Protokoll der Sitzung vom 26.01.2005

Warum Sie ausgerechnet hier das Geschäft des CDULandesvorsitzenden machen und den goldenen Handschlag für die direkt gewählten Bürgermeister und Landräte in Hessen einführen wollen, das müssten Sie schon einmal erklären. Es ist interessant, warum wir eigentlich darüber diskutieren, wie man die Bürgermeister und Landräte, die direkt gewählt wurden, schneller oder leichter aus dem Amt bekommt.

Die CDU würde gut daran tun, sich bei der Auswahl der Bürgermeister und Landräte, die sie ins Rennen schickt, ein bisschen mehr anzustrengen und mehr Gehirnschmalz darauf zu verwenden, welche Kandidatinnen und Kandidaten ins Rennen geschickt werden.Vielleicht hätte dann Herr Kollege Grüttner auch weniger Probleme in Offenbach. Das Problem hätte sich nicht gestellt, wenn Sie dort mehr Gehirnschmalz verwendet hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der hat keines!)

Wir haben heute schon gehört,dass bei Ihnen jetzt die Regelanfrage im Justizministerium bei Direktkandidatinnen und -kandidaten eingeführt wird. Von daher werden Sie sich wohl keine Gedanken darüber machen, wie man bessere Kandidaten sucht. Sie machen sich Gedanken darüber, wie man Kandidatinnen und Kandidaten einfacher los wird, ohne dass der Bürger darüber mitbestimmt und darüber abstimmen kann, und wie man es am besten

schafft, dass man denjenigen, die dann abgewählt sind, auch noch eine fette Versorgung hinterherwerfen kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Intention Ihres Gesetzentwurfes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ausreichend über diesen Gesetzentwurf und die Reform der Hessischen Gemeindeordnung diskutiert. Wir haben alle Facetten dieses Gesetzentwurfes diskutiert. Herr Kollege Rudolph hat gerade noch einmal die wirtschaftliche Betätigung angesprochen. Wir haben das im Ausschuss umfangreich diskutiert. Wir haben Anhörungen dazu durchgeführt. Die Anhörungen haben dazu geführt, dass wir festgestellt haben, dass es Sie gar nicht interessiert, welche Argumente von der kommunalen Seite in das Feld geführt werden.Wir haben Ihnen chronische Beratungsresistenz vorgeworfen.

(Zuruf der Abg. Birgit Zeimetz-Lorz (CDU))

Man hat schon Probleme, Attribute zu finden, mit denen man Sie belegen kann, um zu zeigen, dass Sie überhaupt keinen Wert darauf legen, was die Öffentlichkeit zu diesem Thema sagt und was die Kommunalen Spitzenverbände dazu sagen, dass Sie die wirtschaftliche Betätigung für die Kommunen einschränken wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben zwei Anhörungen dazu durchgeführt. Damals haben wir die Anhörung zu dem Gesetzentwurf der FDP und nun die zu Ihrem Gesetzentwurf durchgeführt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, festzustellen ist: Sie gängeln die hessischen Kommunen in diesem Bereich ohne Grund. Es interessiert Sie überhaupt nicht, was die Kommunalen Spitzenverbände dazu sagen, es interessiert Sie überhaupt nicht, was Oberbürgermeister und Landräte zu Ihrem Gesetzentwurf sagen. Es interessiert Sie schon gar nicht, was die Opposition im Hessischen Landtag zu Ihren Vorschlägen sagt.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Bei der Abwahl schon!)

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Arroganz Sie Einwände und Kritik vom Tisch wischen und wie Sie diese gar nicht zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf des Abg. Klaus Dietz (CDU))

Meine Damen und Herren, Ihr Verhalten ist im höchsten Maße kommunalfeindlich. Das hat Ihnen die kommunale Familie auch deutlich in das Stammbuch geschrieben. Da Sie es uns nicht glauben und da Sie es auch den Spitzenverbänden nicht glauben, vielleicht glauben Sie es dem CDU-Oberbürgermeister Möller, der Ihnen gesagt hat – Zitat –:

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Die geplante Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts stellt einen erheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsgarantie dar.

