Protokoll der Sitzung vom 27.04.2005

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Siebel, wir hatten in der letzten Legislaturperiode unter der Verantwortung von Frau Kollegin Ruth Wagner bereits in Marburg, Gießen und Darmstadt je

weils acht und in Frankfurt zwölf Graduiertenschulen eingerichtet und entsprechend strukturiert, um Nachwuchswissenschaftler im Hessenland zu fördern. Das heißt, wenn man das ordentlich macht, konnte man das schon immer. Wenn der Bund dies mittlerweile auch als Kern der Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes entdeckt und sich entsprechend mit den Ländern zusammentut, um Geld zu investieren, finde ich das prima. Dann sollte man das machen und nicht parteipolitisch darüber streiten.

(Beifall bei der FDP)

Die zweite Förderlinie, die Exzellenzcluster, also die Kooperation von Fachbereichen der Hochschulen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, ist völlig unstrittig zwischen den Ländern. Auch d’accord. Das könnte entsprechend freigegeben werden.

(Michael Siebel (SPD):Völlig unstrittig!)

Das heißt, Sie kommen dazu, dass Fakt ist, dass allein die dritte Förderlinie, also das, was gemeinhin mit Eliteuniversitäten verbunden wird, strittig ist.

Herr Kollege Siebel, was ist passiert? Die Förderung von zehn so genannten Eliteuniversitäten ist in der Fachwelt gleich, als sie von Frau Bulmahn verkündet worden ist, als unrealistisch und als nicht machbar bezeichnet worden, um es freundlich auszudrücken, weil mit den Beträgen, die Bund und Länder bereit sind in die Hand zu nehmen, in den Vereinigten Staaten nicht einmal eine so genannte Eliteuniversität ausstattbar wäre. Dann ist weiter verhandelt worden.Alles,was bislang erreicht worden ist,ist,dass die Formulierung „zehn Universitäten“ durch die Formulierung, dass „Gesamtstrategien von zehn Universitäten in der Forschung“ gefördert werden sollten, ersetzt wurde.

(Michael Siebel (SPD): Das war unstrittig, bis auf Hessen!)

Herr Kollege Siebel, wenn man sich diese Formulierung „Gesamtstrategien von zehn Universitäten in der Forschung“ einmal anschaut, sieht man doch sehr deutlich, dass diese Formulierung gar nicht von dem eigentlichen Ziel, das Frau Bulmahn ursprünglich hatte, nämlich zehn Universitäten zu fördern, abweicht.

(Michael Siebel (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Das heißt, es zeigt sich, dass dies weiterhin der untaugliche Versuch ist, bei der Hochschulpolitik in die Länderkompetenzen einzudringen, um ihren Namen aufzupolieren.

(Beifall bei der FDP)

Denn im Grunde genommen ist sie in Berlin eine Ministerin ohne Zuständigkeit. Das heißt, in meinen Augen ist es völlig legitim, Herr Kollege Siebel, dass die Länder dies in diesem einen Punkt zurückweisen.

(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD):Wenn eine Gesamtstrategie, warum nicht?)

Ich halte es vor allem auch inhaltlich für wichtig, diese dritte Förderlinie umzugestalten. Meines Erachtens macht es wenig Sinn, Gesamtstrategien von Hochschulen insgesamt zu fördern, sondern ich meine, dass wir diese dritte Förderlinie darauf verwenden sollten, Forschungsstrategien von Fächergruppen zu fördern.

(Beifall bei der FDP)

Wir wissen doch, dass jede Hochschule, im Ganzen gesehen, ein bestimmtes Profil, Stärken in bestimmten Fä

chergruppen, Forschungsbereichen und in Form von Forschungsteams sowie Schwächen in anderen Bereichen hat. Daher: Warum sollen wir die Fördermittel mit der Gießkanne verteilen? Warum konzentriert man sich nicht auf die Förderung der Forschergruppen, die in bestimmten Fächern hervorragende interdisziplinäre Arbeit leisten?

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Siebel, das hätte nicht nur den Vorteil, dass wir die Kompetenzverteilung nach unserem föderalen System zwischen dem Bund und den Ländern in der Hochschulpolitik berücksichtigen würden, sondern das hätte vor allem auch den Vorteil, dass wir die Zahl der Förderfälle – bislang sind es zehn Hochschulen, die mit 210 Millionen c pro Jahr gefördert werden sollen – wahrscheinlich deutlich anheben könnten. Wenn wir die Gelder nicht wie mit der Gießkanne über zehn Hochschulen verteilten, sondern uns auf starke Fächergruppen konzentrierten, die miteinander im Wettbewerb stehen, dann könnten wir durch diese Konzentration der Mittel mehr als zehn Förderfälle bedienen. Das wäre ein Vorteil, weil mehr Spitzenforscher in den Genuss einer Förderung kämen und sich die Mittel nicht mit allen anderen an den jeweiligen Hochschulen teilen müssten.

