Der Kompromiss hätte den Hochschulen die dringend notwendige finanzielle Linderung verschafft, die durchaus ein sehr wichtiger Impuls zur Innovation hätte sein können. Nun hat es der Ministerpräsident also wieder geschafft. Dieses Mal ist er als der brutalstmögliche Nichtannehmer von Forschungsmitteln dick in der Bundespresse.
Im Regen stehen wieder einmal die Hochschulen. Die sind Ihnen, wie man an der Situation in Hessen sieht, sowieso gleichgültig. Zuerst führen Sie gegen den Willen aller Langzeitstudiengebühren ein, dann kündigen Sie den Hochschulpakt und pressen den Präsidenten ihre Zustimmung ab. Nachdem Sie kürzlich auch noch die leistungsorientierte Mittelzuweisung an die Wand gefahren haben, gehen Sie schließlich an die Drittmitteltöpfe des Bundes. Herr Koch, Sie haben Höheres vor und nehmen auf diesem Wege die Hochschulen und alle Bestrebungen um einen Konsens in der Föderalismusdiskussion als Faustpfand. Herr Koch, das ist billig, und dafür sind Sie wirklich nicht gewählt.
Zählen wir doch einmal auf, was der deutschen Wissenschaft durch die kochsche Blockadepolitik verloren geht. Aus der Exzellenzinitiative Forschung fehlen nun 1,9 Milliarden c zusätzlicher Mittel für Wissenschaft und Forschung. In dem Pakt für Forschung und Innovation würden allein vom Bund etwa 100 Millionen c zusätzlich an die großen Wissenschaftsorganisationen fließen,davon alleine 24 Millionen c mehr an die DFG – Geld, das hauptsächlich wieder an die Hochschulen fließen würde.
Die Umsetzung des Bologna-Prozesses soll mit 4,4 Millionen c gefördert werden. Hier besteht immerhin Hoffnung, denn Sie mussten hier eine erste Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht hinnehmen.
Durch die Bundesratsblockade der CDU bei der Abschaffung der Eigenheimzulage – die auch im Wesentlichen die Handschrift des Hessischen Ministerpräsidenten trägt – gehen allein durch den Bundesanteil für das Jahr 2006 630 Millionen c verloren, die Wissenschaft und Forschung hätten zugute kommen sollen. Diese Summe würde sich in den Folgejahren sukzessive bis auf 2,5 Milliarden c im Jahr 2012 erhöhen. Meine Damen und Herren, alles in allem ein teures Nein.
Bezahlen dürfen dies alleine die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen. Ich bin der Meinung, dass die hessischen Hochschulen – trotz Ihrer katastrophalen Wissenschaftsschulpolitik – von diesen Geldern profitiert hätten. Denn die hessischen Hochschulen sind trotz geplatzten Hochschulpaktes in vielen Bereichen Spitze.Die Goethe-Universität Frankfurt kommt beispielsweise im aktuellen Forschungsranking des CHE in die Top Ten der leistungsstärksten Forschungsuniversitäten und hätte sich damit ohne weiteres erfolgreich am Wettbewerb um die Exzellenzförderung beteiligen können. Die TU Darmstadt spielt mindestens in der gleichen Liga. Die FH Frankfurt hat als einzige hessische Hochschule den Zuschlag beim Bologna-Prozess bekommen. Weitere hessische Hochschulen hätten sich gerne um die Förderung von Graduiertenkollegs für Nachwuchswissenschaftlerin
nen und -wissenschaftler beworben. Gemeinsam mit den Max-Planck-Instituten und dem Paul-Ehrlich-Institut sowie weiteren Einrichtungen wäre es den hessischen Hochschulen sicher auch gelungen, als Exzellenzcluster eine Förderung für Spitzenforschung zu erhalten.
Herr Ministerpräsident, all das droht an Ihrem Nein zu scheitern. Millionenbeträge gehen der hessischen Wissenschaft jetzt verloren. „Im Zweifel für die Grundsatztreue“ schwadroniert der Ministerpräsident im „Spiegel“ und wehrt sich standhaft gegen alle Argumente für diese Forschungsinvestitionen.
Aber Sie verweigern sich doch nicht deswegen, weil Sie der Rächer der gleich behandelten Universitäten und unterdrückten Bundesländer sind. Sie verweigern sich – wie so oft – aus machtpolitischem Kalkül.
Denn die blockierten Forschungsmilliarden sind Ihr Faustpfand im großen Poker um die Föderalismusreform. Die Hochschulen werden zu Geiseln Ihrer bundespolitischen Profilierungssucht.
Anders ist es doch nicht zu erklären, warum Sie im Februar vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ein Förderprogramm klagen, das die Umsetzung von Bachelor und Master an den Hochschulen unterstützen soll – obwohl Sie die Umstellung auf eben jene Abschlüsse noch im September bei der Verabschiedung der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes zu einem Hauptziel Ihrer Hochschulpolitik erklärt haben.
