bekommen die Problematik nicht mehr direkt in einem Dialog mit den Menschen, die das Ganze erlebt haben, vermittelt.Vielmehr müssen sie sich das entweder anlesen oder durch Institutionen wie Schule oder andere Bildungseinrichtungen darauf hingewiesen werden. Das heißt, wir müssen langsam darangehen, zu überlegen, wie wir das, was geschehen ist, den jungen Menschen transparent verdeutlichen.
Gerade wenn man sich die Vorkommnisse anschaut, zu denen es im Sächsischen Landtag gekommen ist, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass dies wichtiger denn je ist. Dieser Verantwortung sollten wir uns alle bewusst sein. Die Grundlage, die in unserem Grundgesetz aufgrund dieser furchtbaren Vergangenheit gelegt wurde, muss lebendig bleiben. Das Bewusstsein dafür muss auch an die jüngere Generation übertragen werden. Denn ansonsten würde nicht mehr klar, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes eigentlich gewollt haben und warum sie bestimmte Dinge so eingerichtet haben,wie sie es eben taten.
Ich freue mich sehr, dass mit der Hilfe Hessens eine Stätte der Jugendbewegung wie die Friedensschule Monte Sole geschaffen wurde, in der sich Jugendliche aus verschiedenen Ländern zu gemeinsamen Aufenthalten treffen. Dort gibt es seit drei Jahren Sommercamps mit deutschen, italienischen, israelischen und palästinensischen Jugendlichen. Sie haben dort die Möglichkeit, sich mit der Geschichte und der Gegenwart der jeweiligen Länder auseinander zu setzen.
Meine Damen und Herren, diese Partnerschaften zwischen Jungen und Alten und zwischen Einrichtungen, diese Städtepartnerschaften müssen weiter gepflegt werden, damit der Kommunikationsprozess mit der deutschen, aber auch mit der israelischen Bevölkerung, egal, ob sie jüdischen oder palästinensischen Ursprungs ist, nicht abreißt. Das sollte uns Verpflichtung sein. Ich freue mich, dass wir einen Antrag verabschieden, den alle vier Parteien mittragen können. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schönhut-Keil. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Ruth Wagner das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, sozusagen einige Ergänzungen zu den Reden der drei Vorrednerinnen und Vorredner beitragen zu können. Ich will das Wort von Herrn Kahl aufgreifen, dass in der Tat bei Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 und bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 eher eine tiefe Sprachlosigkeit zwischen beiden Staaten, zwischen beiden Völkern vorhanden war.
Anerkennung deutscher Schuld an anderen Völkern,Anerkennung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Wahrnehmung des Holocaust, das hat nach dem 8. Mai 1945 in allen Parteien begonnen.In Schulen ist in Schüben mit großem Entsetzen, aber auch mit unglaublichem Schuldgefühl und noch mehr Verdrängen die Aufarbeitung, wenn man so sagen darf, begonnen worden. Nicht nur die von den Alliierten durchgeführte Entnazifizierung, sondern auch der demokratische parlamentarische
Prozess,der gemeinsame Wille von Parteipolitikern in den Ländern, auch im Parlamentarischen Rat – das gehört dazu – haben sehr viel dazu beigetragen, dass im ersten Bundestag und in der ersten Bundesregierung eine Auseinandersetzung mit der historischen Schuld begonnen hat.
Ich sage das heute, glaube ich, ohne Menschen zu verletzen, gerade in der Gedenksituation, die wir jetzt erleben: Die Auseinandersetzung in der Gesamtbevölkerung war noch nicht so weit fortgeschritten wie zum Teil in den politischen Eliten. Das kann man heute durchaus sagen.
Meine Damen und Herren,Helfer wie z.B.Schindler oder der gerade von einem amerikanischen Überlebenden entdeckte Plagge in Darmstadt oder die Eltern von Cornelia Schmalz-Jacobsen, die sind völlig vergessen worden, aus dem Verdrängen,dass es Helfer hat geben können,die das Fritz-Bauer-Institut heute auf fast 20.000 schätzt.
Meine Damen und Herren, ich will noch ein paar historische Bemerkungen dazu bringen, die ich nachgelesen habe, die mir sehr gut gefallen haben. Theodor Heuss hat sich in seiner allerersten Ansprache, nachdem er am 12. September 1949 als erster Bundespräsident gewählt worden war, zu unserer Schuld bekannt, aber in einer differenzierten Art und Weise. Ich habe etwas Schönes mit einem hessischen Bezug entdeckt. Er war Anfang Dezember 1949 zu seinem Antrittsbesuch im Land Hessen und hat hier in Wiesbaden vor der Gesellschaft für christlichjüdische Zusammenarbeit, die bereits im Winter 1946/47 gegründet worden ist, eine bedeutende Rede gehalten mit dem Titel: „Mut zur Liebe“.
