Die CDU verschweigt und vergisst auch die vielen Störfälle und Vertuschungen, die damit einhergehen. Auch in Deutschland gab es zahlreiche Vorkommnisse. So gelangte z. B. aus dem AKW Philippsburg radioaktives Material in den Rhein und aus dem AKW Neckarwestheim im Jahre 2003 radioaktives Material in den Neckar – und das im laufenden Betrieb.
Lassen Sie mich aber zu Biblis noch etwas sagen. Wir haben mittlerweile in Biblis über 700 Betriebsstörungen.An drei Fälle will ich es einmal festhalten.Wir hatten im Jahre 2003 im Rahmen des Sumpfsiebskandals feststellen müssen, dass schon beim Bau des Blocks A die notwendige Größe der Sicherungsvorrichtung nicht beachtet wurde. Statt die Anlage von sich aus auszuschalten, versuchte RWE, einen Weiterbetrieb zu ermöglichen und alles auf die kommende Wartung zu verschieben. Dem wurde Gott sei Dank ein Riegel vorgeschoben – auch von der Bundesatomaufsicht.
Meine Damen und Herren, in diesem Jahr führte die jüngste Pannenserie bei der Revision in Biblis sogar dazu, dass RWE einen Schichtleiter von seinen Aufgaben entbinden musste und gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wurde.Wie so oft wurde wieder einmal gegen das Betriebshandbuch verstoßen. Man hat auch versucht, über einen längeren Zeitraum diesen Fall unter der Decke zu halten.
Das mit dem Unter-der-Decke-Halten kennen wir alles. Deshalb spreche ich den Fall, der schon viele Jahre zurückliegt, aber nichtsdestotrotz besonders wichtig ist, an. Es ist der Fall aus dem Jahr 1987, wo über ein Jahr später durch die Fachpresse herauskam, dass wir hautnah an einem GAU im Atomkraftwerk Biblis vorbeigeschlittert sind. Es war damals nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass es nicht zu einem größten anzunehmenden Unfall gekommen ist.Was war wieder die Ursache? – Ein Verstoß gegen das Betriebshandbuch, Manipulationen an einer Vorrichtung.
Wir wissen um diese Bedrohung, die von der Nutzung der Atomenergie ausgeht. Auf die Gefahren, die sich durch Anschläge von Terroristen ergeben können, will ich erst gar nicht eingehen.Das wissen wir seit dem 11.September 2001. Ich will auch gar nicht auf einen militärischen Missbrauch eingehen, der durch Proliferation entstehen könnte.
Es ist ein Irrglaube, zu denken, Wahrscheinlichkeitsberechnungen könnten uns vor einem Super-GAU des Kernkraftwerks Biblis schützen.Deshalb hat auch die Enquetekommission im Jahr 2002 dazu folgendes Fazit gezogen:
Die Fortführung der Kernenergienutzung ist wegen ihrer strukturkonservierenden Wirkungen, ihrer erkennbaren großen Entsorgungskosten sowie der hohen Sicherheits- und Systemrisiken (Restrisiko, Terroranfälligkeit, fehlendes Entsorgungskonzept) nicht nachhaltig. Die Szenarien zeigen, dass zur Realisierung anspruchsvoller CO2-Minderungsziele ein Rückgriff auf die Kernenergie nicht erforderlich ist.
Das Ziel, den CO2-Ausstoß zu verringern, bringen Sie immer wieder mit der Nutzung der Kernkraft in Verbindung.
Unter Einbezug externer Kosten übertreffen die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Kernenergieszenarios die der anderen um ein Mehrfaches.
Warum wollen diese Regierung und die CDU die Atomkraft weiter fördern? Ich sage Ihnen: Sie unterstützen mit diesem Handeln die großen Stromproduzenten, also die großen Wirtschaftsunternehmen wie beispielsweise E.ON oder RWE. Wir brauchen uns bloß das „Handelsblatt“ vom 6. Juni 2005 anzuschauen. Dort konnte man die Überschrift lesen:
Demnach könnte E.ON mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 4,6 Milliarden c rechnen. RWE könnte mit 3,4 Milliarden c rechnen. Wenn eine Regierungsübernahme durch die CDU erfolgen würde, würde also nicht in zukunftsfähige Technologien investiert werden. Es würde nicht in die Erneuerung des Kraftwerkparks investiert werden.
Man würde sich auf dem Bestand der Methusalem-Atomkraftwerke ausruhen. E.ON, RWE und andere würden weiter daraus Kohle beziehen,
und zwar so lange, bis es nicht mehr geht, also bis die letzten Reaktoren der Atomkraftwerke auseinander fallen würden.
Wir brauchen uns doch nur den Ökobereich anzuschauen. Die Branche der Ökoenergie fürchtet um ihre Zukunft. Dort entstehen aber die Arbeitsplätze und nicht bei der Nutzung der Atomenergie.
Die Branche der Ökoenergie fürchtet um ihre Zukunft. Dort sollten Investitionen bis zum Jahre 2020 mit einem Volumen von 200 Milliarden c angestoßen werden. Sie glauben doch nicht, dass die Firmen der Atomenergie Investitionen anstoßen werden, wenn sie die Erlaubnis erhalten,ihre alten Atomkraftwerke weiterhin laufen zu lassen.
Wir sehen aber, dass es Arbeitsplatzpotenziale bei den erneuerbaren Energien gibt. Zum Beispiel wissen wir, dass im Bereich der erneuerbaren Energien 130.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden.