Meine Damen und Herren, Recht hat der Oberbürgermeister von Marburg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Grund für die Änderungen sind keine sachlichen Erwägungen, sondern Grund dafür ist, dass Sie knallharte Klientelpolitik für die Handwerkskammern und für die Industrie- und Handelskammern machen.

(Lachen des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Warum legen Sie eigentlich an die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen andere Maßstäbe an als an Ihre eigene wirtschaftliche Betätigung?

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt kommt das mit dem Wein!)

Wenn man Ihr Argument für die Einführung der Subsidiaritätsklausel z. B. auf die Hessischen Staatsweingüter – richtig – anwenden würde,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist neu! Super!)

dürften Sie die Staatsweingüter gar nicht betreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oberbürgermeister Möller sagt Ihnen das auch ganz deutlich – Zitat –: Sie müssten „konsequenterweise ihre wirtschaftliche Betätigung beispielsweise in der Hessischen Staatsweingüter GmbH aufgeben“.

Meine Damen und Herren, konsequenterweise müssten Sie das wirklich tun. Meine Damen und Herren, wir wissen aber – das hat die Geschichte in diesem Haus schon gezeigt –, dass Sie an sich selber immer andere Maßstäbe anlegen als an diejenigen, von denen Sie Dinge einfordern.

Meine Damen und Herren, in der allgemeinen Kommunalverfassung schlagen Sie vor, dass die Eine-PersonFraktion abgeschafft werden soll. Ich glaube, dass das ein Systembruch an sich ist. Wenn Sie auf der einen Seite sagen, dass Sie Persönlichkeitselemente wollen und dass auch Personen gewählt werden können, wenn die Parteien es nicht in ein Parlament geschafft haben,dann muss man diesen Personen, die in die Parlamente gewählt worden sind, auf der anderen Seite die Möglichkeit geben, zu partizipieren und im Parlament mitzubestimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das passt nicht in das Wahlrecht, das Sie mit viel Tamtam in Hessen verkündet haben, um das Sie viel Wirbel gemacht haben und von dem Sie gesagt haben, das sei ein Paradigmenwechsel im hessischen Wahlsystem.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen schon in der zweiten Lesung gesagt:Wenn Sie künftig in ein Parlament, bestehend aus elf Mitgliedern, gewählt werden wollen, müssen Sie eine Sperrhürde von 10 % überspringen. Demjenigen, der dann trotz dieser 10-%-Sperrhürde in ein Kommunalparlament gewählt wird, verweigern Sie die Mitwirkungsrechte in diesem Parlament. Das ist wirklich nicht systemkonform.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Argument des Systemsbruchs gilt auch für den Vorschlag, den die SPD immer wieder in die Debatte bringt, nämlich die Einführung der 3-%-Hürde und die Einführung des d`Hondt-Auszählungsverfahrens. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auch da gilt das Argument: Wenn man auf der einen Seite sagt, dass durch Kumulieren und Panaschieren die Persönlichkeitsrechte gestärkt werden,und dann die Personen in diese Parlamente gewählt werden, kann man die Verleihung dieses Mandates nicht davon abhängig machen, wie die jeweilige Partei oder Gruppe abgeschnitten hat. Das passt nicht in das System.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir lehnen auch die vereinfachte Möglichkeit der Auflösung der Ortsbeiräte ab. Die vorgesehene Einführung der Zweidrittelmehrheit beim Auflösungsbeschluss der Gemeindevertretung darf unserer Auffassung nach nicht dazu führen, dass das Votum der Ortsbeiräte,die betroffen sind,dann keine Rolle mehr spielt. Wir haben es dort mit der untersten Mitwirkungsebene zu tun. Es ist ein Gebot des fairen Umgangs, wenn man eine Debatte darüber führt, ob ein Ortsbeirat weitergeführt werden soll, und in der Stadtverordnetenversammlung einen Beschluss darüber trifft, dass man dann auch die Ortsbeiräte an diesem Beschluss beteiligt, dass die Ortsbeiräte dort also ein Mitspracherecht haben.

