Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

Meine Damen und Herren, wir reden nach wie vor – wir werden dort Änderungen vornehmen – über das Grundsatzproblem: Wer ist am besten in der Lage, die Flexibilität des Arbeitsmarktes herzustellen, was die Vermittlungsfrage anbelangt. Damit meine ich nicht nur das, was

wir gestern diskutiert haben, nämlich den Kündigungsschutz und betriebliche Bündnisse. Damit meine ich auch, dass wir ein Instrument brauchen, mit dem wir es schaffen, dass wir einen großen Arbeitsmarkt mit fast 40 Millionen Beschäftigten flexibel organisieren.

(Norbert Schmitt (SPD): Lassen Sie die Katze aus dem Sack!)

Herr Schmitt, wir haben in Dänemark und in Holland gesehen, dass dort die kommunale Zuständigkeit, die Zuständigkeit vor Ort, die positive Betroffenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Arbeitsverwaltung und in der Arbeitsvermittlung der bessere Weg ist als eine Zentralisierung. Sie haben gemeint, die Zentralisierung in Nürnberg sei der richtige Weg.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehen Sie sich die Vermittlungsergebnisse an!)

Herr Kollege Boddenberg, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich sage ausdrücklich dazu: Das ist keine Kritik an den 90.000 Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit. Sie leiden genauso

(Heiterkeit der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Norbert Schmitt (SPD): Sie leiden genauso unter Ihren Reden wie wir!)

wie das ganze Land. Bei diesem rot-grünen Chaos sind sie sicherlich die Ersten, die sich darüber freuen werden, wenn wir endlich dahin kommen, ihnen die Instrumente an die Hand zu geben, die sie brauchen, um ihre Aufgabe zu erfüllen,wie sie es wollen und wie sie es für dieses Land auch unbedingt tun müssen.– Vielen Dank,meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Fuhrmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Boddenberg, das war schon sehr entlarvend. Sie sollten es noch ein bisschen öfter wiederholen und noch deutlicher machen. Ihr Programm für die Bundestagswahl ist heute sehr deutlich geworden: hoch mit der Mehrwertsteuer – was das mit der Sparquote zu tun hat, wüssten wir dann auch gerne –,weg mit dem Kündigungsschutz,weg mit der Mitbestimmung,

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Bierdeckelsteuerreform und eine unsoziale Kopfpauschale statt einer Bürgerversicherung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Große Sprüche und nichts dahinter! – Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Das alles werden wir den Menschen im Wahlkampf sehr genau erklären. Sie sind Gott sei Dank deutlich und sagen den Leuten: 4 % hoch mit der Mehrwertsteuer. – Ihre Wirtschaftspolitik ist toll. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, diese Aktuelle Stunde ist ein Stück aus dem Tollhaus. Wie oft wollen wir diese Debatte hier noch führen?

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Frau Ministerin, ich finde, dass es der Exekutive unwürdig ist, solche Lügen und Unwahrheiten unter dem Kopfbogen des Ministeriums zu verteilen. Machen Sie es meinetwegen unter dem Kopfbogen der CDU-Fraktion. Dann kann man so etwas durchgehen lassen.

(Norbert Schmitt (SPD): So sind wir es gewöhnt!)

Ihre Beamtinnen und Beamten wissen es auch besser, als es in dem zum Ausdruck kommt, was Ihre Pressestelle teilweise schreibt. Sie machen pausenlos Stimmung gegen die Bundesagentur. Sie machen Stimmung gegen Wolfgang Clement, weil jetzt mehr Arbeitslose in der Statistik stehen. Das ist nach dieser Arbeitsmarktreform ein vollkommen normaler Vorgang.

(Florian Rentsch (FDP): So ein Schwachsinn!)

Die FDP hat sich vor diesen Mäkelkarren spannen lassen und ein Problem hochgezogen, das seit der Regierung Kohl, auch unter der Beteiligung Ihrer Fraktion, Herr Kollege, nicht gelöst worden ist, nämlich dass bestimmte Gruppen von Arbeitslosen nicht in der Statistik aufgetaucht sind.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Der Hauptgrund der derzeitigen Erhöhung – das wissen auch CDU und FDP sehr genau – hängt mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammen und damit, dass wir endlich ehrliche Zahlen vorlegen und nicht falsche, wie die Ministerin sagt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Endlich tauchen in der Statistik die Menschen auf, denen nichts fehlt außer einem Arbeitsplatz,

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es! – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

ob sie früher Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe bekommen haben. Es tauchen auch die Familienangehörigen von Arbeitslosenhilfeempfängern und von Sozialhilfeempfängern auf. Insofern weist die Arbeitslosenstatistik rund 250.000 mehr Menschen aus.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es! – Andrea Ypsilanti (SPD): Genau!)