In dieser bedeutenden Rede hat er sich zu der Diskussion, die im Deutschen Bundestag heftig geführt worden ist, ob wir eine Kollektivschuld hätten oder nicht, zu einer guten Bezeichnung durchgerungen, die heute immer noch von Richtigkeit ist. Er sagte, dass es so etwas wie eine Kollektivscham für alle nachfolgenden Generationen geben muss.
Aber etwas wie eine Kollektivscham ist aus dieser Zeit gewachsen und geblieben. Das Schlimmste, was Hitler uns angetan hat – und er hat uns viel angetan –, ist doch dies gewesen: dass er uns in die Scham gezwungen hat,mit ihm und seinen Gesellen gemeinsam den Namen Deutsche zu tragen.
Das ist aus der Zeit heraus eine für uns sicherlich merkwürdige Formulierung.Aber wir können sie sicherlich alle gemeinsam annehmen.
Noch eine schöne Sache, die ich auch für unsere Erinnerungsarbeit gefunden habe. Heuss hat mit Adenauer, mit SPD-Kollegen die Diskussion in den Deutschen Bundestag gebracht. Am 27. September 1951 hat der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer die Verantwortlichkeit
für alle Fraktionen des Deutschen Bundestages in einer bewegenden Debatte klargestellt. In einer Debatte im Jahre 1952 hat sich in drei Tagen die Knesset in Jerusalem mit dem Thema beschäftigt, ob man mit dem Land der Täter wirklich bald Beziehungen aufnehmen kann. Es war eine bewegende Debatte, zu der ich jetzt zwei Botschafter zitieren möchte.
Das ist zum einen Rudolf Dreßler, der die Bundesrepublik Deutschland in Israel vertritt. Er hat gesagt:
Es war eine herausragende Leistung von Bürgern und von Regierungen des jüdischen Staates, zu Deutschen wieder Beziehungen aufzunehmen, wieder mit uns zu sprechen, uns zu besuchen, deutsche Besucher zu empfangen.
Avi Primor,der israelische Botschafter,hat in bewegender Weise in seiner Biografie deutlich gemacht: Ich will kein deutsches Wort mehr hören noch lernen. – Er hat es aber gelernt und liest Bücher in deutscher Sprache. Er hat gesagt:
Verträge und Abkommen zwischen Staaten, die nur deshalb ausgehandelt werden, weil sie im möglicherweise vorübergehenden Interesse des Staates liegen, können oberflächlich und provisorisch sein. Eine alltägliche Zusammenarbeit zwischen Menschen, die ein gemeinsames Ziel anstreben, entwickelt Beziehungen, die Weichen für eine dauerhafte Verständigung zwischen den Völkern stellen.
Dazu hat Hessen in ganz besonderer Weise beigetragen. Alle Hochschulen haben beste Beziehungen.Walter Wallmann hat zwischen Tel Aviv und Frankfurt Beziehungen angebahnt. Wir haben in Nahariya ein Begegnungszentrum von jungen Israelis und Palästinensern, das aus dem Main-Taunus-Kreis unterstützt wird und das wir aus Hessen unterstützen und das Beth Heuss heißt.Darüber freue ich mich besonders.
Meine Damen und Herren, nach dem Luxemburger Abkommen von 1952 war es ein langer Weg von 13 Jahren, bis tatsächlich diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden, die von diesen Auseinandersetzungen zeugen. Theodor Heuss hat auf seinem Krankenbett, das dann das Totenbett wurde, einen Brief an Adenauer geschrieben, eine Art Vermächtnis, in dem er gesagt hat: Ich möchte gerne Sie, Konrad Adenauer, als ersten Kanzler auffordern, dass Sie diese diplomatischen Beziehungen zu Ende führen. – Konrad Adenauer musste am 11. Oktober 1963 demissionieren. Daher hat er es nicht mehr geschafft. Ludwig Erhard hat dann tatsächlich die diplomatischen Beziehungen aufnehmen können.
Sie geschehen heute – das will ich abschließend sagen – in einer gemeinsamen Verantwortung, die aus den besonderen Beziehungen eines Tages, so hoffe ich zumindest, normale besondere Beziehungen macht und die auch dazu beitragen kann, dass kein Verdrängen stattfindet.
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied im Kuratorium der Leo-Baeck-Stiftung. Ich gehöre zu den Mitautoren der Empfehlungen für den Deutschunterricht, die die KMK übernommen hat, um die jüdische Geschichte in Deutschland wach zu halten. Ich freue mich besonders, dass sowohl Frau Wolff wie auch Frau Ahnen das aufgenommen haben und damit klar wird, dass es eine Pflicht aller Generationen ist, Erinnerung und Verantwortung gegen das Verdrängen und das Vergessen zu übernehmen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen ist es gut und wichtig, dass der Landtag die Gelegenheit findet, dies jenseits des Streits, der in diesem Hause geführt wird, in den Mittelpunkt einer Debatte zu rücken, die auch besinnliche und rückblickende Momente gehabt hat. Ich finde es aus Sicht der Landesregierung ausgesprochen gut, dass es eine solche Möglichkeit auch am Abschluss von drei Tagen gibt, in denen man sich dieser historischen Dimension bewusst werden kann.
