Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

(Beifall bei der FDP)

Wenn man feststellen muss,dass diese Mittel eben nicht in dem Umfang, wie das im Grunde angedacht war, der Verkehrsinfrastruktur zugute kommen, sondern dem Stopfen von Haushaltslöchern dienen, dann lehnen die Liberalen das völlig ab. Das hat mit der Grundidee der Maut nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nun zur Umsetzung der Maut und zum Thema Ausweichrouten. Der Bund hat zwölf

automatische Zählstellen eingerichtet, unter anderem mit einem Ziel, das wir nicht teilen – nämlich zu überprüfen, ob Ausweichstrecken, wie es so schön heißt, bemautet werden können.Für die Liberalen sage ich hier ganz deutlich: Die Bemautung der Ausweichstrecken ist für uns keine Lösung. Das wollen wir nicht. Denn damit treffen wir nicht jene, die wir mit der Maut eigentlich treffen wollen, die Transitverkehre, sondern wir treffen die Gewerbetreibenden, die in einer Region sind und auf die Benutzung der Bundesfernstraßen angewiesen sind.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, deswegen sage ich sehr deutlich: Die Ausweitung der Maut

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ist out!)

ist eine Schraube ohne Ende. Denn es wird dann nicht damit enden, sondern es wird weitergehen. Das wird dann noch mehr ein Abkassiermodell statt einer Neustrukturierung der Verkehrspolitik.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole es:Wir wollen nicht, dass Betriebe im Regionalverkehr, dass Handwerksbetriebe zusätzlich belastet werden. Vielmehr wollen wir Transitverkehre – und das sage ich auch sehr bewusst –, die Ausweichstrecken parallel zur Autobahn oder Abkürzungen benutzen, dorthin verlagern, wo sie eigentlich hingehören, nämlich auf die Bundesautobahn.

Ich sage das deswegen so deutlich, weil es nicht darum gehen kann, jede Verkehrsveränderung auf einer Straße gleich zum Anlass zu nehmen, verkehrslenkende Maßnahmen zu ergreifen. Vielmehr geht es um die Maßnahmen, bei denen wir in der Tat eine Parallelität haben und wo es durchaus hinnehmbar ist, auf der bemauteten Autobahn zu fahren.

Ich nenne ein Beispiel.Wir haben kein Verständnis, wenn in der Gegend von Butzbach die B 3 als Ausweichstrecke benutzt wird und die Ersparnis dadurch sage und schreibe 2,40 c beträgt. Es kann nicht angehen, dass wir die Sicherheit auf diesen Straßen reduzieren – für eine Ersparnis von 2,40 c. Das halten wir für unverhältnismäßig, dort muss gehandelt werden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, diesem Zweck dient unser Antrag, den wir – das nehme ich schon für uns in Anspruch – bereits zur letzten Plenarrunde gestellt haben. Wir freuen uns, dass die anderen Fraktionen dem jetzt – zumindest teilweise – gefolgt sind. Wir freuen uns auch, dass aufgrund dieses Antrags und unserer Pressekonferenz das hessische Verkehrsministerium tätig geworden ist. Ich sage allerdings auch: nicht in vollem Umfang. Es reicht nicht aus, nur die Verkehrszahlen zu veröffentlichen.Es müssen auch die Konsequenzen daraus gezogen werden.

Ich hätte es für völlig falsch gehalten, wenn wir Hand in Hand mit dem Bund darauf gewartet hätten, die Zahlen erst im Herbst dieses Jahres auszuwerten.

(Beifall bei der FDP)

Die Belastungen, die die Bürger artikulieren, haben ihren Grund.

(Hildegard Pfaff (SPD): Der Bund hat etwas ganz anderes getan!)

Deswegen ist es ein richtiger Schritt, diese Zahlen jetzt zu veröffentlichen. Ich weiß, dass das unter rechtlichen Aspekten für aktuell auszulösende Maßnahmen nicht ganz unproblematisch ist.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Aber ich glaube, diese Zahlen haben schon etwas gesagt. Herr Hahn hat völlig Recht: Herr Bauckhage hat bereits die Konsequenzen gezogen und bei einer Erhöhung der Verkehrsanteile um 41 % bereits verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der B 9 erlassen.

Meine Damen und Herren, nun zu den ersten Ergebnissen. Herr Minister Rhiel, Sie haben von einem moderaten Anstieg gesprochen und gesagt, es könne keine Rede davon sein, dass es sich um grundlegende Änderungen handelt. Das sehe ich nicht so.

Meine Damen und Herren, ich nenne einmal ein paar Straßen: die B 417 – im Januar 142 %, in den Folgemonaten 38, 97, 76 und 104 %. Daraus kann man nicht den Schluss ziehen – zumindest auf der Grundlage dieser Monatsdaten –, dass es sich ausschließlich um das Ausprobieren einer Ausweichstrecke handelt, wenn wir im Januar ein Mehr von 142 % und im Mai von 104 % haben – wobei der Mai wegen der Vielzahl der Brücken- und Feiertage nicht sonderlich repräsentativ ist. Oder nehmen wir beispielsweise die B 44: Hier lauten die Zahlen: 52, 56, 52, 50,1 und 52 %. Ich glaube, das sind schon recht erhebliche Zahlen, bei denen ernsthaft geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen von § 45 StVO tatsächlich erfüllt sind.