Ich darf aber auch eine Bemerkung in Richtung der Kollegin Kühne-Hörmann machen, die die Kürzung der Hochschulbaumittel angesprochen hat. Frau Kollegin Kühne-Hörmann, es ist völlig zutreffend, die Hochschulbaumittel sollen zwischen 2004 und 2011 um 1,4 Milliarden c gekürzt werden.Auch von uns wurde kritisiert,dass der Bund diese Mittel nicht mehr zur Verfügung stellt. Ich sage Ihnen allerdings ganz ehrlich, dass ich glaube, dass es keine tragende Brücke ist, wenn Ihr Ministerpräsident jetzt mit diesem Argument die Verstärkung der Forschungsförderung zu verhindern versucht. Wenn nämlich auf der einen Seite Geld weggenommen wird und Sie auf der anderen Seite verhindern, dass der Forschungsförderung Geld gegeben wird, obwohl wir dort dringend Mittel brauchen, dann geben Sie meines Erachtens den Forschern und den Hochschulen in diesem Lande Steine statt Brot.

(Beifall bei der FDP)

Mit einem kleinen Augenzwinkern werde ich für die FDPFraktion die Kritik des Ministerpräsidenten an der Kürzung der Hochschulbaumittel bis 2011 um 1,4 Milliarden c auch dahin gehend vermerken, dass Sie, sehr geehrter Herr Koch, gemeinsam mit uns ab 2006 – nach der gewonnenen Bundestagswahl – darum kämpfen werden, die Hochschulbaumittel wieder auf den alten Stand hochzufahren.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich all die Tatsachen, die ich Ihnen aufgezählt habe, zusammennehme, dann kann sich meines Erachtens daraus nur ein Schluss ergeben: Es ist wichtig, dass die Forschungsförderung verstärkt wird. Es ist wichtig, dass wir die Spitzenforschung in diesem Lande vermehrt unterstützen. Deshalb ist es auch wichtig, sehr geehrter Herr Koch – dieser Appell geht aber auch an Frau Bulmahn und die Bundesregierung –,dass die Länder und der Bund ihre Verhandlungen zur so genannten Exzellenzinitiative bezüglich der dritten Förderlinie sehr,sehr zügig zu einem erfolgreichen Ende bringen.

(Beifall bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Forschung in unserem Land braucht dringend Geld. Keinem ist daher mit parteipolitischen Spielchen von rechts oder von links gedient.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir erst einmal ein paar kurze Worte zu der, wie ich finde, relativ absonderlichen Kurzintervention der Frau Kollegin Wagner. Sie haben davon gesprochen, dass wir GRÜNE dem Hochschulpakt nicht zugestimmt und deswegen kein Recht hätten, daran Kritik zu üben, wie das jetzt gelaufen ist. Frau Kollegin Wagner, ich darf Sie daran erinnern, dass gerade umgekehrt ein Schuh daraus wird. Gerade wir GRÜNEN haben immer gesagt, der Hochschulpakt ist falsch gestrickt. So, wie er gestrickt ist, kann er nicht funktionieren. Genau das haben wir dann gemerkt, als die Hochschulpräsidenten von der Landesregierung erpresst wurden, der Kürzung im Hochschulpakt zuzustimmen.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das war der erste Beweis, wo der Pakt nicht funktioniert hat.Den zweiten Beweis haben wir beim Haushalt für dieses Jahres erlebt, wo über einen so genannten Strukturausgleich den Hochschulen in Hessen ganz versteckt 190 Millionen c gestrichen wurden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Wagner, wir haben schon immer gesagt, die Idee, einen Hochschulpakt zu schließen, ist richtig.Auch die leistungsorientierte Mittelvergabe haben wir unterstützt. Aber so, wie der Pakt gestrickt ist, war er von vornherein nicht richtig durchdacht. Das ist auf Ihrem Mist gewachsen, und das erklärt, warum Sie hier eine Rede in der Form gehalten haben, als wäre die FDP eine kleine CDU.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum eigentlichen Thema. „Erbarmen, die Hessen kommen“, so spottet die Online-Ausgabe des „Spiegel“, wenn es dieser Tage um die deutsche Wissenschaftspolitik geht. Gespottet wird hier aber nicht über einen lügenden Schädelforscher aus Frankfurt, sondern über den Hessischen Ministerpräsidenten. Es geht dieses Mal nicht um falsch datierte Knochen oder um erfundene Vermächtnisse, sondern um eine akademische Geiselnahme und um ein Lösegeld von knapp 2 Milliarden c.

