Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Aber auch damals in der Koalition habe ich gesagt, dass man in bestimmten Bereichen einfach drüberstehen muss. Ich sage Ihnen, Herr Innenminister: Es würde Ihnen gut anstehen, wenn Sie Ihren Landespolizeipräsidenten und das Polizeipräsidium Nordhessen wieder einfangen und sagen würden: Okay, es ist auch in der hessischen Polizei und natürlich auch bei Weitergeltung des Disziplinarrechts mit allem, was dazugehört, erlaubt, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte nicht nur Uniformträger sind, sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die das Recht auf freie Meinungsäußerung haben, selbst wenn es gegen den eigenen Minister geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen finde ich, Herr Innenminister, Sie würden in unser aller Achtung und auch in der Achtung der hessischen Polizei steigen, wenn Sie nachher sagen würden: In Ordnung,ich habe es eingesehen;diese Disziplinarverfahren werden nicht weiterverfolgt. – Das wäre der Sache angemessen. Hören Sie auf, die Überbringer der schlechten Nachrichten zu prügeln, sondern kümmern Sie sich eher darum, nicht so viele schlechte Nachrichten zu produzieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Das Wort hat der Abg. Hahn,Vorsitzender der FDP-Fraktion. – Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Peter Beuth aus dem Rheingau hat eben darauf hingewiesen, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. Die FDP-Fraktion ist mit ihm der Auffassung, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. Das bedeutet aber auch, dass man das bereits beim Ursprungsakt hätte tun sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt mit anderen Worten: Wir unterstützen den Antrag der Kollegen von den Sozialdemokraten und meinen, dass die Überreaktion, die am Anfang auf eine sicherlich nicht – ich will es einmal diplomatisch formulieren – schickliche Erklärung von Polizeibeamten stattgefunden hat, nicht notwendig gewesen wäre. Man hätte sie zwischendurch auch wieder relativieren können. Ich glaube, hier sagen zu können, dass ich weiß, worum es geht.

Herr Innenminister, es ist natürlich richtig, dass Polizeibeamte und – eingedenk der Diskussion, die wir heute Morgen hatten, will ich auch das einmal sagen – Richter besondere Verantwortungsverhältnisse gegenüber ihrem Dienstherrn haben. Dabei ist egal, ob sie im Amt sind oder nicht.Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass es sich um Bürger handelt. Insbesondere die Polizeibeamten, die sich durch Entscheidungen, die die Landesregierung getroffen hat,persönlich belastet fühlen,müssen dies auch äußern dürfen.

Dr.Bruder,unser Referent,hat einmal herausgesucht,wie die Rechtslage ist. Es gibt tatsächlich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im 63. Band, nach der es einem Beamten sogar erlaubt ist, den Rücktritt des Ressortministers zu fordern, ohne irgendeine Sanktion erhalten zu müssen.

Ich glaube, dass man gar nicht so hart mit Ihnen umgegangen ist, Herr Innenminister und Frau Staatssekretärin, sondern man hat relativ deutlich auf etwas hingewiesen, was man subjektiv so empfinden kann, wie es die Polizeibeamten empfunden haben, und was objektiv gesehen nicht ganz an der Sache vorbei geht. Deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin der Überzeugung, dass hier die Abwägung, die Kirche im Dorf zu lassen, Herr Kollege Peter Beuth, nicht richtig durchgeführt worden ist. Ich glaube, es ergibt auch keinen Sinn, das als dritte Fraktion der Opposition noch viel länger im Hessischen Landtag zu diskutieren.Am besten wäre es, wenn sich die Beteiligten einmal ganz entspannt zusammensetzen würden. Ich kann mir vorstellen, dass es da auch Mediatoren gibt, die das Problem lösen könnten.

(Günter Rudolph (SPD):Ich weiß,wen Sie meinen! – Lachen bei der SPD)

Zur Gesichtswahrung aller Beteiligten wäre es am besten, wenn dieses Thema nicht weiter hochgezogen würde. Denn eines ist doch klar:Wir haben bei der hessischen Polizei – das sage ich sehr selbstbewusst – gemeinsam als Union und FDP seit 1999 sehr viel erreicht. In vielen Punkten haben Sie das auch fortgeführt.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb hat die FDP-Fraktion auch dem Haushaltsplan 03 im letzten Jahr zugestimmt. Aber, Herr Innenminister und Frau Staatssekretärin, machen Sie das doch bitte nicht kaputt, indem Sie sich bei diesem Thema derartig dickköpfig verhalten. Das ist nicht angemessen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Innenminister, Staatsminister Bouffier.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Der trinkt vorher schon! Prost! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Spülen Sie es einfach herunter!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir können das richtig einordnen. Ich werde natürlich nicht von der Rostra des Landtags aus den Polizeipräsidenten in Nordhessen anweisen, er möge eine disziplinarische Überprüfung anstellen.Das kann niemand ernsthaft erwarten.Das wäre falsch. Das wäre auch rechtswidrig, und das wird nicht passieren.

