Vielen Dank, Herr Milde. – Als Erster hat sich Herr Denzin von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Fünf Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als wir dieses Thema das letzte Mal beraten haben – das war im Juni 2001 –, habe ich für meine Fraktion gesagt, das Thema muss weiter diskutiert werden, es muss auch die Frage gestellt werden, ob wir nicht letztlich die ganze Fehlbelegungsabgabe abschaffen sollten.
Meine Damen und Herren, die Fehlbelegungsabgabe war in den Fünfziger- und Sechzigerjahren die Antwort auf zunehmende Einkommenszuwächse von Menschen, die eine Sozialwohnung und damit eine hoch subventionierte Wohnung belegt hatten. Damals gab es noch große Abstände zwischen der Sozialmiete und der ortsüblichen Vergleichsmiete. Es war richtig, und jeder musste das als gerecht empfinden, dass in den Siebzigerjahren eine Diskussion aufkam, dass nicht zu vertreten ist, dass einer, der über den Einkommensgrenzen liegt,eine teuer subventionierte Wohnung belegt. Dann war die Frage: Nimmt man die Leute heraus, oder findet man eine andere Antwort? Die ist in den Achtzigerjahren mit der Fehlbelegungsabgabe bundesweit gefunden worden, und Hessen hat sie 1992 eingeführt. Ich habe gelesen, das war damals einstimmig.
Meine Damen und Herren, die Welt ist heute eine andere. Nirgendwo ist die Wahrheit allein in einem Sachverhalt begründet.Wir haben hier ein Zusammenwirken von verschiedenen wohnungspolitischen,städtebaulichen und gesellschaftspolitischen Implikationen. Wenn wir das abwägen – nur im Abwägen kommt man zu einem vernünftigen Ergebnis –, heißt das heute, dass mehr Faktoren gegen die Beibehaltung sprechen als dafür.
Es bleibt immer noch das Gerechtigkeitsmoment, das steht außer Frage. Aber wir haben inzwischen in vielen Quartieren regelrechte Verwerfungen – Herr Milde hat es schon angesprochen –, weil Menschen mit einem höheren Einkommen ausziehen, weil sie mit der Fehlbelegungsabgabe plus ihrer relativ hoch gewordenen Sozialmiete schon auf oder über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Damit haben wir einen Segregationsprozess in den Quartieren, den wir gesellschaftspolitisch nicht wollen.
Wenn ich alle Entwicklungen nehme, komme ich unter dem Strich ganz eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Fehlbelegungsabgabe inzwischen mehr Negativeffekte hat, als dass sie zu dem gerechten Ausgleich führt, wegen dessen sie ursprünglich geschaffen worden ist.
Meine Damen und Herren, es kommt auch nicht von ungefähr, dass alle ehemalig gemeinnützige Unternehmen einschließlich des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft sagen, die Fehlbelegungsabgabe gehört abgeschafft.
Jetzt kommt für mich ein ganz dicker Hund, mein lieber Gottfried Milde,wenn hier ein Kollege von der CDU sagt, gerade weil wir überall von Subventionsabbau reden, müssten wir umgekehrt an dieser Abgabe festhalten, die nicht als allgemeine Steuer oder als bestimmte Gebühr für eine staatliche Leistung, sondern nur als Gerechtigkeitsausgleich eingeführt worden ist. Es geht immerhin um ein Aufkommen von 20 Millionen c im Jahr. Es kann doch nicht wahr sein, dass man diese Begründung hier anführt. Dieses Geld hat nur einen Sinn als Gerechtigkeitsausgleich, sonst überhaupt nichts mehr.
Es verändert nichts an der Finanzierung der Wohnung.Sehen wir uns einmal näher an, was die Gemeinden damit machen.Auch hier zur Frage der Gerechtigkeitslücke:Natürlich haben wir schon lange gemerkt, dass es keinen Sinn mehr macht, in Kassel bei leer stehenden Wohnungen in beachtlicher Zahl diese Fehlbelegungsabgabe zu kassieren. Natürlich macht es auch in Eschwege keinen Sinn, natürlich macht es in den meisten mittelhessischen Gemeinden keinen Sinn.
Das heißt, es sind – Herr Minister, vielleicht können Sie es nachher sagen –, wie ich vermute, jetzt noch 58 Gemeinden geblieben, in denen sie erhoben wird. Diese Gemeinden haben einen Aufkommensvorteil, aber sonst nichts.
Nein, meine Damen und Herren, wir werden auf jeden Fall in den weiteren Beratungen einen Änderungsantrag stellen, der ganz schlicht und einfach lautet: „Das Hessische Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungsbau wird aufgehoben.“ – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Redebeitrag von Herrn Denzin hat mich in vielerlei Punkten verwundert. Ich will dennoch zunächst zu Herrn Milde und zu dem eigentlichen Gesetzentwurf kommen.
