Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

(Lachen bei der CDU)

und in ihre Überlegungen auch einen möglichen Handlungsbedarf einbeziehen.

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Genauso wie beim Visa-Skandal!)

Man kann sich also nicht hierhin stellen und behaupten, die Bundesregierung tue nichts.

(Lachen bei der CDU)

Gewundert hat mich übrigens auch die Tatsache, dass die Landtagsfraktion der CDU die Landesregierung auffordert, im Bundesrat eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen. Ich meine, wenn die Landesregierung Hand

lungsbedarf gesehen hätte, was hat sie davon abgehalten, selbst die Initiative zu ergreifen? In diesem Fall tut das die Landtagsfraktion höchstselbst. Sie tut das im Rahmen eines Setzpunktes. Sie tut das mit einer Redezeit von zehn Minuten, und sie tut es mit einer großen Pressekonferenz. Ich frage Sie allen Ernstes: Haben wir in Hessen keine anderen Probleme?

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das sagen die Richtigen!)

Frau Kollegin Waschke, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen.

(Lachen bei der CDU)

Es drängt sich dann doch der Verdacht auf – –

(Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Verehrte Kollegen,sie hat eindeutig erklärt,sie lässt keine Zwischenfragen zu. Die Landesregierung ist in Gestalt des zuständigen Ministers vertreten. Ich darf jetzt um ein bisschen mehr Ruhe für Frau Waschke bitten. Ich bitte Sie.

Es drängt sich dann doch der Verdacht auf, hier sollte von den Problemen abgelenkt werden, die die CDU-Landtagsfraktion an anderen Stellen hat. Wir durften das wieder am Dienstag feststellen. Das sollten Sie nicht auf Kosten der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Hessen tun.Im Übrigen möchte ich für meine Fraktion sagen, dass wir den FDP-Antrag mittragen, aber den CDUAntrag ablehnen werden.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat der Abg. Al-Wazir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat die CDU darauf bestanden,dass sie jetzt,wo sie die absolute Mehrheit hat,von dem üblichen Verfahren,dass jede Fraktion einen Setzpunkt hat, abweicht und selbst zwei Setzpunkte bekommt. Eine der Begründungen dafür war, dass man die absolute Mehrheit und die gestiegene Verantwortung für die Landespolitik auch im Ablauf der Plenarsitzungen deutlich machen muss.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle jetzt fest, wir sind beim zweiten Setzpunkt der CDU.Wenn ich mir das einmal betrachte: Der erste Setzpunkt der CDU in dieser Woche hat die Wirtschaftspolitik der Bundesre

gierung betroffen. Der zweite Setzpunkt der CDU betrifft ebenfalls ein bundespolitisches Thema. Von der Landesregierung,die aufgefordert wird,eine Bundesratsinitiative zu machen, ist auf der Regierungsbank einzig der einsame Innenminister übrig geblieben. Ich glaube, deutlicher kann man es nicht machen, dass die hessische CDU landespolitisch nichts mehr auf der Pfanne hat und die Flucht in andere Sphären der Politik beginnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich freue mich, dass die Sozialdemokraten das auch so sehen und klatschen.

(Heiterkeit – Michael Siebel (SPD): Wenn die GRÜNEN etwas Richtiges sagen und machen, ist das okay!)

Das Zweite ist, hier wird gesagt: Skandal, Skandal. – Ich muss zugeben,ich habe mich bis vorletzter Woche nicht so vertieft mit dem Kindschaftsrecht beschäftigt.Aber wenn man das einmal macht und genauer hineinschaut, dann findet man interessante Sachen. Der Grund, warum solche Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden, hat etwas mit dem veränderten Kindschaftsrecht zu tun, unter anderem mit der Frage, wer eigentlich erklärt, wann wer der Vater ist. Da gibt es seit 1998 die folgenden Bestimmungen:Vater ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist – das ist jetzt nur rechtlich; Sie kennen den Spruch: Mother’s baby, father’s maybe –

(Heiterkeit – Jürgen Walter (SPD): So habe ich das verstanden! Ich dachte, das sei das Thema!)

oder die Vaterschaft anerkannt hat oder drittens dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Wenn man genau schaut, wie diese Änderung ins Kindschaftsrecht gekommen ist, stellt man eine Zuleitung an den Deutschen Bundestag fest: Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Unterschrift Dr. Helmut Kohl.

Das war das Erste, was mich gewundert hat. Frau Beer hat es schon gesagt: Diese Änderung des Kindschaftsrechts wollten wir alle. Alle Parteien haben diese Reform des Kindschaftsrechts gewollt. – Denn niemand von uns will wieder zu den Zeiten zurück, als bei jedem Kind, dessen Mutter unverheiratet war, die Mühle des Anerkennungsverfahrens mit allem durchlaufen werden musste, was dazugehört.Niemand will wieder zu diesem Zustand zurück. Ich hoffe,dass auch die CDU diesen Zustand nicht wieder haben will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Man sollte sich einmal eines betrachten. Ich glaube, dann relativiert sich sehr schnell das, was die mit absoluter Mehrheit regierende CDU heute als das wichtigste Thema gesetzt hat.

