Natürlich können Sie sich dafür feiern lassen. Ich habe aber schon den Eindruck, dass die Menschen dieses Landes wollen,dass mit dem Thema innere Sicherheit und der Bekämpfung der Kriminalität ernsthaft umgegangen wird. Hören Sie auf mit dem symbolischen Handeln und der Schau. Sie übergeben permanent irgendetwas in der Öffentlichkeit. Schaffen Sie die sachlichen Voraussetzungen. Schaffen Sie die personellen Voraussetzungen. Das wäre der beste Beitrag zur Stärkung der inneren Sicherheit. Verschonen Sie uns zukünftig mit solchen Jubelan
trägen. Ein solcher Antrag mag für Kreisparteitage der CDU reichen. Für uns und viele andere Menschen in Hessen reicht das nicht aus. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rudolph, für die CDU-Fraktion kann ich sagen, dass ich es sehr bedauerlich finde, mit welcher Polemik Sie dieses Thema hier behandelt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Heike Hofmann (SPD): Krokodilstränen!)
Es ist Polemik,weil wir den Antrag sachlich begründet haben. Herr Kollege Beuth hat es schon gesagt. Es ist natürlich legitim, dass, wenn man 1999 in der Regierungserklärung mitgeteilt hat, was man vorhat, man nach einer gewissen Zeit in diesem Hause darauf zurückkommt und schaut,was davon erreicht wurde.Dass eine Menge davon erreicht wurde, scheint offenkundig zu sein.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Er war doch in drei Minuten mit der Begründung fertig! Sehr viel Substanz kann das nicht gehabt haben!)
Meine Damen und Herren, es ist doch abenteuerlich, dass ausgerechnet Sie sich jetzt auf die Bilanz in der Justizpolitik zurückziehen und die Ausbruchsstatistik mit dem vergleichen, was vor 1999 war.Wir haben im Unterausschuss Justizvollzug x-mal vorgetragen, dass die hessischen Justizvollzugsanstalten sicherer geworden sind. Das ist Fakt. Das lässt sich mit Zahlen belegen. Nichtsdestotrotz kann es passieren, dass es in Einzelfällen zu Ausbrüchen kommt. Das bedauern wir alle. Dass sich die Opposition an so etwas hochzieht, ist wahrscheinlich eher normal. Aber das hat doch mit der Faktenlage in diesem Lande nichts zu tun.
Meine Damen und Herren, Sie wären gut beraten gewesen,diesen Antrag sachlich zu beraten und die Punkte einzeln durchzugehen. Sie sollten auch die Erfolge respektieren, die erzielt wurden.
Herr Rudolph und Herr Frömmrich,Sie haben gesagt,das alles sei normal, das hätte gemacht werden müssen. Dann erhebt sich doch die Frage: Warum haben Sie das denn nicht gemacht?
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Weil wir die zweigeteilte Laufbahn gemacht haben, die Sie bekämpft haben!)
Warum mussten wir dann 1999 das in der Art übernehmen, wie Sie es hinterlassen haben? Warum musste die Hessische Landesregierung in einer Situation, in der die Staatsfinanzen angespannt waren, diesen enormen Nachholbedarf ausgleichen und 50 Millionen c ausgeben? – Das war so, weil Sie diese Aufgaben nicht erledigt haben. Es muss doch möglich sein, das heute in diesem Hause einmal zu diskutieren. Ich hoffe, dass man in diesem Hause künftig auf eine andere Art und Weise mit dem wichtigen Punkt Modernisierung umgeht. Man sollte das anders tun, als es Herr Kollege Rudolph getan hat. Das war eher Kaspertheater und diesem Hause nicht angemessen.
Herr Holler, bei dem „Kasseler Theater“ haben Sie doch vorgeführt, wie man es nicht machen sollte. Sie sollten Ihre Kasseler Brötchen also etwas kleiner backen. Das habe ich jetzt ganz vorsichtig formuliert. Blasen Sie Ihre Backen also nicht so dick auf.
Sie sollten sich einmal die Reden der ehemaligen innenpolitischen und rechtspolitischen Sprecher der CDU, Bouffier,Wagner, und wie sie alle heißen, durchlesen. Damals wurde jeder Gefängnisausbruch skandalisiert. Auch wir können es in Zukunft gerne so machen, dass wir über jeden Einzelfall reden. Sie sollten Ihre Diktion und Sprache bei vielen Dingen ändern.Wir messen Sie an Ihren eigenen Ansprüchen. Das ist möglicherweise unser Fehler. Das habe ich jetzt ganz vorsichtig formuliert.
Mittlerweile ist es selbst dem Innenminister peinlich, dass man seine Aussagen von früher zitiert. Das will er heute nicht mehr hören.Wir werden das trotzdem machen.
Herr Holler, hören Sie einmal: Sie müssen schon zuhören. – Ich habe nicht kritisiert, dass Sie solche Anträge stellen. Ich habe nur kritisiert, dass Sie sich permanent selbst feiern. Sie sind jetzt in der Regierung. Sie tragen die Verantwortung und müssen die Probleme, die sich jetzt auftun und in Zukunft auftun werden, lösen. Packen Sie das an. Gehen Sie mit den Menschen und dem Personal in der hessischen Justiz und der hessischen Polizei anständig um. Das wäre ein wirkungsvoller Beitrag.