Anders lässt sich auch nicht erklären, warum Sie 2 Milliarden c für die Forschungsförderung genau dann torpedieren, als doch schon alles im Sinne der CDU kleinverhandelt war. Von Eliteuniversitäten hat doch selbst Frau Bulmahn nicht mehr gesprochen. Es ging doch wirklich nur noch um Forschungsexzellenz.
Ihr kleinkariertes Kompetenzgerangel im wissenschaftspolitischen Sandkasten bewirkt zweierlei. Zum einen hinterlässt es den fatalen bleibenden Eindruck bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass sie nicht mehr sind als ein Spielball der Politik. Sie fühlen sich einmal mehr mit Lippenbekenntnissen und warmen Worten allein gelassen. Zum anderen brechen Sie den politischen Grundkonsens, der über dem gemeinsamen Willen zu Investitionen und Verbesserungen in Bildung und Forschung bestand. Sie verletzten allein aus machtpolitischer Motivation das gesamtstaatliche Interesse an Bildung und Forschung.
Herr Koch,so haben der lügende Schädelforscher und der trotzige Ministerpräsident mindestens eines gemeinsam: Sie haben Wissenschaft und Forschung nachhaltigen Schaden zugefügt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Corts und ich haben gezählt, wer von uns heute Morgen von Ihnen öfter eins auf die Mütze bekommen hat. Er übernimmt es.Wir beide haben eine gemeinsame Position.
(Michael Siebel (SPD): Okay, Sie haben auf die Mütze bekommen! – Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Siebel, das ist eindeutig. Sie haben meinen Namen so oft erwähnt, dass Sie von mir natürlich auch eine Antwort erhalten.
Wir haben in den Ländergremien eine Position gemeinsam vertreten. Am Ende war diese Position so: Als in der Ministerpräsidentenkonferenz ein Kollege bei diesem Thema noch diskutieren wollte, ob man hier abstimmen könne – was rechtlich nicht geht, wie alle Beteiligten wissen –,hat ein anderer Kollege vorsichtig gesagt,dann wäre aber die Mehrheit auf der falschen Seite.
Zum Zweiten will ich sagen: Wenn Sie in den letzten Wochen mit den Wissenschaftsministern diskutiert haben – auch mit Ihren, Herr Kollege Siebel, mit denen Sie ja reden –, wie lautet denn das Argument? Es gab nur ein Argument für das Papier, das ich nicht angenommen habe: Von Frau Bulmahn ist nicht mehr zu erwarten, und wir brauchen das Geld.
Dazu sage ich sehr klar: Bei prinzipiellen Fragen des Verhältnisses von Bund und Ländern reicht das nicht. Deshalb will ich,bevor ich mich auf den einen Punkt,über den wir streiten, konzentriere, zwei Vorbemerkungen machen.
Die erste Vorbemerkung. Frau Abg. Beer hat den Sachverhalt richtig und sehr detailliert geschildert: Über keinen der Punkte besteht Streit – mit Ausnahme der so genannten dritten Förderlinie. Da das zeitungsbekannt ist, kann ich es hier noch einmal sagen: Mein Kollege Steinbrück hat bei dem letzten Gespräch der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler Frau Bulmahn gefragt: Können wir diesen Punkt des Streites herauslösen und über die anderen Punkte Einvernehmen erzielen? Frau Bulmahn hat – ungehindert vom Bundeskanzler – darauf geantwortet: Bei dem Gesamtpaket geht es nur um das Ob und nicht um das Wie.
Seit dieser Zeit stehen alle die Dinge im Raum, die der Bund seit Jahren fordert und nur er verhindert hat. Ich möchte darauf hinweisen, Ruth Wagner und Udo Corts sagen seit Jahren, wir sind bereit, die 3-%-Steigerungen bei den Forschungseinrichtungen zu leisten, aber das ist bisher immer an der Komplementärfinanzierung des Bundes gescheitert.
Das geschah unter der Federführung Hessens. Dafür sind wir immer ein bisschen schief angesehen worden, unter dem Gesichtspunkt: Ihr habts ja. – Darauf haben wir gesagt: Solange wir genug Geld für euren Länderfinanzausgleich haben, haben wir auch genug Geld für die Forschungseinrichtungen.
Alle haben das unterschrieben. Es sind getrennte Verträge. Es ist nicht einmal der gleiche Text, über den wir hier sprechen. Das sind völlig getrennte Verträge. Der Bund unterschreibt nicht, weil wir über eine Frage eines anderen Vertrags Streit haben.