Im Jahre 2003 wurden in Deutschland 187.395 Kinder geboren, deren Eltern zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet waren. Es waren also etwas mehr als 187.000 Kinder.Von diesen etwa 187.000 Kindern – nur um diese Kinder geht es – hatten 4.700 eine ausländische Mutter und einen deutschen Vater. Sie behaupten jetzt, dass ein großer Teil dieser 4.700 Eltern bei der „Anerkennung“ faktisch einen Missbrauch vorgenommen haben. Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich mir die Lebenswirklichkeit betrachte, dann glaube ich nicht, dass das der Fall ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bernd Riege (SPD))

Denn inzwischen ist es durchaus so, dass nicht mehr alle Eltern, die gemeinsam ein Kind gezeugt und unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben, wobei ein Elternteil die deutsche Staatsbürgerschaft hat,verheiratet sind.Auch da ist es nun einmal so – das ist inzwischen Lebenswirklichkeit geworden –, dass ein relevanter Teil der Kinder, die in Deutschland geboren werden,Eltern haben,die nicht verheiratet sind. Jetzt ist die spannende Frage: Wo sollen wir ansetzen, falls es solche Missbrauchsfälle wirklich gibt?

Herr Wintermeyer, ich finde es schon spannend, dass die CDU-Fraktion in den Anträgen, die sie im Bundestag dazu gestellt hat – das gilt auch für den im Oktober 2004 –, und auch die Innenministerkonferenz nicht von Missbrauchs- sondern von Verdachtsfällen spricht. Wenn man dann näher recherchiert,stellt man fest,dass es dazu einen Beitrag eines Magazins der ARD gibt, nämlich von „Fakt“, und einen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“,der,so glaube ich,vor etwa zwei Wochen erschienen ist. Wahrscheinlich ist dieser Artikel der Grund, warum Sie diesen Antrag gestellt haben. Wenn einem zur Landespolitik nichts mehr einfällt, dann liest man eben in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.Dann fällt einem schon noch etwas ein.

Wir, die GRÜNEN, finden, dass der Gesetzgeber bei der Reform des Kindschaftsrechts ganz bewusst auf eine Beteiligung der Behörden bei der Feststellung der Vaterschaft bei unehelichen Kindern verzichtet und damit die Rechte der Mütter gestärkt hat. Das wollen wir nicht geändert sehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Das wollen wir nicht geändert sehen, und zwar unabhängig davon, ob die nicht verheirateten Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder nicht.

Die spannende Frage ist doch, ob das Ausländerrecht entsprechende Möglichkeiten bietet. Auch dazu sage ich Ihnen: Sie sollten sich die Lebenswirklichkeit anschauen. Es gibt Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind und nicht in derselben Wohnung leben, nicht dieselbe Adresse haben, sich aber trotzdem um ihre Kinder kümmern. Die Väter nehmen dort nicht nur die biologische, sondern auch die soziale Vaterschaft an. Auch das ist Teil der Lebenswirklichkeit.

Deswegen sagen wir: Falls es wirklich in absoluten Ausnahmefällen solche Missbräuche geben sollte, dann stellt sich immer noch die Frage, ob nicht das Ausländerrecht Möglichkeiten bietet. Beispielsweise könnte man dann prüfen, ob es wirklich eine Beziehung des Elternteils zu diesem Kind gibt.

Ich schlage vor, dass wir uns in der Ausschusssitzung mit genau dieser Frage auseinander setzen. Wir wollen dann sehen, ob es dabei darum gegangen ist, möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen – das Stichwort dazu lautet: Imbiss-Väter –, oder ob es wirklich darum geht, ein Problem zu lösen. So, wie ich die hessische CDU kenne, fürchte ich, dass die erste Möglichkeit zutrifft.

Vielleicht wäre es angebracht, dass Sie sich in der nächsten Plenarsitzungsrunde wieder mehr auf landespolitische Themen konzentrieren und nicht Themen bringen, die schon in der Innenministerkonferenz und im Bundestag behandelt werden. Hier im Saal ist momentan nur ein Mi

nister anwesend. Aber trotzdem wird die Landesregierung in ihrer Kraft und Herrlichkeit eine solche Bundesratsinitiative wahrscheinlich auch allein starten können. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Innenminister Bouffier das Wort.

Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Für die Landesregierung und insbesondere auch für den – –

(Jürgen Walter (SPD): Für die gesamte Landesregierung!)

Ich habe keinerlei Probleme mit meinem Selbstbewusstsein. Außerdem bin ich mit Herrn Kollegen Wagner gemeinsam dafür zuständig, der, wie Sie wissen, jetzt im Richterwahlausschuss sitzt.

(Clemens Reif (CDU): Der ist aber auch selbstbewusst!)

Das ist er ohne Zweifel. – Die Debatte hat ein paar Dinge deutlich gemacht. Ich will zunächst einmal einiges festhalten, das, so glaube ich, einvernehmlich ist.

Ich glaube, es ist in diesem Hause unstreitig, dass die Reform des Kindschaftsrechts, die 1998 durchgeführt wurde, sinnvoll war. Ich kenne niemanden, der diese grundlegende Reform rückgängig machen will. Damit brauchen wir uns also nicht zu beschäftigen.

Die zweite Frage, mit der wir uns zu beschäftigen haben, ist:Warum behandeln wir das hier? – Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben gesagt, das Land sei nicht betroffen. Das ist schlichtweg nicht wahr. Natürlich ist das Land immer betroffen, wenn ein Sachverhalt, wie immer man ihn auch bewertet, bei uns in Hessen, in Berlin, in Hamburg und auch in allen anderen Bundesländern auftritt. Natürlich sind das dann auch Themen, die in der Innenministerkonferenz behandelt werden. Nach meiner festen Überzeugung wird dies auch sehr kurzfristig in der Justizministerkonferenz behandelt werden. Das ist also ein Thema, das uns betrifft.Also gehört es auch hier in den Landtag.