Zusammenfassend will ich sagen: Es gibt viel Schatten bei dem, was Sie hier als Gesetzentwurf vorgelegt haben. Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich herausheben, dass das, was Sie hier kurz vor Toresschluss eingeführt haben, bei uns dazu führt, dass wir Sie dazu auffordern, dass Sie das, was Sie bezüglich der Erleichterung bei der Abwahl von Bürgermeistern und Landräten vorgelegt haben, aus dem Verfahren zurückziehen und dazu ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren machen, dass Sie eine Anhörung durchführen und dass wir das im Lichte des Verfassungsgebots der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten diskutieren. Meine Damen und Herren, solch einen Systembruch können Sie nicht im Schweinsgalopp im Hessischen Landtag beschließen. Das geht wirklich nicht.

Was Sie hier zum Thema wirtschaftliche Betätigung vorschlagen, findet nicht unsere Zustimmung. Wir glauben, dass Sie in den Anhörungen, die wir dazu durchgeführt haben, und in den Debatten, die wir dazu geführt haben, kein einziges Mal konkret nachgewiesen haben, wo hessische Kommunen unverhältnismäßig wirtschaftlich tätig sind. Bei der Daseinsvorsorge ist es extrem wichtig, dass die Kommunen Anbieter bleiben.

Ich glaube, dass die Regelung zur Eine-Person-Fraktion nicht in das System passt. Den Umgang mit den Ortsbeiräten habe ich gerade erwähnt.

Meine Damen und Herren, auch die Debatten in der dritten Lesung und im Innenausschuss führen nicht dazu,dass wir, trotz der wenigen positiven Aspekte – das will ich am Ende vielleicht persönlich in Richtung des Innenministers sagen; ich habe das schon in der ersten und zweiten Lesung gesagt – –

(Minister Volker Bouffier: Jetzt aber! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Herr Innenminister, wenn Sie wollten, könnten Sie das im Protokoll nachlesen. Das Haushaltsrecht findet durchaus unsere Zustimmung. Das ist ein Paradigmenwechsel. Dadurch werden ehrenamtliche Kommunalpolitiker in die Lage versetzt, die kommunalen Haushalte besser zu beurteilen. Man kann so auch beurteilen, wie hoch das Vermögen einer Kommune ist. Das ist durchaus richtig.

Was Sie uns hier ansonsten als Vorschläge zumuten, führt nicht dazu, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Das ist ein Weniger an Mitwirkungsrechten. Das ist ein

weniger an Partizipation. Sie stellen das System der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten auf den Kopf. Das können wir nicht mitmachen. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Ich darf Herrn Hahn für die FDP-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig,dass wir das Thema in der dritten Lesung diskutieren. Es ist aber nicht richtig – wie es insbesondere der Kollege Frömmrich eben sehr lautstark und umfangreich dargestellt hat –, dass bei dem Thema Abwahlverfahren irgendetwas kurz vor Toresschluss gemacht worden ist.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, sicher!)

Ich will allen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses,die nicht Mitglied des Innenausschusses sind, berichten, dass es eine Anhörung zwischen der ersten und der zweiten Lesung im Innenausschuss des Hessischen Landtags gegeben hat. In dieser Anhörung hat der Vertreter des Hessischen Städtetags zum Thema Abwahl genau die Lösung vorgeschlagen, die nunmehr heute zur Abstimmung steht. Herr Kollege Frömmrich, wenn die GRÜNEN den Städtetag nicht ernst nehmen, Herr Kollege Rudolph, wenn die SPD sich damit nicht richtig beschäftigt,