Dazu gehört auch die Tatsache, dass im Summenspiel des Bundeshaushaltes am Ende für die Hochschulen genauso viel Geld herauskommen würde wie vorher. Man kann über alle Details reden, aber nicht nach dem Motto, wir schaffen jetzt die neue Wissenschaftslandschaft mit Frau Bulmahn. Frau Bulmahn gibt am Ende des Spiels, weil sie von Herrn Eichel nicht mehr erhält, genauso viel Geld für die Hochschulen aus wie zuvor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir das in Hessen so machen würden,dann wären wir immer noch auf Ihrem Finanzierungsniveau.
Herr Kollege Siebel, was kann man anderes tun, als darüber zu lachen? Wenn man sich die Entwicklung der Haushaltszahlen für Hochschulen im Lande Hessen seit 1995 anschaut, dann sieht man,
unter dem Finanzminister Karl Starzacher haben Sie über Jahre hinweg jedes Jahr den Hochschulhaushalt zum Steinbruch des Haushaltsausgleichs gemacht. Das war das Ergebnis Ihrer Politik.
Wenn wir heute immer noch über Nachteile bei der Wettbewerbsfähigkeit reden, dann reden wir auch darüber, dass wir uns nach wie vor in einer Aufholjagd befinden. Aber beispielsweise eine Sache haben wir verändert, über die wir jetzt gerade wieder verhandeln. Ja, wir haben über die Kosten-/Leistungsrechnung die Preise offen gelegt. Ruth Wagner hatte damals Recht. Es ist doch nicht so, dass das, was Sie an struktureller Unterfinanzierung hatten, erst im Jahr 2000 entstanden ist. Die gab es in der Mitte der Neunzigerjahre in sehr viel höherer Größenordnung.Aber da haben Sie es gemacht wie in der Schule, wo Sie Lehrer nach der Formel „95 % ist gleich 100 %“ zugewiesen haben. Sie haben die Schwächen wegdefiniert, damit Sie sie nicht mehr sehen und sich nicht dazu bekennen müssen.Wir aber reden über eine ehrliche Analyse und gehen daran, die Probleme zu lösen. Das ist der Unterschied.
Ich komme zu meiner zweiten Vorbemerkung. Jetzt rede ich nur noch über den dritten Bereich, den so genannten dritten Förderstrang. Hier stand ich am Anfang in der Ministerpräsidentenkonferenz auch allein, am Ende aber hatte ich eine Mehrheit. Herr Kollege Corts hat das mit seiner Neinstimme in den Bund-Länder-Verhandlungen versehen.
Jetzt machen wir das doch einmal ganz praktisch. Die Universität in Kassel hat heute mit den Nanowissenschaften einen Bereich – es gibt da mehrere,ich nehme bewusst einen heraus –, bei dem es unter uns wahrscheinlich unstreitig ist, dass er mindestens zu den zehn Besten in der Bundesrepublik Deutschland gehört; lassen wir alles andere weg. Damit ist diese Universität in der Lage, internationale Berufungen von Professoren mit dem Hinweis durchzuführen:Wenn du zu uns kommst, bist du an einem der besten Plätze für Nanotechnologie – in bestimmten Bereichen der Nanotechnologie –, jedenfalls in Deutschland, wenn nicht in Europa.
Diese Universität ist die jüngste in Hessen, einige Hundert Jahre jünger als andere. Sie hat einen historischen Nachholbedarf. Dafür kann sie nichts, und das werfe ich ihr auch nicht politisch vor. In Kassel haben wir eben in den Neunzehnhundertsiebzigerjahren und nicht im Jahr 1895 über den Beginn der akademischen Ausbildung nachgedacht. Dort sind Infrastrukturen schwieriger. Deshalb wird diese Hochschule im Augenblick einem Wettbewerbskampf mit den zehn besten Universitäten haben, etwa mit einer Maximilians-Universität in München und einer Humboldt-Universität in Berlin sowie einer Technischen Universität in Darmstadt oder einer Universität in Frankfurt.
Ich kenne Ministerpräsidentenkollegen, die haben für ihr Bundesland von den zehn schon einmal fünf sicher gebucht.
Das ist aber außerhalb der ostfriesischen Busreihe nicht möglich. Wir müssen nüchtern feststellen, dass wir in diesem Ranking sicherlich faire Wettbewerber haben, fünf große akademische Hochschulen.
Ich könnte Ihnen das, was ich eben am Beispiel Kassel gesagt habe, problemlos für die Biowissenschaften in Gießen, für bestimmte Bereiche der Naturwissenschaften, aber auch der Geisteswissenschaften in Marburg sagen, problemlos für die Wirtschaftswissenschaften in Frankfurt und ebenso für wichtige Bereiche der Elektrotechnik in Darmstadt oder in den Biowissenschaften in Frankfurt mit einem Nobelpreisträger.