Wie viele Arbeitsplätze bieten denn die Atomenergie nutzende Industrie und die Kohleindustrie? Dort gibt es 50.000 Arbeitsplätze. Bei den erneuerbaren Energien gibt es also einen Markt. Da muss investiert werden.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Der Betrieb der Atomkraftwerke ist, volkswirtschaftlich gesehen, Idiotie. Der weitere Betrieb der Atomkraftwerke bedeutet, mit unserem Leben und unserer Zukunft russisches Roulett zu spielen. Das ist nicht unsere Politik.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kaum hat der Bundeskanzler verkündet, dass die Bundestagswahl vorgezogen werden soll, konnte man in der Presse lesen:Wir, die hessischen GRÜNEN, werden diesen Bundestagswahlkampf mit dem Thema Atompolitik führen. – Prompt liegt uns heute erwartungsgemäß ein Antrag vor, mit dem der Einstieg in den Wahlkampf protokollarisch manifestiert werden soll.
Herr Kaufmann, an dieser Stelle muss ich schon eines sagen: Es ist sehr unredlich, dass Sie in diesem Wahlkampf mit den Ängsten der Menschen spielen wollen. Aber Ihnen scheint auf dem Weg in den politischen Tod,der wahrscheinlich am 18. September dieses Jahres erfolgen wird, alles egal zu sein. Der Überlebenskampf scheint darin zu bestehen, dass man es noch einmal mit dem Mythos versucht, der zur Gründung der GRÜNEN geführt hat.
Was wir heute besprechen,ist nichts Neues.Das haben wir im Juni letzten Jahres auch im Rahmen einer Aktuellen Stunde behandelt.Was hat sich hinsichtlich dieses Themas seitdem geändert? – Nichts hat sich geändert.
Man kann auch nicht sagen, dass, international gesehen, die Nutzung der Atomenergie zurückgehen würde. Frau Hammann, es steht immer noch die mit Zweidrittelmehrheit beschlossene Resolution des European Economic and Social Committee im Raum. Es handelt sich dabei um ein Gremium der Staaten der Europäischen Union. In ihm sitzen 317 Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft. Dort wurde gesagt, die Nutzung der Kernenergie trage zur Versorgungssicherheit, zum Klimaschutz und zur Preisstabilität bei, und das Ziel „Nachhaltigkeit“ verbiete eine Politik des Ausstiegs.Auf europäischer Ebene gibt es also keine Chance zur Umsetzung der bisher von Berlin verfolgten Positionen.Das eröffnet auch keine Chance für die Position der hessischen GRÜNEN.
Wie sah es im letzten Jahr aus? Auf der Internationalen Konferenz der Internationalen Atomenergiebehörde wurden die deutschen Vertreter mitleidig belächelt.
Dort teilte Moskau mit, man wolle die nukleare Stromproduktion binnen fünf Jahren annähernd verdreifachen. Das heißt, zu den bestehenden 30 Reaktoren müssten noch etliche hinzukommen.
Aufsehen erregten die Chinesen, die ankündigten, mit dem Aufschwung der Nutzung der Kernenergie Geld verdienen zu wollen. Zurzeit verfügt das Land über neun Meiler. Binnen 15 Jahren soll sich die Kapazität der Atomkraftwerkparks etwa verfünffachen. Dann will China einen selbst entwickelten standardisierten Typ eines 1.000-MW-Reaktors auf den Weltmarkt bringen.
Ebenso wie China will sich auch Südkorea verhalten.Dort sollen elf neue Atomkraftwerke bis zum Jahre 2015 errichtet werden, die ebenfalls Marke Eigenbau sein sollen. Diesem Beispiel will ebenfalls Indonesien folgen.
Die Kernenergie ist interessant, weil man mit ihr den Anstieg des Strombedarfs günstig abdecken kann. Das muss man einfach sehen. Diese Länder wollen in die Nutzung der Kernenergie verstärkt einsteigen, weil sie nicht wollen, dass ihnen fremde Mächte die Energiezufuhr abdrehen können.
Leider ist es so, dass in diesen Ländern ein anderes Verständnis hinsichtlich der Sicherheit und der Abfassung der Betriebsprotokolle als bei uns herrscht. Deswegen ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass sich Deutschland, das die höchsten Standards hat, aus der Nutzung dieser Technik zurückzieht, statt in Zusammenarbeit mit Frankreich, das die modernsten Druckwasserreaktoren gebaut hat, auf die Festlegung der Standards einzuwirken.
Ich komme jetzt zu dem Punkt, in Europa gebe es einen Abschied von der Atomenergie. Frankreich zieht weiterhin die Option der Nutzung der Atomenergie.In Finnland wird der erste EPR gebaut. In Großbritannien wird die Diskussion über die Weiterführung der Kernenergietechnik geführt.
Man sollte bei der energiepolitischen Diskussion doch den politisch-pragmatischen Ansatz wählen und die rein ideologische Ausrichtung verlassen. Wir müssen uns vor Augen halten: Der Atomausstieg Deutschlands spielt international überhaupt keine Rolle.
Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung, des wachsenden Nachholbedarfs und der Notwendigkeit, Klimaschutz zu betreiben – Frau Hammann,das haben Sie in Ihrer Rede vollkommen außen vor gelassen –,
gelangt die Internationale Atomenergiebehörde zu der Auffassung, dass nach mittlerer Schätzung die Kapazitäten zur Nutzung der Kernenergie bis zum Jahr 2030 um das Zweieinhalbfache und bis zum Jahr 2050 auf das Vierfache anwachsen werden. Die Schlussfolgerung daraus muss sein: Die Reaktorsicherheit, der Umgang mit den nuklearen Abfällen und die Sicherung des Brennstoffzyklus gegen Missbrauch gehören weltweit auf die Tagesordnung. – Wenn Deutschland aber aus der Nutzung dieser Energieart aussteigt, wird Deutschland da kein Gesprächspartner sein. Ich denke, angesichts der Standards, die wir haben,gehört Deutschland mit an den Tisch,damit diese Standards internationalen Niederschlag finden.