Erstens wäre das nichts anderes als die Übernahme des ersten Satzes der Präambel des Grundgesetzes, das seit 1949 auch im Land Hessen gilt.
Drittens. Das gilt vor allem. Das war uns besonders wichtig. Der säkulare Charakter der Hessischen Verfassung wird damit nicht geändert. Die Art. 48 ff. der Hessischen Verfassung würden dann auch weiterhin gelten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU), Jörg-Uwe Hahn und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))
Wir haben von meiner Fraktion aus von Anfang an klargemacht, dass die Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten des Volkes für uns eines der wichtigsten Ziele bei der Überarbeitung dieser Verfassung ist. Wir haben dazu drei Dinge vorgeschlagen.
Zum einen wollten wir ein Absenken des Quorums für ein Volksbegehren von 20 % der Stimmberechtigten auf 10 % erreichen.
Zweitens wollten wir die Möglichkeit der Änderung der Hessischen Verfassung durch Volksbegehren eingeführt sehen.
Drittens wollten wir die Möglichkeit schaffen, eine Volksinitiative zu starten. Letzteres wollen wir, weil die Notwendigkeit,einen ausformulierten Gesetzentwurf zur Abstimmung zu stellen, ein Hinderungsgrund für erfolgreiche Volksbegehren war.
Unsere Vorschläge wurden von der Kommission weitgehend übernommen. Allerdings soll das Quorum nur auf 12,5 % abgesenkt werden, also ein Achtel der Stimmberechtigten. Das liegt immer noch über dem Bundesdurchschnitt.Ich verhehle nicht:Wir haben uns da mehr erhofft. – Allerdings ist uns die Chance, dass es dann endlich auch einmal in Hessen zu einem erfolgreichen Volksbegehren kommen könnte – das steht nun schon seit 60 Jahren in der Hessischen Verfassung, und noch nie ist es zu einem erfolgreichen Volksbegehren gekommen –, so wichtig, dass wir diesen Vorschlag,den wir für notwendig und richtig erachten, mittragen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Jörg-Uwe Hahn und Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))
Natürlich mussten wir im Kompromiss etwas akzeptieren, was bei uns durchaus kritisch gesehen wird, nämlich die Einführung der Möglichkeit einer Verfassungsänderung durch eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit. Nun kann man darüber streiten, ob die Verbesserung des Plebiszits auf der einen Seite durch die Reduzierung der Volksmitwirkung auf der anderen Seite ausgewogen ist.Wir wären auch diskussionsbereit. Man kann auch sagen, nicht zwei Drittel, sondern drei Viertel oder vier Fünftel. Man kann möglicherweise in der Diskussion auch aus guten Gründen zu dem Ergebnis kommen, das wäre an sich überhaupt verzichtbar. Es ist im Grunde genommen eine Ab
Ich darf daran erinnern:Wir dürfen nicht die Verfassungswirklichkeit außer Betracht lassen. Meine Damen und Herren von der SPD, in der Geschichte des Landes Hessen hat Ihre Partei ungefähr 50 Jahre regiert.Ich frage Sie, wie oft Sie in dieser Zeit das Volk gefragt haben, ob die Verfassung geändert werden soll. Ich sage es Ihnen: dreimal.
Das heißt, die Verfassung ist älter geworden, und das Volk hat zwar auf dem Papier weit gehende Mitwirkungsrechte,aber faktisch wird es nicht gefragt.Das ist doch das Problem. Ich bin hier offen für alle Argumente und dafür, wohin sich die Waage sozusagen dreht. Aber das ist ein Abwägungsprozess, über den nach unserer Vorstellung das Volk in einer Volksabstimmung zu entscheiden hätte. Dem sollten wir es zur Entscheidung vorlegen.
Dann kommt die SPD-Fraktion und macht aus der Abwägungsfrage, die man mit guten Gründen so oder so beantworten kann, ein Dogma. Das genau ist der Punkt, an dem jede offene Diskussion zu Ende ist,wo jede Diskussion tot ist. Deshalb sagen wir: Es gibt ein Maximum an Kompromisslosigkeit.
Sie können auch nicht guten Gewissens sagen, es sei ein Demokratieabbau. Es ist vielleicht ein Abbau von direkter Demokratie, aber doch kein Demokratieabbau. Auch der Hessische Landtag ist demokratisch legitimiert. Auch repräsentative Demokratie ist Demokratie.
Wenn Sie sagen, wir wollten aus der Volksverfassung eine Politikerverfassung machen, dann spielen Sie die gewählten Volksvertreter gegen das Volk aus.