Um was geht es eigentlich? – Es geht darum, dass sich Polizeibeamte in bestimmter Weise geäußert haben. Das ist in Ordnung oder nicht in Ordnung.

(Zuruf von der SPD: Herr Klemm fragt, ob das rechtswidrig ist!)

Das ist gerade der Gegenstand der Prüfung. – Damit das klar ist: Selbstverständlich haben Beamte das Recht, Kritik zu üben – auch Polizeibeamte.Ob einem das immer gefällt, ist dabei völlig uninteressant. Aber ich füge auch hinzu, dass es Regeln gibt. Die Regeln sind einzuhalten. Ob die Regeln eingehalten worden sind, prüft die zuständige Behörde zurzeit. Da das Disziplinarrecht ein ziemlich klares ist und es auch nicht dem Opportunitätsprinzip unterliegt, sondern dem Legalitätsprinzip – das kann man nicht ernsthaft bestreiten, sondern das können Sie alles nachlesen –, wird darüber zu entscheiden sein, wenn die Prüfung fertig ist. Es ist nicht die Entscheidung des Ministers, sondern, wie Sie wissen, die des Polizeipräsidenten in Kassel bzw. in Nordhessen.

Deshalb sage ich – und da stimme ich mit Ihnen völlig überein –: Wir können das durchaus gelassen betrachten, aber ich werde immer Wert darauf legen, dass es bei jeder Kritik gewisse Rahmen gibt. Das ist auch nichts Neues. Das werden Sie in der Verfassungsgerichtsentscheidung, die Sie genannt haben,wiederfinden.Deshalb sehe ich das sehr entspannt.

Ich füge hinzu: Ich war vor kurzem bei einer Versammlung des PP Nordhessen. Da waren einige der Beteiligten anwesend. Dort habe ich vor versammelter Mannschaft erklärt, dass ich das nicht tun werde. Das haben sie zur Kenntnis genommen. Ob sie damit glücklich sind, ist sicher eine zweite Frage.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Kollege Al-Wazir, ich möchte Sie an etwas erinnern. Sie haben das bereits angesprochen. Mein Vorgänger im Amt hat einmal erlebt, wie ihm Polizeibeamte in der Lobby des Hessischen Landtags die Uniformen vor die Füße geworfen haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war etwas anderes!)

Ich habe damals im Hessischen Landtag erklärt, dass ich das für absolut inakzeptabel und für nicht in Ordnung halte.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt!)

Dabei bleibe ich. Wenn Beamte ihre Kritik äußern, dann gelten Regeln.Wenn völlig Falsches behauptet wird, ist zu überprüfen, ob die Regeln eingehalten wurden. Nicht mehr und nicht weniger will ich dazu sagen. Ich gehe davon aus,dass das die zuständige Behörde sehr sachgerecht macht.

Lassen Sie mich eine zweite Bemerkung anschließen, die hier auch Gegenstand der Debatte war. Herr Kollege Rudolph, Sie haben davon gesprochen, es gebe ein Programm, Wachen zu schließen. Nur weil Sie es angesprochen haben, möchte ich sagen, dass es ein solches Programm nicht gibt. Ich lege größten Wert darauf das zu sagen, damit nicht wieder unter Bezugnahme auf die Erörterungen hier im Landtag die Menschen verunsichert werden. Dieses Programm gibt es nicht, und das wird es auch nicht geben. Es ist richtig, dass wir alles unternehmen müssen, was angesagt und vernünftig ist, um Polizeibeamte auf die Straße zu bringen. Das ist richtig. Wenn wir auf Dauer noch erfolgreicher werden wollen, müssen wir alles tun, um die Möglichkeiten, die wir haben – sowohl personell als auch technisch –, so intelligent einzusetzen, dass wir in der Verbrechensbekämpfung und der Sicherheitsgewährleistung erfolgreich sind. Da sind wir unterwegs, und zwar mit großem Erfolg.

Ich stelle mit großer Befriedigung fest, dass die Menschen, aber auch die betroffenen Bediensteten das sehr wohl verstehen. Durch diese Umstrukturierung stehen der Polizei nicht ein Beamter weniger, nicht ein Angestellter weniger zur Verfügung. Die Ergebnisse sind, soweit man sie jetzt absehen kann,durchaus beeindruckend.

Dritte Bemerkung. Diese Bemerkung richte ich jetzt einmal an die Sozialdemokraten, eigentlich aber auch an die GRÜNEN. Ich habe mir gerade vorhin einmal überlegt, wie dieser Tag unter dem Aspekt Personal eigentlich verlaufen ist. Heute Morgen haben Sie mehr Personal bei der Justiz gefordert. Dann haben Sie – das habe ich vorhin gelesen – landauf,landab mehr Personal bei den Lehrern gefordert. Dann haben wir als Nächstes, um die Mittagszeit, über die Übernahme des Tarifabschlusses mit den damit verbundenen Kosten diskutiert. Das haben Sie ausdrücklich gefordert.