Herr Milde, ich bin zunächst einmal froh – wir haben das ja auch im Vorgespräch schon einmal angedeutet –, dass Sie sich mit dem Gesetz in der jetzigen Form aus der Verantwortung für diesen Bereich nicht herausziehen. Das will ich ausdrücklich begrüßen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,dass es in allen Parteien und Fraktionen Diskussionen über den Sinn, den Zweck und die Zielbestimmung der Fehlbelegungsabgabe in den letzten Jahren gab bzw. immer noch gibt und auch deswegen ganz unterschiedliche Überlegungen dabei eine Rolle gespielt haben. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Sie sich zu dieser Verantwortung bekennen.
Ich gestehe auch, dass wir uns mit Ihrem Gesetzentwurf ein bisschen schwer getan haben und heute auch noch keine abschließende Entscheidung bekannt geben werden, wie wir uns zu diesem Gesetz entscheiden, weil wir mit einer Zustimmung zu diesem Gesetz eine alte Änderung des Gesetzes, nämlich die vorletzte, zum Thema der Subjektförderung beschließen, die wir wegen der Frage der Mietpreistreiberei für ein Problem halten.
Es gibt auch, wenn wir das richtig sehen, keine massenhafte Verteilung dieser Subjektförderung in Hessen, sondern es gibt nur das Beispiel Bad Homburg. Ich wäre dem Minister dankbar, wenn er im Ausschuss einmal zu den Erfahrungen dieses Modells berichtete.
Das gilt in diesem Zusammenhang auch für die Frage, ob es eine Überarbeitung der bestehenden Verordnung gibt und, wenn ja, wie sie aussieht.
Ich will ausdrücklich loben, Herr Milde, dass die Möglichkeiten zur Mittelverwendung sowie die Konzentration auf den Mietwohnungsbau in die richtige Richtung gehen. Ich will dem Minister an dieser Stelle – das hat er gestern nicht so richtig mitbekommen, und er wird es heute auch an anderer Stelle noch nicht richtig mitbekommen – ein Lob aussprechen, weil es gut war, dass sich der für Wohnen zuständige Minister gegen die Begehrlichkeiten des Finanzministers durchsetzen konnte. Das ist auch ein systemischer Konflikt, den es immer bei der Frage gibt, wer eigentlich die Mittel aus der Fehlbelegung verwendet.
Wir glauben allerdings, dass an einer Stelle das Gesetz noch nicht hinreichend ist, weil es eben auch Veränderungsdiskussionen bei uns gibt. Herr Milde, das ist die Frage, ob es nicht bei den Einkommenshöhen, bei den Grenzsätzen für Nord- und Mittelhessen andere Grenzen geben muss als im südhessischen Bereich.
Deswegen werden wir heute nicht entscheiden, und ich kann es Ihnen heute noch nicht sagen, ob wir dem Gesetz zustimmen oder ob wir uns enthalten,
weil wir diese Frage in den Ausschussberatungen noch mit einem Vorschlag untermauern wollen. Das ist derzeit der Diskussionsstand innerhalb der Fraktion.
Ich will die verbleibende Redezeit aber nutzen, um auf das einzugehen, was Herr Denzin gesagt hat. Denn erstens ist der ursächliche Zusammenhang, Herr Denzin, zwischen der Fehlbelegungsabgabe auf der einen Seite und der Segregation in den Wohnquartieren, die Sie beschrieben haben, empirisch überhaupt nicht zu belegen, und zweitens gibt das heutige Recht, nämlich § 30 Wohnraumförderungsgesetz,längst die Möglichkeit,flexibel auf eine solche eintretende Situation – Stichwort: soziale Stadterneuerung, integrierte Ansätze – zu reagieren.
Das Problem beim Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft und auch bei einem Teil der Wohnungsunternehmen – es gibt ja in den Wohnungsbaugesellschaften keine einheitliche Position zu dem Thema – resultiert aus einer sehr einfachen Annahme.Ich will das bewusst so beschreiben. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie allein durch den Abbau der Fehlbelegungsabgabe bei diesen Mieterinnen und Mietern,die sich nicht ausschließlich an der Miete stören, sondern vor allem an Fragen wie Wohnumfeld, Modernisierungsstand, der sozialen Situation in den Wohnquartieren, irgendeinen nennenswerten Effekt auslösen würden, diese Bewohnerschichten in den Quartieren zu halten. Wie gesagt: Sie könnten das heute schon flexibel gestalten, wenn Sie das wollten.
Dabei beantworte ich jetzt gar nicht die Frage, ob allein der Verbleib so genannter Mittelstandsgemeinschaften in den Wohnquartieren schon Garant dafür ist, dass das, was wir unter stabilen sozialen Nachbarschaften diskutieren, auch wirklich eintreten wird.