Ich habe der SPD keine Ratschläge zu erteilen. Sie können sich, wenn Sie wollen, als Anti-Parteien-Partei profilieren. Ich kann Ihnen nur aus der Frühzeit unserer Parteigeschichte sagen: Wir haben damit keine guten Erfahrungen gemacht.
(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der FDP – Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Dass wir das noch erleben durften!)
Herr Walter hat mit Bezug auf die Zweidrittelmöglichkeit in der Presse verlautbaren lassen: „Wir wollen uns dem Unbequemen stellen und die Bürger selbst befragen“. Herr Walter, das Problem ist doch, Sie sorgen gerade dafür, dass die Bürger nicht gefragt werden. Sie hätten nach unserem Vorschlag über die umfassendste Reform der Hessischen Verfassung in mindestens 15 Punkten einzeln abstimmen können.
Sie hätten erstmals in 60 Jahren als Volk verfassungsgestaltend wirken können. Ihre Fraktion verhindert gerade die größte Volksabstimmung in der Geschichte des Landes Hessen.
Sie stellen sich nicht dem Unbequemen, sondern Sie haben den bequemen Weg der Fundamentalblockade gewählt. Das ist das Problem.
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP – Gernot Grum- bach (SPD): Dafür brauchen Sie aber keinen Vormundschaftsrichter!)
Kommen wir zu den Punkten, die Ihnen besonders wichtig sind, was ich auch gut verstehe und was ich sehr gut nachvollziehen kann: die Wirtschafts- und Sozialverfassung.Die Wirtschafts- und Sozialverfassung nach der Hessischen Verfassung wird von zwei Prinzipien geprägt, erstens einer hohen sozialen Verantwortung von Staat und Wirtschaft und zweitens einem staatsdirigistischen Wirtschaftsmodell. Der Vorschlag der Enquetekommission will die soziale Verantwortung erhalten, aber den Staatsdirigismus korrigieren. Das ist das Entscheidende.
Ich zitiere einmal die geltende Fassung von Art. 38 Satz 2, den Sie erhalten wollen. Danach „hat das Gesetz die Maßnahmen anzuordnen, die erforderlich sind, um die Erzeugung, Herstellung und Verteilung sinnvoll zu lenken“ – Das ist Planwirtschaft. Das hat in Hessen nie stattgefunden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Reinhard Kahl und Norbert Schmitt (SPD))
Das hat in Hessen nicht stattgefunden und ist an anderer Stelle gescheitert. Aber Sie wollen es unbedingt in der Hessischen Verfassung haben.
Die Alternative, die die Enquetekommission vorschlägt, lautet folgendermaßen: „Die wirtschaftliche Betätigung ist frei im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung.“ Damit wird nur die Verfassung vom Kopf auf die Füße gestellt. Ich zitierte Art. 2 Abs. 1, einen wichtigen Grundsatz der Hessischen Verfassung:
Der Mensch ist frei. Er darf tun und lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt oder die verfassungsmäßige Ordnung des Gemeinwesens nicht beeinträchtigt.
Das jetzt auch für den wirtschaftlichen Bereich zu übernehmen ist die Verfassung vom Kopf auf die Füße gestellt
und vor allem die althergebrachten Prinzipien, die die Hessische Verfassung selbst enthält, auch in den Bereich der Wirtschaftsverfassung übernommen. Es bleibt dabei nach unserem Vorschlag für Abs. 2, dass die Wirtschaftsordnung „dem Wohle des ganzen Volkes und der Befriedigung seines Bedarfes zu dienen“ hat,wie es bisher schon in der Verfassung steht. Aus Überzeugung meiner Fraktion – nur deswegen haben wir es mitgetragen – bleibt die soziale Verantwortung voll erhalten.
Deswegen weise ich die Behauptung der SPD, wir wollten neoliberale Positionen umsetzen, jedenfalls für meine Fraktion deutlich zurück.
Es ist unredlich, anderen erst angebliche Motive anzudichten und sie dann für diese Motive verbal zu prügeln.
Schlussendlich schlägt die Kommission in zwei Punkten vor,Vorschriften zu korrigieren, die seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 keine rechtliche Wirkung mehr entfalten. Das betrifft das Tarifrecht auf der einen Seite und die Sozialversicherung auf der anderen Seite. Man kann sich über vieles streiten. Aber eines ist klar: In beiden Bereichen gibt es keinerlei Gesetzgebungskompetenz des Landes Hessen.