren Luftnummern, z. B. bei der mittelfristigen Finanzplanung, wo globale Steuermehreinnahmen in Höhe von 390 Millionen c dargestellt worden sind. Diese globalen Mehreinnahmen, die mit angesetzt waren, waren eine entscheidende Ursache dafür, dass völlig falsche Berechnungen angestellt wurden.

Herr Kollege, ich habe Sie vor einer Minute gewarnt.

Deshalb sage ich: Dieses Land ist finanzpolitisch am Ende.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege von Hunnius das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt, ich gebe Ihnen Gelegenheit, nach Ihrem hektischen Auftritt ein bisschen zu verschnaufen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Lassen Sie mich zu Beginn ein paar Zahlen zum Nachtragshaushalt nennen. Die Steureinnahmen sind um 160 Millionen c rückläufig, darunter die Körperschaftsteuer um 115 Millionen c. Die Nettokreditaufnahme steigt in der Nachbesserung des Nachtragshaushalts um 144 Millionen c.Damit beträgt die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr 1,8 Milliarden c. Das sind satte 92 % mehr, als die Hessische Verfassung erlaubt.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Das ist zwar kein Grund für Beifall, aber ein Grund zum Nachdenken, Herr Kollege Heidel.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir Ausgaben zulasten der Steuerzahler von morgen finanzieren, denn die Kredite von heute sind die Steuern von morgen. Wir tätigen in diesem Jahr in ganz drastischem Umfang Ausgaben, die von den Steuerzahlern von morgen bezahlt werden müssen.

Herr Kollege Schmitt, ich habe niemals geleugnet, dass alle Fraktionen dieses Landtags ihr Scherflein zu der kumulierten Verschuldungssumme beigetragen haben.Auch die FDP-Fraktion hat das getan. Das ist aber kein Grund, dass wir uns gegenseitig beschimpfen und gegenseitig Schuld zuweisen. Wir müssen vielmehr alle gemeinsam daran arbeiten, die Situation zu verbessern.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Dabei reicht es bedauerlicherweise nicht aus, zu warten. Um am letzten Tag, bevor wir uns trennen, um das Christfest zu begehen, ein paar weihnachtliche Klänge in die Debatte zu bringen: Während die einen jetzt auf das Christkind warten,wartete die CDU im Jahre 2004 auf ein Steuerwunder. Sie hat vor lauter Warten vergessen, die notwendigen finanzpolitischen Weichen im eigenen Land zu stellen.

(Beifall des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Dieses Warten auf Godot,das Warten auf Eichel,das Warten auf was auch immer hat sich nicht rentiert.Wir sehen, man hat darüber vergessen, Vorsorge zu treffen. Das ist leider unentschuldbar.

Gibt es zum jetzigen Zeitpunkt, am 16. Dezember 2004, eine Alternative zu einer zusätzlichen Verschuldung? Natürlich nicht. Aber ich muss natürlich auch fragen: Hätte man die zusätzliche Neuverschuldung verhindern können? Diese Frage muss ich – für Sie bedauerlicherweise – bejahen, zumindest zum Teil. Man hätte es verhindern können.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Regiert die FDP in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg nicht mehr mit?)

Ich spreche für die FDP in Hessen, Herr Kollege.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Ich wusste nicht, dass der finanzpolitische Sachverstand am Rhein aufhört!)

Man hätte es verhindern können, indem man erstens einen wirklichen Einsparhaushalt für das Jahr 2004 vorgelegt hätte. Das war leider kein Einsparhaushalt. Ein Einsparhaushalt ist ein Haushalt mit Minimalansätzen. Davon kann bei diesem Haushalt nicht die Rede sein.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens gab es natürlich Möglichkeiten für Bewirtschaftungsmaßnahmen. Sie haben bis Juni geglaubt, Sie würden mehr Einnahmen erzielen.Wir haben uns von diesem Glauben anstecken lassen, wie Sie uns zu Recht vorwerfen, aber dieser Glaube ist durch das Finanzministerium verbreitet worden. Spätestens ab Jahresmitte hätte klar sein müssen: Wir schaffen es nicht mehr. – Bewirtschaftungsmaßnahmen sind trotzdem völlig unterblieben.