Alle Vorredner haben die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel in einen historischen Kontext gestellt. Natürlich ist dieser historische Kontext im Wesentlichen geprägt – ich denke, das ist nachvollziehbar – vom Holocaust, von den Menschenrechtsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs und der Nazidiktatur. Umso wichtiger erscheint es mir, einen kurzen Moment darauf zu schauen, wie sich die Situation insbesondere in Israel nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gestaltet hat und mit welchen Möglichkeiten überhaupt erst ein Prozess eingeleitet worden ist, der 1965 zu der formalen Aufnahme diplomatischer Beziehungen geführt hat.
Frau Kollegin Wagner hat Avi Primor zitiert, der ein bemerkenswertes Buch geschrieben hat: „Europa, Israel und der Nahe Osten“,in dem er versucht,die Entwicklung Revue passieren zu lassen, auch vor dem Hintergrund des 40-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen. Er schreibt:
1949, ein Jahr nach Erlangen der Unabhängigkeit, begann der Staat Israel, seinen Bürgern Reisepässe auszustellen. Mit dem Raum für Personalien, Lichtbild und Gebührenmarke unterschieden sie sich nicht weiter von den Pässen anderer Länder. Auffallend war nur der Stempelaufdruck, der den Geltungsbereich in lapidarer Kürze einschränkte: „Gilt für alle Länder mit Ausnahme Deutschlands.“
Wenn man sich dies bewusst macht und aufgrund der Beschäftigung mit der jüngeren Geschichte Verständnis dafür entwickelt,wird einem klar,wie die Situation zwischen 1949 und 1965 aussah, bevor es zu der Aufnahme diplomatischer Beziehungen kam.
Aber selbstverständlich – auch das ist schon gesagt worden – wäre dies nicht möglich gewesen, wenn nicht auch Politiker, wie David Ben Gurion oder Konrad Adenauer, den Mut gehabt hätten, sich mit Widerständen in den eigenen Ländern auseinander zu setzen, die sich gegen die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte, gegen das Überwinden von Vorurteilen und gegen die Aufnahme politischer Beziehungen richteten.
Aber was würde es nutzen, wenn das, was von den Politikern vorbereitet worden ist,nicht auch von den Menschen in Deutschland und Israel mitgetragen würde? Ich bin fest davon überzeugt, dass es, von der Vereinbarung von Netanya bis heute, vor allem die Menschen waren, die die deutsch-israelischen Beziehungen getragen haben.
Die Hessische Landesregierung unterstützt die in dem Antrag formulierten Forderungen, die sich auch an sie selbst richten, an dieser Stelle ausdrücklich.Wir sind sehr stolz und froh, dass wir bereits eine ganze Reihe von Partnerschaften haben. Fast alle hessischen Universitäten – oder viele Fachbereiche – unterhalten Partnerschaften mit Universitäten in Israel und leisten auf diese Weise einen wesentlichen Beitrag zum Wissenschaftsaustausch.
Die Aktivitäten der Schulen, die vom Kultusministerium begleitet werden, sind bereits angesprochen worden. Ich denke, dass sie von dem leben, was Frau Schönhut-Keil angesprochen hat: Jetzt, da es immer weniger Zeitzeugen gibt, muss man noch stärker versuchen, jungen Menschen diesen Abschnitt der Geschichte zu vermitteln. Das ist ein wesentlicher Auftrag, den die Schulen zu erfüllen haben.
Ich glaube aber auch, dass das von der Landesregierung unterstützte Fritz-Bauer-Institut einen wesentlichen Beitrag dazu leistet. Ich erinnere an die Ausstellung mit dem Titel „Legalisierter Raub“, die seit kurzem in verschiedenen hessischen Städten läuft. Dort wird noch einmal auf einige Punkte aufmerksam gemacht, und man versucht, die Zeitgeschichte lebendig zu erhalten. Aber auch der Dialog zwischen Deutschen und Israelis wird gepflegt.
Vor diesem Hintergrund war es wichtig, dass der Bundespräsident anlässlich dieses Jubiläums eine Rede in der Knesset gehalten hat. Ich möchte gern mit dem schließen, was der israelische Botschafter Stein, der Deutschland inzwischen als seinen zweitwichtigsten Freund bezeichnet, ausführte. Er spricht nicht mehr nur von einer Partnerschaft, sondern sogar von einer Erfolgsgeschichte. Allerdings müssen wir alle uns darum bemühen, dass sich diese Erfolgsgeschichte auch in Zukunft fortsetzt. Die Hessische Landesregierung will dazu ihren Beitrag leisten. – Vielen Dank.
Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer diesem gemeinsamen Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag mit allen Stimmen dieses Hauses angenommen worden.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Aufhebung des Hessischen Gesetzes zum Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen – Drucks. 16/3885 –