Jetzt verlangen Sie mehr für die Polizei. Das ist schon ein ganz schönes Päckchen. Das kann man vielleicht alles tun. Aber was man nicht tun kann: Man kann nicht an einem Tag in vier großen Bereichen fordern, dass deutlich mehr Geld ausgegeben werden muss, und gleichzeitig gegen die Landesregierung zu Felde ziehen, um diese Landesregierung vor dem Staatsgerichtshof dafür zu kritisieren, dass sie angeblich zu viel Geld ausgebe.

(Beifall bei der CDU)

Entweder ist das eine oder das andere richtig. Deshalb, wenn Sie sich selbstkritisch fragen und heute Abend einen Strich darunter ziehen: Das, was Sie alles – allein nur heute – geboten haben, würde eine Dauerbelastung des Landes in Höhe von zig Millionen Euro bedeuten, sodass man sich, wenn man in einer Debatte ernst genommen werden will, für das nächste Mal überlegen sollte, diese Auftritte vielleicht ein wenig zu entzerren. Ich habe Ihnen schon oft genug gesagt:Jeder Kollege,jede Kollegin dieser Landesregierung wäre durchaus froh, wenn wir weitere Mitarbeiter an vielen wichtigen Stellen einsetzen könnten.

(Norbert Schmitt (SPD): Wir haben Vorschläge zu Einnahmeverbesserungen gemacht!)

Es geht aber nicht,sich hierhin zu stellen,das Elend zu beklagen und auf der anderen Seite diejenigen, die eine erfolgreiche Politik, in der Summe auch bei den Personalkürzungen, durchziehen, vor dem Staatsgerichtshof zu verklagen.

(Norbert Schmitt (SPD): Herr Minister, wir haben genug Kürzungsvorschläge gemacht und genug Einnahmeverbesserungen vorgeschlagen!)

Wir sehen dieser Klage mit großer Gelassenheit entgegen. Wir sind davon überzeugt, dass das, was wir für dieses Land tun, in der Sache erfolgreich ist. Das, was die Opposition hier veranstaltet, meine Damen und Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, erinnert mich ungemein an eine ritualisierte Pflichtübung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Rudolph.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bouffier, Ritualisierung kann ich Ihnen durchaus attestieren. Es geht erstens um den Bruch von Wahlversprechen. Vor der Wahl 2003 haben Sie mit keiner Silbe erwähnt, dass sie fast 1.000 Stellen abbauen wollen. Wir hingegen wollen nichts draufsatteln, wir wollen den Bestand erhalten wissen. Das ist ein sehr entscheidender Unterschied. Bleiben Sie an der Stelle bitte bei der Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Zu dem konkreten Fall aus der „HNA“, Teil Fritzlar/Homberg: Es werden Polizeibeamte nach ihrer Meinung zu Ihrem Vorschlag gefragt, dass Polizisten häufiger auf Streife gehen sollen. Dann wird ein Beamter wörtlich zitiert: „Wir haben heute Morgen fast einen Lachkrampf bekommen.“ Das soll disziplinarrechtlich belangt werden? Wo leben Sie denn, Herr Minister? Wissen Sie, wie es in der Fläche teilweise ausschaut? Das ist nicht erst seit dem letzten Jahr so.Wir haben in der Fläche andere Probleme als in der Großstadt.Sie sagen,die Stimmung sei wunderbar. Reden Sie mit ganz normalen Polizeibeamten, nicht mit dem Landespolizeipräsidenten, der Ihnen das vielleicht anders darlegt. Die Leute sagen: Wir sind so frustriert, weil wir nicht den Eindruck haben, dass unsere Bedenken ernst genommen werden. – Das wird doch auf dem Rücken der Polizeibeamten ausgetragen. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der SPD)

Ein Minister, der souverän ist und Größe zeigt, hätte in der Tat gesagt: Wenn das so ist, dass ein übereifriger Polizeipräsident – – Daran glaube ich aber nicht. Ich glaube schon, dass das alles mit Ihnen abgestimmt ist. Das entspricht zumindest der Art und Weise, wie Sie Ihr Ministerium führen, obwohl wir vorgestern im Ausschuss gehört haben, dass es nachgeordnete Behörden gibt, mit denen Sie gar nichts zu tun haben.

Nein, Sie tragen die politische Verantwortung. Ziehen Sie als ersten Beitrag die disziplinarrechtlichen Vorermittlungen zurück, damit die Beamten wissen, dass es mit der inneren Sicherheit ernst gemeint ist und dass sich der Minister um sie kümmert.Wenn Sie das nicht machen, ist das

ein Zeichen von Schwäche.Das wäre der falsche Ansatz in der Sicherheitspolitik.