Protokoll der Sitzung vom 16.03.2005

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unter Blüm, oder was?)

Die notwendigen Reformen sind in den Neunzigerjahren allesamt auf den Weg gebracht worden. Sie waren es, die den entscheidenden Reformschritt der damaligen Bundesregierung zurückgefahren haben,

(Beifall bei der CDU)

auch wenn Sie fünf oder sechs Jahre später erkannt haben, dass dies ein Fehler war, den man korrigieren musste. Selbst der Bundeskanzler hat dies eingesehen, nur nicht die hessische SPD, und das erschreckt nun wirklich. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, Sie formulieren in Ihrem heutigen Antrag:

... die Renten waren seit Jahrzehnten nicht mehr so sicher wie gegenwärtig.

Meine Damen und Herren, wem wollen Sie das, bitte schön, erzählen?

(Beifall bei der CDU)

Sicherlich eines der größten Hindernisse für das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft und der Unternehmen in diesem Lande ist Ihre nach wie vor krankhafte Sucht nach noch mehr Bürokratie und noch mehr Zentralismus. Ich könnte jetzt alles das wiederholen, was wir hier zum Thema Antidiskriminierungsgesetz schon vorgetragen haben. Ich könnte Sie daran erinnern, dass Sie nach wie vor, besonders die hessische SPD, meinen, dass man den Ausbildungsmarkt nur mittels Zwangsabgabe würde regulieren können. Ich könnte Sie jetzt daran erinnern, dass Sie immer wieder glauben, wenn Märkte nicht funktionieren, Ihr Heil in staatlichem Dirigismus suchen zu müssen.

Aber eines ist am Ende Fakt: Mehr als 80 % der Unternehmen, die wir fragen und die von Kammern befragt werden, sagen, dass die Bürokratie noch vor dem Steuerproblem das größte Problem in diesem Lande ist.

All diesen Problemen begegnen Sie in diesen Tagen mit nichts Wichtigerem, als dass Sie sich – das muss man sich vor dem Hintergrund der aktuellen Situation vor Augen führen – zurzeit mit einem neuen Gesetz beschäftigen,das den Warnhinweis beim Medikamentenverkauf regeln soll. Dieser Satz lautet zurzeit: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“.

Diese Bundesregierung hat in diesen Tagen nichts Besseres zu tun, als auch dort die Gleichstellung von Mann und Frau umzusetzen. Der neue Satz soll lauten – so sagt das Bundesgesundheitsministerium –:

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage, holen Sie ärztlichen Rat ein, und fragen Sie Ihre Apothekerin oder Ihren Apotheker.

Meine Damen und Herren, Sie haben Sorgen. Diese Sorgen hätte ich auch gerne.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei Abge- ordneten der FDP)

Und was ist mit der anderen Seite der Medaille? Was ist mit Ihren Vorhaben? Ich erinnere an die Karte im Wahlkampf 1998: „Neun gute Gründe, SPD zu wählen“. Da stand etwas von Innovationsfreude, Deutschland als Ideenfabrik. – Was machen Sie denn mit denen, die Ideen haben? Was machen Sie mit dem Gentechnikgesetz? Was verhindern Sie alles mit diesem Gesetz, mit dem Sie die Menschen in unkalkulierbare Haftungsrisiken stürzen wollen? Sogar SPD-Mitglieder und Betriebsgeräte sagen: Was Künast mit der grünen Gentechnik macht, ist – Herr Präsident, ich zitiere wörtlich – „eine absolute Sauerei“. Alte Arbeitsplätze werden vernichtet und neue andernorts geschaffen.Das ist das Ergebnis Ihrer Verhinderungsund Verweigerungspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn man beim Bundesforschungsministerium anfragt, dann gibt es dort zurzeit keinerlei neue Anträge zur Gentechnikforschung. Das Ergebnis liegt also auf der Hand. Hören Sie endlich auf,sich an diesen wichtigen Stellen der Wirtschaft zu verweigern.

Meine Damen und Herren, das Thema Kernkraft ist ein Thema, das wir weiterhin mit Ihnen streitig stellen werden.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, wir auch!)

Denn während wir als deutsche Exportwirtschaft, aber auch in der eigenen Wirtschaft die Technologieführerschaft für uns beanspruchen konnten, sagen Sie: Nein, wir steigen aus.

(Norbert Schmitt (SPD): Jawohl, sehr gut!)

Damit gehen die Forschungskompetenzen verloren. Damit gehen die Arbeitsplätze verloren, und damit gehen Energiepotenziale verloren, die diese Volkswirtschaft dringend braucht, nur mit dem Ergebnis:Andere machen es, andere bauen Kernkraftwerke, andere investieren in Technologie.

(Norbert Schmitt (SPD): Andere haben dann auch die Probleme!)