Schaffen Sie vernünftige Organisationsstrukturen. Nichts davon steht in Ihrem Antrag. Sie haben das Thema verfehlt. Herr Holler, genau in dieser Art haben Sie in Kassel auch die falsche Politik gemacht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich nach der Rede des Herrn Justizministers zu Wort gemeldet.
Herr Wagner, das Bild, das Sie vom gegenwärtigen Zustand der hessischen Justiz gezeichnet haben, zeigt vor allem eines, nämlich einen erstaunlichen Realitätsverlust des zuständigen Ministers.
Das fängt mit der Geschichtsklitterung an, die Sie betrieben haben. Sie tun gerade so, als ob Sie 1999 die Informationstechnologie erfunden hätten. Sie tun so, als hätte erst mit Ihrem Amtsantritt überhaupt jemand daran gedacht, einen PC anzuschaffen. Das ist natürlich falsch. Auch schon die Vorgängerregierung hat in diesem Bereich erhebliche Anstrengungen unternommen.
Selbstverständlich hat es in den letzten sechs Jahren auch erhebliche technische Entwicklungen gegeben. Zum Beispiel sind die technischen Möglichkeiten, eine E-Mail zu versenden, heute viel weiter fortgeschritten, als das noch vor sechs Jahren der Fall war. Die Kosten sind weiter gesunken usw.
Ich habe das Gefühl, wenn Sie noch ein bisschen länger geredet hätten, hätten Sie uns weismachen wollen, Sie hätten das World Wide Web erfunden.
Die Ausstattung mit PCs und die Modernisierung der Justiz überhaupt sind selbstverständlich von außerordentlich wichtiger Bedeutung. Ich glaube, diese Meinung wird in diesem Hause einhellig vertreten.
Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass jeder PC, jeder Apparat nur ein Mittel zum Zweck sein kann.Kein PC kann ein Urteil sprechen. Kein Drucker kann einen Straftäter verfolgen, und die noch so schnelle E-Mail kann nicht Streife gehen.
Das Entscheidende ist immer,dass diese Apparate,die Sie in Ihrem Feierantrag mit einer Ansammlung von Spiegelstrichen dargestellt haben, von Menschen bedient werden, die nicht nur hoch qualifiziert sind, sondern die auch hoch motiviert sind. Erst das gemeinsam, die Menschen und die Maschinen, ergibt das Ergebnis.
Da muss man sich die gegenwärtige Situation in der hessischen Justiz anschauen. Sie haben vollkommen Recht, in vielen Gerichten und Staatsanwaltschaften sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit vollem Elan an die Modernisierung herangegangen. Wenn man aber heute mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spricht, dann stellt man fest, dieser Elan ist weitgehend erheblichem Frust gewichen, und zwar weil sie das Gefühl haben, dass sie von ihrem obersten Dienstherrn für diesen Elan, den sie anfangs gezeigt haben,auch noch bestraft worden sind.
Es hat eine Arbeitsplatzreduzierung stattgefunden, die weit über das hinausgeht, was an zusätzlicher Arbeitseffektivität geschaffen werden konnte. Teilweise haben sie das Gefühl, sie werden mit Aufgaben zugemüllt, die mit den eigentlichen Aufgaben der Justiz nichts mehr zu tun haben.
Herr Hahn hat schon die Situation angesprochen,über die wir beim letzten Mal in der Aktuellen Stunde diskutiert haben, die völlig haltlose Situation bei der Staatsanwaltschaft in Frankfurt. Es geht auch weiter. Sie haben es selbst erlebt. Vor ungefähr zwei Wochen war der Hessische Rechtspflegertag in Hanau-Steinheim. Sie haben erlebt, wie die hessischen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger – man kann es nicht anders sagen – Frust schieben über diese Landesregierung. Der Vorsitzende der hessischen Rechtspfleger hat dort im Einzelnen erklärt, dass er noch niemals in seiner 20- oder 30-jährigen Berufspraxis von einem Justizminister so hinters Licht geführt worden sei wie von diesem Justizminister. Das ist doch die Realität. Aber wenn Sie demotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen, dann nützen auch die besten PCAusstattungen im Ergebnis nichts.
Ein letztes Beispiel. Ich habe gerade gestern die neueste Ausgabe der Zeitung des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands,BSBD,„Der Vollzugsdienst“,im Fach gefunden. Der ausgeschiedene hessische Vorsitzende schreibt dort:
Es darf die Sparwut der im Rausch der absoluten Mehrheit in Hessen regierenden CDU nicht dazu führen, dass der Strafvollzug seine gesetzlichen Aufgaben kaum noch erfüllen kann und die Funktionsfähigkeit des Vollzugs akut bedroht ist.
Das ist die Situation in Hessen. Das ist die Situation z. B. im Strafvollzug. Auch wenn sie noch so gute PCs haben, die können keine Gefangenen bewachen. Sie können den Justizvollzug nicht am Laufen halten. Sie können alleine auch keine Sicherheit schaffen. Deswegen ist das, was Sie hier beantragt haben, völlig verkürzt.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Bemerkung des Kollegen Rudolph aufgreifen. Sie haben, als Sie vorhin so mitten im Schwung waren, gesagt: Nein, innere Sicherheit ist ein ernsthaftes Thema,und deshalb kann man das nicht so behandeln, wie es aus Ihrer Sicht teilweise behandelt worden ist. – Das will ich gerne aufnehmen.