Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Bemerkung des Kollegen Rudolph aufgreifen. Sie haben, als Sie vorhin so mitten im Schwung waren, gesagt: Nein, innere Sicherheit ist ein ernsthaftes Thema,und deshalb kann man das nicht so behandeln, wie es aus Ihrer Sicht teilweise behandelt worden ist. – Das will ich gerne aufnehmen.
Wir können das so diskutieren, nach dem Motto: Irgendwo im Lande passiert etwas, vermeintlich oder wirklich, und dann gibt es einen Einzigen, der schuld ist, und das ist der Minister.
Langsam. Ich habe bewusst so angefangen. – Alles, was gut geht, was erfolgreich ist, was den Namen Hessen außerordentlich wohl klingen lässt, z. B. bei der CeBIT und vielem anderen,
geschieht angeblich völlig unabhängig vom Minister.Zitat Rudolph: „Trotz dieser Landesregierung haben das die Bediensteten hinbekommen“.
Meine Damen und Herren, wenn Sie den Satz, dass wir das ernsthaft miteinander verhandeln sollten, ernst meinen – ich finde auch, wir sollten es ernsthaft tun –, dann sollten wir dieses Spiel beiseite lassen. Dann sollten wir sagen, worum es eigentlich geht.
Man könnte es vergleichsweise einfach machen. Hätten Sie sich auf den Antrag eingelassen und gesagt, dass das, was im Antrag der CDU positiv gewürdigt wurde, stimmt, dass aber noch Folgendes zu besorgen sei, dann hätten wir eine Diskussionsebene, auf der wir reden könnten. Aber diese wirklich kleingeistige Diskussion, die ich eben verfolgt habe, die nach dem Motto läuft: „Was gut läuft, geschieht völlig unabhängig von der Regierung; an dem, was nicht gut läuft, ist alleine die Regierung schuld“, das nimmt doch niemand ernst.
Meine Damen und Herren, wenn wir über innere Sicherheit reden, dann stehen wir dafür als Landesregierung. Dann stehen der Kollege Dr. Wagner und ich dafür, dass wir das als Priorität begreifen. Das unterscheidet uns von früheren Zeiten.
Wir waren lange genug dabei,und es sind noch ein paar im Saal, die wissen, wo die Axt unter Führung Ihres früheren Fraktionsvorsitzenden am meisten angesetzt wurde. Da ich mit Armin Clauss sehr intensiv darüber gesprochen habe,kann ich es vor dem ganzen Hause sagen.Es gibt ein paar,die genau wissen,wo die Axt angelegt wurde,und die z. B. keine Ausbildung mehr im notwendigen Umfang gemacht haben. Das war eine politische Prioritätenentscheidung. Das kann man so machen. Aber wenn wir über die Sache reden, dann müssen wir Folgendes festhalten:
Wenn Sie Sicherheit möglichst gut gewährleisten wollen, und zwar sowohl im Bereich der Justiz wie im Bereich der Polizei, dann brauchen Sie dazu mehr als eine Verengung der Diskussion, die sich alleine mit dem Thema Personal oder allein mit dem Thema Technik beschäftigt.Vielmehr brauchen Sie eine Konzeption oder, wie ich das immer nenne, eine Architektur. Eine Sicherheitsarchitektur setzt sich zumindest aus vier Dingen zusammen. Sie setzt sich zunächst einmal aus einem gesetzlichen Rahmen zusammen, der den Rahmen für diejenigen zieht, die wir beauftragen, Sicherheit zu gewährleisten, damit sie überhaupt arbeiten können. Hierzu haben wir engagiert über viele Punkte gestritten.
Ich nenne nur einmal das schöne Stichwort Schleierfahndung. Mein Vorgänger im Amt war wie ich der Auffassung, das sei richtig. Das ist aber unter Rot-Grün nie durchgeführt worden. Wir haben das damals gemeinsam mit der FDP umgesetzt.
An diesem Beispiel kann man etwas zeigen. Im letzten Jahr sind zum 1. Mai die Zollkontrollen in Europa weggefallen. Unsere Außengrenze ist Weißrussland oder die Ukraine. Der Lastzug wird das letzte Mal in Brest-Litowsk kontrolliert. Wenn wir wissen, dass Schmuggel, organisierte Kriminalität und alles andere ein großes Problem sind, dann müssen doch das Land, das die meisten Verkehre in Europa aufnimmt, nämlich Deutschland, und das Bundesland,das mittendrin liegt,eine Antwort auf die Frage geben, wie der Sicherheitsfilter an der Grenze, der weggefallen ist, nach Möglichkeiten im Rahmen rechtsstaatlicher Erwägungen aufgefangen werden kann.
Ihre Antwort war: Wir tun nichts. – Unsere Antwort war: Wir führen die Schleierfahndung ein, und zwar mit dem Ergebnis, dass wir pro Jahr mehr als 4.000 bis 5.000 Ermittlungsverfahren haben. Das erhöht die Statistik, aber nicht die Kriminalität. Der Unterschied ist: Sie wollten nicht zur Kenntnis nehmen, was ist.Wir haben zur Kenntnis genommen, was ist, und wir haben eine aktive Kriminalitätsbekämpfung vorgenommen. Genau das ist der Unterschied.