Drittens hätte man natürlich den Nachtragshaushalt in den Monaten, als er vorbereitet wurde, mit Ansatzkorrekturen versehen können. Auch das ist nicht geschehen. Sie haben ganz einfach gesagt: Die Einnahmen reichen nicht, also erhöhen wir sie eben, indem wir die Nettoneuverschuldung erhöhen. – Das ist zu einfach, und das ist auch

gegenüber der nächsten Generation kein verantwortliches Verhalten.

Ich muss einen vierten Punkt anfügen: Mit den Steuerschätzungen haben wir schlechte Erfahrung gemacht. Herr Kollege Caspar, Sie haben darauf hingewiesen, dass eine Verminderung der Einnahmen um 1 % angenommen worden ist, was wir als FDP-Fraktion begrüßt haben, anders als die Kollegen der anderen Oppositionsfraktionen. Trotzdem haben die Steuereinnahmen sogar noch darunter gelegen. Wir haben offenbar einen falschen Berechnungsmodus für die Steuereinnahmen, wenn wir sehen, dass sich die Steuereinnahmen vom Wachstum weitgehend entkoppelt haben. Daher müssen wir darüber nachdenken, wie das anders gemacht werden kann. Wir können in der Art und Weise nicht fortfahren.

Lassen Sie mich auf einen Einzelaspekt eingehen,weil wir bei den vielen Haushaltsreden versuchen sollten, nicht immer die gleichen Dinge darzustellen, so richtig sie auch sind.Ich möchte über die Personalausgaben sprechen.Wir haben den Bericht der Landesregierung über den Stand und die Entwicklung der Personalausgaben zum 30. Juni 2004 am 22. November 2004 vorgelegt bekommen. Wir hatten im Haushaltsausschuss kurz Gelegenheit, darüber zu sprechen.

In diesem Bericht wurde, auf den 31. Dezember 2004 hochgerecht – ganz falsch konnte es ja nicht sein –, ein Mehrbedarf im Personalkostensektor von 24,4 Millionen c erkannt. Dieser Betrag ergibt sich saldiert aus 26,6 Millionen c in der Hauptgruppe 4 und 2,2 Millionen c in den übrigen Bereichen. Darunter ist ein ganz entscheidender Schätzfehler im Etat des Kultusministeriums in Höhe von 10 Millionen c. Dieser Schätzfehler beträgt mehr als 40 % des spezifischen Ansatzes und ist im Grunde genommen unentschuldbar.

(Beifall bei der FDP)

Ich muss sagen, dass Schätzfehler, gerade aus dem Kultusministerium, zu einer gewissen Tradition geworden sind. Aber bei einem Schätzfehler von 40 % muss man sagen, da ist irgendetwas grundsätzlich verkehrt gelaufen. Die genannten 10 Millionen c sind in den Nachtrag eingebracht worden. Der Rest der Korrektur soll im Vollzug durch Einsparungen an anderen Positionen erwirtschaftet werden.Was heißt das? Wenn wir in der Lage sind, an anderen Stellen im Haushalt so viel Geld einzusparen, dann heißt das, der Haushalt enthält überhöhte Ansätze.

(Michael Denzin (FDP): Oder die Aufgaben werden nicht durchgeführt!)

Oder es werden Aufgaben nicht durchgeführt. Davon gehe ich aber nicht aus. – Das heißt, wir haben überhöhte Ansätze im Haushalt.Wir haben Luft im Haushalt. Indem Sie diese Luft herauslassen, korrigieren Sie die mangelhafte Zielerreichung in anderen Bereichen, in dem Fall im Personalkostensektor. Das ist eine ganz gefährliche Strategie.