Das Problem bei vielen Wohnungsbaugesellschaften ist, dass sie das sehr eindimensional diskutieren und aus meiner Sicht nicht hinreichend Hirnschmalz in die Frage einbringen:Wie kann ich Wohnungspolitik so umfassend diskutieren – das hat auch etwas mit der Stadtplanung zu tun –, dass Instrumente entwickelt werden, stabile soziale Nachbarschaften mit einem interessanten, angenehmen und attraktiven Wohnumfeld zu paaren? Allein die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe wird dazu überhaupt nichts beitragen.
Deswegen halte ich Ihre Position für falsch und will Herrn Milde in dieser Frage ausdrücklich zustimmen: Es ist richtig, die Fehlbelegung nicht abzuschaffen, sondern neu zu justieren. In diesem Sinne werden wir uns in die Ausschussberatungen einbringen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Schäfer-Gümbel. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frau Schönhut-Keil zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, ich kann es relativ kurz machen, unsere Position hier darzustellen. Auch wir sind gegen eine Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe, aber sehr wohl für eine Modernisierung dieses Gesetzes. Insofern werde ich mir jetzt auch weitere Ausführungen zur Wohnungspolitik in Hessen ersparen, weil wir zu einem späteren Zeitpunkt noch dazu kommen,und kann schon sagen,dass wir Ihrem Gesetzentwurf sehr positiv gegenüberstehen.
Auf den ersten Blick können wir die von der Union vorgeschlagene Veränderung nachvollziehen. Sie scheint auch angemessen zu sein, auf die Veränderungen des Wohnungsmarktes in dieser Form zu reagieren. Wir wissen,dass wir insbesondere im Rhein-Main-Ballungsgebiet und dort gerade bei kleineren Wohnungen eine Riesenproblematik haben, während wir in Osthessen insbesondere große Leerstände haben. Das heißt, man muss logischerweise im Hessenland mit diesem Instrumentarium sehr unterschiedlich umgehen.
Wie bereits von Ihnen angesprochen, soll die Fehlbelegungsabgabe nur noch Mietern abverlangt werden, deren Einkommen die generelle Einkommensgrenze für den Bezug einer Sozialwohnung um mehr als 40 % übersteigt. Bisher wurde die Abgabe ja schon fällig, wenn das Einkommen um mehr als 20 % über der Grenze lag.Nach wie vor bleibt aber die Ausgleichszahlung gestaffelt: je höher das Einkommen, desto höher die Abgabe pro Quadratmeter.
Durch die Anhebung der Einkommensgrenze wird die Summe der Zahlungspflichtigen um ein Drittel sinken, was auch die Bürokratie um das gleiche Drittel reduziert, während die Einnahmen aber nur um 19 % abnehmen. Das scheint uns ein vernünftiges Verhältnis zu sein.
Es war eben schon einmal Thema:Die Anhebung der Einkommensgrenze kommt zusätzlich auch dem Wunsch der Träger vieler Sozialwohnungen entgegen, die Mieter einzelner Quartiere aus verschiedenen Bevölkerungsschichten zu mischen und damit einer Gettobildung vorzubeugen. Dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist, weiß ich auch; aber das ist ein Instrument.
Auf ein weiteres Detail im Gesetzentwurf möchte ich kurz eingehen:Die Pflicht der Kommunen,mit den Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe umzugehen – d.h.bisher,sie innerhalb der folgenden zwei Haushaltsjahre für den Wohnungsbau auszugeben –, wird einerseits sachlich konkretisiert und andererseits zeitlich flexibilisiert.Das heißt, statt für Wohnraum müssen die Kommunen die Mittel künftig für Mietwohnraum ausgeben, damit die Förderung von Wohneigentum aus der Fehlbelegungsabgabe
explizit nicht mehr möglich ist. Meine Damen und Herren,das begrüßen wir außerordentlich.Es kann nicht sein, dass aus dem Geld der Sozialmieter die Eigenheime anderer Personen gefördert werden.
Außerdem wird ergänzt, dass die fristgemäße Verwendung der Mittel Beschlüsse der Gemeindegremien voraussetzt, die aber auch in die Zukunft gerichtet sein können. Insbesondere für Kommunen mit niedrigem jährlichen Aufkommen aus der Fehlbelegungsabgabe wird damit die Möglichkeit geschaffen, das Geld über mehrere Jahre anzusammeln, bevor dann ein größeres Projekt verwirklicht werden kann.Auf den ersten Blick erscheint uns das auch angemessen.
Wir sollten das in der entsprechenden Anhörung im Ausschuss noch einmal vertieft diskutieren,um auch zu sehen, wie die jeweiligen Wirkungsweisen in den unterschiedlichen Regionen Hessens sind, weil die Anforderungen, wie ich eben schon ausgeführt habe, sehr differieren.
Ich denke aber – das habe ich auch deutlich gemacht –,wir stehen Ihrem Gesetzentwurf positiv gegenüber. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Schönhut-Keil. – Für die Landesregierung hat sich Herr Staatsminister Dr. Rhiel zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unterstützt voll die mit dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion verfolgten Ziele, nämlich die Einkommensgrenzen anzuheben, was die Überschreitung anbetrifft, in dem Fall um 40 %.