Es ist geradezu kindisch, in dieser völlig kleinkarierten Weise hier immer die Kriminalitätsstatistik herzubeten. Ich nehme einmal vier Stichworte zusammen. Die Graffiti-Verfolgung gab es bei Ihnen nicht.
Nehmen wir den nächsten Punkt, die häusliche Gewalt. Die gab es auch früher, sie wurde nur nicht erfasst.
Sie wird bei uns von Amts wegen erfasst. Nehmen Sie die Ergebnisse aus der Schleierfahndung hinzu, und dann haben Sie in der Summe schon höhere Zahlen, als diese 13 % in drei Jahren ergeben.
Ihre Philosophie ist doch, konkret zu Ende gedacht: möglichst wenig tun, möglichst die Augen zumachen, keine Graffiti-Verfolgung betreiben,keine Verfolgung der häuslichen Gewalt von Amts wegen, Schleierfahndung nur noch einmal im Jahr und nicht relativ häufig. Dann werden Sie staunen,wie die Zahlen zurückgehen.Aber der Sicherheit haben Sie damit nicht gedient,sondern Sie haben dem Volk etwas vorgemacht, und das ist falsch.
Sie brauchen also einen Rahmen. Ich habe ein Beispiel des gesetzlichen Rahmens angesprochen. Sie brauchen eine Ausstattung. Eine Polizei, eine Justiz ohne moderne Ausstattung sind nicht in der Lage, moderne Kriminalitätsbekämpfung zu vollziehen. Das ist so natürlich, dass ich mich wundere, dass wir darüber streiten müssen. Ich will zwei Beispiele nennen, damit wir wissen, wo wir herkommen. Dabei sage ich noch einmal: Die Verengung auf
einen Sachverhalt ist immer zu kurz gesprungen. Deshalb nicht nur Technik; aber Technik ist wichtig.
Meine Damen und Herren, Polizeibeamtinnen und -beamte, die stundenlang Akten hin- und hertragen, die tagelang andere Behörden zu erreichen versuchen, die bei Zeugenvernehmungen früher teilweise zehnmal so lange gebraucht haben wie heute, die sind falsch eingesetzt. Wenn man heute z. B. mit Knopfdruck in jeder hessischen Polizeistation
die Abfrage aus dem gesamten europäischen SchengenRaum durchführen kann, dann hat der Beamte vor Ort, ob es um die polnische Außengrenze geht, ob es um die Grenze zwischen Frankreich und irgendeinem anderen Land oder was auch immer geht, in Bruchteilen von Sekunden die Auskunft, ob das gesuchte Fahrzeug im System ist, ob der Mensch, der ermittelt wurde, als Täter gesucht wird. Dafür haben sie früher Tage und Wochen gebraucht.
Meine Damen und Herren, wer hier ernsthaft bestreitet, dass moderne Technik etwas mit erfolgreicher Kriminalitätsbekämpfung zu tun hat, der ist nicht von dieser Welt.
Damit Sie es noch ein bisschen schöner haben:Wir haben in weiten Teilen nur Trümmer übernommen. Ich will nicht alles von früher erzählen. Dafür bräuchte ich den ganzen Nachmittag.
Aber es gibt ein herrliches Beispiel. Als ich mein Amt übernahm, hatte die hessische Polizei – jetzt passen Sie gut auf – zwei Internetanschlüsse.
Das Innenministerium hatte gar keinen. Das hatte vielleicht den Vorteil, dass man auch nichts erfahren hat. Heute hat jede Dienststelle so etwas.
Meine Damen und Herren, wie wollen Sie Internetkriminalität bekämpfen? Wie wollen Sie in einer modernen Browser-Technik, die Sie heute für alles brauchen, überhaupt noch mithalten? Dieses Thema gehört in diesen Landtag; denn es waren zig Millionen c Investitionen. Wenn wir über Ihr Solothema Personal, auf das ich noch zu sprechen komme,diskutieren,dann müssen wir der Öffentlichkeit darlegen, was wir mit 60 Millionen c gemacht haben.
(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Als Herr Milde Innenminister war,gab es keine Anschlüsse!)
Meine Damen und Herren, vielleicht haben wir immer nur ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Aber ernsthaft bestreitet niemand in Deutschland, der ein bisschen Ahnung hat, dass die hessische Polizei die am modernsten ausgestattete Polizei in Deutschland und, nach meiner Überzeugung, in Europa ist. Darauf können wir gemeinsam stolz sein.
Langsam. Vielleicht sind Sie bereit, den Weg mit mir zu gehen und zu sagen: Wir brauchen den gesetzlichen Rahmen und die entsprechende Ausstattung. – Jetzt komme ich zu dem Thema Personal.
Wir brauchen gut ausgebildetes Personal. Ich mache es sehr kurz; denn ich glaube, wir sind uns darin einig. Die Ausbildung, die wir betreiben – wir haben sie nicht völlig neu erfunden; auch das gehört dazu –, ist in Deutschland führend. Das heißt, wir haben sehr gut ausgebildetes Personal.