(Beifall bei der FDP)

Diese Strategie ist auch deshalb gefährlich, weil die Personalausgaben natürlich einen ganz anderen Charakter haben. Personalausgaben verursachen, sofern es z. B. um Beamte geht, erhebliche Folgekosten. Wenn es uns nicht gelingt, die Kosten in diesem Jahr einzusparen, indem wir sie bei den Sachkosten einsparen, dann müssen wir im nächsten Jahr umso mehr einsparen,um einen Kumulativeffekt zu verhindern. Das ist also eine ganz gefährliche Rechnung, die nicht nachhaltig ist.

Als weitere Maßnahme wird eine Entnahme aus der Rücklage angegeben. Dazu muss ich nicht mehr viel sagen.Wenn wir die paar Rücklagen, die wir noch haben, zu plündern beginnen, um Zielverfehlungen zu begleichen, dann ist das ebenfalls nicht im Sinne des Erfinders.

Werfen wir einmal einen Blick auf die Entwicklung der Personalausgaben in Hessen insgesamt. Das mache ich auch deshalb, weil immer wieder gesagt wird, wir hätten mit der „Operation sichere Zukunft“ – ich übernehme diesen Ausdruck, weil es der offizielle Ausdruck der Landesregierung ist – Vorsorge getroffen,damit hätten wir getan, was wir tun konnten. Nein, das haben wir nicht getan, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Es reicht nicht aus, im ersten Jahr eine solche Operation durchzuführen und im zweiten Jahr darauf zu hoffen, dass sie fortwirkt. Es gibt natürlich einen fortwirkenden Effekt, nämlich bei den Personalausgaben. Ich darf einmal ganz sachlich feststellen, dass die Personalausgaben im Jahr 2004 – Stand: vorliegender Nachtragshaushalt – um 76 Millionen c über denen des Vorjahres liegen. Das ist der wirkliche Effekt der Einsparbemühungen der Landesregierung. Wir stellen fest, dass auch der Anteil, den die Personalausgaben an den Gesamtausgaben ausmachen, gestiegen ist. Er ist von 40,7 auf 41,9 % gestiegen. Das wird man nur schwer als einen Erfolg gezielter Einsparbemühungen verkaufen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir fragen uns:Was hat sich die Landesregierung als Ziel vorgenommen, wenn sie sagt, sie will bis 2008 weitere 9.700 Stellen abgebaut haben? Der gesamte Effekt wäre einer Senkung der Personalquote von 41,9 % in diesem Jahr auf 41,3 % im Jahr 2008.

Das ist bemerkenswert; aber es ist bei weitem nicht ausreichend. Es ist ganz weit davon entfernt, eine Trendwende darzustellen.So jedenfalls werden wir das Problem der Personalausgaben in Hessen nicht in den Griff bekommen können.

(Beifall bei der FDP)

Dies insbesondere deshalb nicht, weil nicht nur das Kultusministerium in Sachen Personalausgaben das Ziel zum Jahresende verfehlt, sondern auch das Justizministerium um 7 Millionen c, das Wirtschaftsministerium um 4,6 Millionen c und das Umweltministerium um 5,1 Millionen c. Das bedeutet, dass die entscheidende Stellschraube zur Steuerung der Ausgaben, nämlich die Personalausgaben-Stellschraube, bedauerlicherweise ausgesprochen rostig ist.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wer bezahlt denn die Lehrer für die Vorschule? – Gegenruf von der FDP)

Gegen das prinzipielle Warten auf ein Wunder hat die FDP nichts einzuwenden. Aber sie hat sehr wohl etwas einzuwenden gegen Zögerlichkeit, gegen Mutlosigkeit und gegen mangelnde Vorsorge in der Finanzplanung.

Herr von Hunnius, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Vielen Dank für den Hinweis.

Dies alles müssen wir dem vorgelegten Nachtragshaushalt leider attestieren. Wir werden ihm deshalb nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU: Aber die Personalausgaben hatten wir genau erläutert!)

Herr Kollege Kaufmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sie haben das Wort.