Sie sagen Nein.Sie diskutieren lieber darüber,wie wir den Ausstieg noch ein bisschen schneller gestalten. Das ist eine Politik, die deswegen unseriös ist,

(Norbert Schmitt (SPD): Ihr seid Dinosaurier! – Weitere Zurufe von der SPD)

weil wir den Strom am Ende auch unter Ihrer Verantwortung aus genau den Anlagen importieren müssen, die allerdings nicht in Deutschland stehen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Um Ihre Glaubwürdigkeit bzw. Ihre Unglaubwürdigkeit an dieser Stelle zu dokumentieren,muss man in diesen Tagen nur Ihrem früheren Bundeswirtschaftminister zuhören, der sagt:Auch unter Beteiligung der GRÜNEN wird es in 30 oder 40 Jahren in diesem Land wieder Kernkraftwerke geben. – Das ist Ihr früherer Bundeswirtschaftsminister. Das zeigt: Wenn er aus der Regierung ausgeschieden ist, dann sagt er endlich das, was er schon immer gedacht hat.

(Volker Hoff (CDU): Der ist jetzt in der Wirtschaft!)

Wir in Hessen sind hingegen auf einem klaren Kurs.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten nicht nur, was das Wirtschaftswachstum anbelangt, Schritt mit den Ländern Bayern und Baden-Württemberg. Wir gehören nicht nur zu den Ländern mit der niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung.Wir sind auch bei der Arbeitslosigkeit, die zweifelsohne auch in Hessen zu hoch ist, mittlerweile von Rang vier auf Rang drei vorgerückt.

Meine Damen und Herren, wir investieren in Forschung, Bildung und Hochschulen mit dem höchsten Hochschuletat, den es in diesem Land jemals gegeben hat. Das ist exakt das Gegenteil von dem, was Sie in Berlin tun oder, besser gesagt, nicht tun.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Absolut falsch!)

Wir investieren nicht nur in die Köpfe unserer Menschen, sondern wir schaffen auch die Strukturen, die unser Bundesland braucht. Das Thema Flughafenausbau diskutieren wir gerne in jeder Plenarsitzung. Die Themen Ausbau des Flughafens Kassel-Calden sowie Ausbau der A 44 und Ausbau der A 49 – all das diskutieren wir gerne mit Ihnen.

(Manfred Schaub (SPD): Keinen Meter gebaut! – Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Da wir einen klaren Kurs fahren, den die Menschen erkennen, kommt dieses Land große Schritte voran.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Meine Damen und Herren,Herr Präsident,eine letzte Bemerkung, die auch etwas mit der Unglaubwürdigkeit Ihres Antrags zu tun hat, in dem Sie unter anderem behaupten, dass dank Ihrer Hilfe in Deutschland die Schwarzarbeit zurückgegangen sei. Sie müssen sich einmal die Volumina anschauen, die wir immer noch bei der Schwarzarbeit, bei dieser Schattenwirtschaft haben. Wenn Sie für sich reklamieren, dass dies jetzt 3 % weniger geworden ist, dann dürfen Sie das gerne tun. Aber Sie können nicht verhindern, dass ich Sie daran erinnere, dass ein wesentlicher Punkt bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit war, endlich wieder Jobs für Geringverdienende möglich zu machen. Das sind die so genannten 400-c-Jobs.Wenn die CDU/CSU Sie dort nicht getrieben hätte, wäre auch dort nichts passiert.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Das war unter Kohl immer traumhaft! Da gab es wohl nie Schwarzarbeit?)

Das ist eine Politik, die zeigt: Wir stehen für dieses Land auch in Zeiten der Opposition, und wir treiben diese Bundesregierung dahin, wo wir meinen, dass sie hingetrieben werden muss, nämlich endlich in die Einsicht, dass dieses Land mehr verdient hat als Verweigerung und Stillstand. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Frankenberger hat das Wort für die Fraktion der SPD.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gestern Köhler, morgen Schröder – alle haben auf Boddenberg gewartet!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie wünschen eine Debatte über den Standort Deutschland. Mit dem Thema haben wir Sozialdemokraten überhaupt kein Problem;

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

denn es ist in der Tat an der Zeit, den ewigen Miesmachern in den Reihen der CDU die rote Karte zu zeigen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wären in Deutschland schon ein ganzes Stück weiter, wenn sich die hessische CDU unter Ministerpräsident Roland Koch nicht in den letzten Jahren im Bundesrat als Reformbremser betätigt hätte.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der CDU, der Pakt für Deutschland, den Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bund – wo sie in der Opposition sind – scheinheilig als Lösung für Arbeitsmarktprobleme anbieten, entlarvt nur zu deutlich, wer hier letztendlich zur Kasse gebeten werden soll. Das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Ihnen fällt zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes nichts anderes ein, als wieder einmal einen Angriff auf die Arbeitnehmerrechte, die Tarifautonomie und die Betriebsverfassung zu starten.