Im Übrigen möchte ich sagen: Wir können schon anzweifeln, ob es richtig ist, alle Menschen, die für drei Stunden am Tag arbeitsfähig sind, in eine solche Statistik aufzunehmen, oder ob wir nicht sagen müssten: Mindestens eine Halbtagstätigkeit wäre erforderlich. – Denn ich kenne nicht so viele Arbeitsstellen, wo man drei Stunden am Tag arbeitet.

Zu den Zahlen des Jahres 2004 hatten wir logischerweise nur Schätzungen.Die Statistik,die wir jetzt haben,bezieht sich darauf. Es ist nicht so, dass die Menschen im Januar plötzlich arbeitslos geworden sind. Keiner dieser Menschen hat im Januar plötzlich seinen Arbeitsplatz verloren, sondern das sind Langzeitarbeitslose, die in der Sta

tistik vorher nicht erfasst waren, nicht unter Rot-Grün und nicht unter Helmut Kohl. Im Übrigen habe ich ein ziemlich langes Gedächtnis und kann mich noch erinnern, dass 1998 vor der Bundestagswahl plötzlich Hunderttausende von ABM-Stellen in Ostdeutschland entstanden sind, die eine Laufzeit von ganzen vier Wochen hatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sagen Sie den Menschen auch diese Wahrheit. Das war eine Fälschung der Statistik, Herr Kollege Rentsch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ja, wir haben endlich ehrliche Zahlen, und es sind dramatisch hohe Zahlen. Wir wissen aber inzwischen aufgrund dieser Zahlen auch, wer wirklich Hilfe bedarf und wo wir Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen müssen. Insofern ist die Statistik transparenter und ehrlicher geworden. Sie ist nicht falsch. Nehmen Sie diesen Vorwurf zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es fehlte immer der Mut zu einer solchen Statistik. Herr Kollege Rentsch, einer 5-%-Partei verzeihe ich das natürlich. Es ist Showtime, es ist Wahlkampf.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Wenn Sie so weitermachen, überholen Sie uns noch!)

Meine Damen und Herren, Hartz IV ist kein Konjunkturbelebungsprogramm. Dazu war es nie gedacht, und dazu ist es nicht gedacht. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Mai um 160.000 zurückgegangen, und die Zahl der Erwerbstätigen ist im April um 180.000 gestiegen. Insofern geht es aufwärts. Es geht zwar langsam aufwärts – viel zu langsam –, aber es geht aufwärts.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das glaubt Ihnen nicht einmal der Weihnachtsmann, was Sie hier erzählen! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, das zeigt auch die Zahl der freien Stellen. Im Mai sind 440.000 offene Stellen und damit über 120.000 mehr offene Stellen als im Vorjahr gemeldet worden.Auch das zeigt: Es geht langsam aufwärts.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Widerspruch bei der CDU)

Frau Kollegin Fuhrmann, bitte kommen Sie zum Schluss.

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung aus den Reihen der Union, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken, der Bundesagentur aber gleichzeitig neue Aufgaben zuweisen zu wollen, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht, nur verlogen.

Auf die Probleme mit der Datenverarbeitung hat Frau Kollegin Schulz-Asche hingewiesen. Dazu möchte ich an

gesichts der Kürze der Zeit nichts mehr sagen, aber ich fordere Sie auf, Frau Ministerin und Herr Rentsch: Hören Sie auf, die Leute für dumm zu verkaufen. Hören Sie mit diesen parteipolitischen Spielchen auf. Das Thema Arbeitslosigkeit von Menschen ist viel zu ernst, um solche Spielchen zu machen.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Wir alle sollten lieber die Menschen, die arbeiten, wertschätzen und den Menschen, denen Arbeit fehlt, durch unsere Debatten helfen und nicht ein solches Chaos anrichten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)