Der gesamte Wissenschaftsbetrieb hat sich an den Kopf gefasst: An der Blockadehaltung Hessens ist vor eineinhalb Wochen die fast 2 Milliarden c schwere Exzellenzinitiative Forschung gescheitert. Das sind Mittel, die auch die hessischen Hochschulen verzweifelt gebraucht hätten. Nun sind also alle deutschen Hochschulen im Kompetenzgerangel von Bund und Ländern zu Geiseln geworden. Der Geiselnehmer ist kein anderer als der Hessische Ministerpräsident Roland Koch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der hat nämlich seine egalitäre Ader entdeckt und übt sich, so möchte ich es bezeichnen, in Elitekritik. In Deutschland hätten wir unterschiedliche Universitäten in unterschiedlichen Regionen, stellt der Ministerpräsident hoch analytisch fest, und bei diesen Unterschieden soll es nach seinem Willen auch bleiben. Immerhin müssten ja „Monopolinstitutionen mit all ihrem Legitimationsdruck“ vermieden werden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Münte im hessischen Kabinett!)

Das ist eine hochinteressante Diskussion, vor allem dann, wenn man an die Privatisierung der mittelhessischen Kliniken denkt. Der Ministerpräsident will nicht, so im „Spiegel“-Interview, „dass es künftig in Deutschland Universitäten erster und zweiter Klasse gibt“. Lieber Herr Koch, ich frage Sie, ob Sie schon einmal den Begriff Premiumstudiengänge gehört haben, den der Wissenschaftsminister immer gerne verwendet. Es ist doch wirklich Heuchelei, was Sie hier betreiben. „Universitäten erster und zweiter Klasse“ sind Ihre Erfindung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Im Gegensatz zu Ihrem hessischen Premiumstudium ist das Bund-Länder-Programm wenigstens gut durchdacht und finanziell unterfüttert. Hier in Hessen wollen Sie die Hochschulen zwar in ein Zweiklassensystem pressen,aber das darf natürlich wieder einmal nichts kosten. Die Studierenden sollen, wie so oft, selbst bezahlen.

Nun mimen Sie hier den Verteidiger der Chancengleichheit. Es ist wirklich niedlich: Die CDU stellt sich dem Druck des Wettbewerbs entgegen und positioniert sich gegen Elitebildung. Wenn das nicht eine kapitale ideologische Kehrtwendung ist.Aber okay, Roland Koch mimte den Rächer der Enterbten und brachte die Förderung exzellenter Hochschulen durch das Bund-Länder-Programm vorerst zu Fall.

Nun ist es aber so, dass die „unterschiedlichen“ – so Koch – Hochschulen in der Realität im Wesentlichen gnadenlos unterfinanziert sind. Nicht nur deshalb hat Koch mit seinem Vorstoß in den Hochschulen, bei den Wissenschaftsorganisationen, ja selbst bei seinen CDU-Kollegen aus den anderen Ländern nur Unverständnis, Spott und Verärgerung ausgelöst.Immerhin haben die Wissenschaftsminister und die Bildungsministerin in der Bund-LänderKommission einen Kompromiss ausgearbeitet, der für 15 der 16 Bundesländer tragfähig war.

Peinlich an der ganzen Sache ist, dass Ihre eigenen Länderkollegen Sie eigentlich kaltstellen wollten. 15 der 16 Länderchefs, nicht zu verschweigen deren Wissenschaftsminister und die Hochschulen, haben nämlich sehnlichst darauf gehofft, das Exzellenzprogramm gegen das hessische Veto in Kraft setzen zu können. In „kollektiver Notwehr“, so beschrieb es eine beteiligte Kollegin, haben sie alle gemeinsam daran gewerkelt, Hessens forschungspolitischen Amoklauf zu übergehen.Dann hätten nämlich nur die hessischen Hochschulen in die Röhre geschaut und wären leer ausgegangen.

Doch bevor die Juristen Ihnen diese Peinlichkeit beschert haben, ist es Ihnen gelungen, die CDU-Kollegen zu Mitgeiselnehmern zu machen. Nun wartet die Wissenschaft auf den Ausgang der Wahlen in Nordrhein-Westfalen, auf die Einigung in der Föderalismuskommission oder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Herzlichen Glückwunsch,

Herr Koch, so bringt man Deutschland wirklich nach vorn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Kompromiss hätte den Hochschulen die dringend notwendige finanzielle Linderung verschafft, die durchaus ein sehr wichtiger Impuls zur Innovation hätte sein können. Nun hat es der Ministerpräsident also wieder geschafft. Dieses Mal ist er als der brutalstmögliche Nichtannehmer von Forschungsmitteln dick in der Bundespresse.