Ich habe bereits darauf hingewiesen:Bei der B 9 in Rheinland Pfalz haben 41 % für eine solche Entscheidung ausgereicht.

Meine Damen und Herren, wenn man die ersten Zahlen, die wir haben,genau analysiert,kommt man zu folgendem Ergebnis. Dort, wo Ausweichstrecken erstmalig ausprobiert und in Anspruch genommen worden sind – wenn Sie es so wollen, von den LKW-Fahrern in Augenschein genommen worden sind –,haben wir eklatante Steigerungen mit unglaublichen Ausreißern nach oben und nach unten: 142 % auf der B 417 und zwischen 50 und 80 % auf der B 3 bei Butzbach.

Dort, wo schon in der Vergangenheit Ausweichstrecken genutzt worden sind, sind die Anstiege natürlich nicht so hoch. Wenn Sie auf der B 27 bei Hoheneiche eine Steigerung zwischen 5 und 10 %, auf der B 3 – Herr Kollege Wagner – in Niederweimar zwischen 6 und 15 % und auf der B 27 zwischen 11 und 23 % haben, dann müssen Sie berücksichtigen, dass beispielsweise auf diesen Straßen heute schon im Tagesdurchschnitt über 3.000 LKW fahren.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen sage ich: Wenn das so ist, dann kann man bei der Frage, ob Ausweichstrecken gesperrt werden können, nicht nur auf die Veränderungen zwischen 2004 und 2005 abstellen, sondern man muss die zugrunde liegende Belastung, die eklatant hoch ist, ebenfalls berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, ich bin Vielfahrer. Wenn ich auf der B 3 auf dem Stück, wo die A 49 immer noch fehlt, selber nachvollziehen kann, dass mir dort in einer knappen dreiviertel Stunde zwischen 50 und 65 LKW entgegenkommen, dann glaube ich, dass die Menschen, die ohnehin in der Vergangenheit schon belastet waren, nicht zu Unrecht darauf hinweisen, dass hier eine erhebliche Steigerung eingetreten ist.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen glaube ich, dass man es sich nicht so einfach machen kann – wir sollten diese Fragen einmal sehr intensiv im Ausschuss diskutieren –, dass man als Kriterium nur darauf abstellt, was sich zwischen 2004 und 2005 geändert hat, sondern auch darauf, wo die Grundbelastung so hoch ist, dass es tatsächlich notwendig ist, verkehrslenkende Maßnahmen zu ergreifen. Das sind alle die Strecken – ich nenne nur einige –, die beispielsweise nicht bei den viel befahrenen Strecken zum Ausdruck kommen. Das sind die B 7, die B 3, die B 255 und andere mehr.

Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Dringlichen Antrag noch etwas angesprochen, auf das ich hinweisen will. Ich habe einmal gesagt, dass es immer wieder Initiativen gab, auf bestimmten Strecken verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen. In aller Regel hat das rechtliche Instrumentarium nur dazu gereicht, Nachtfahrbegrenzungen aufzuerlegen, weil rechtlich weitergehend nichts möglich war. Ich glaube, dass mit der Einrichtung der Maut eine grundlegende Entscheidung getroffen worden ist, die da lautet: Der schwere LKW-Verkehr soll sich nicht auf den Bundesfernstraßen abspielen – dort ist es Zulieferverkehr –,sondern der Transitverkehr muss auf den Bundesautobahnen stattfinden. Deswegen haben wir Sie gebeten – ich wäre dankbar, wenn das die Unterstützung des Hauses finden könnte –, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu ergreifen,Verlagerungsverkehre von der Autobahn auf autobahnnahe bundesrechtliche Landesstraßen bzw. Abkürzungsstrecken einschränken zu können.

(Beifall bei der FDP)

Mir ist sehr wohl bewusst, dass die bestehende Rechtsgrundlage immer voraussetzt, dass eine Gefährdungslage nachgewiesen werden muss. Ich persönlich bin der Auffassung, dass man dort, wo Alte und wo Kinder darauf angewiesen sind, innerorts Bundesfernstraßen zu überqueren, und dort eine Verkehrsbelastung von 4.000 Fahrzeugen besteht, ernsthaft an die Frage herangehen muss, ob diese konkreten Gefahren tatsächlich gegeben sind und deswegen auch die notwendigen Entscheidungen getroffen werden können. Entscheidend ist aber, dass eine Differenzierung zwischen Bundesautobahn und Bundesfernstraßen vorgenommen wird, um mit verkehrslenkenden Maßnahmen eingreifen zu können.

Meine Damen und Herren, ich sage das noch einmal sehr deutlich.Es geht nicht darum,einseitig zu Lasten einer bestimmten Berufsgruppe eines bestimmten Gewerbes Maßnahmen zu ergreifen. Deswegen ist es sehr wichtig, genau zu prüfen, wo diese Abwägung zwischen Verkehrssicherheit einerseits und dem freien Verkehr auf allen Straßen andererseits gerechtfertigt ist. Ich glaube aber, wir müssen die Belange der Menschen, die von diesen Belastungen betroffen sind, ernst nehmen und vor dem Hintergrund der Maut prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten wir haben.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und fasse zusammen. Diese Thematik ist nicht geeignet, eine polemische Diskussion zu führen, weil ich weiß, wie schwierig es ist, derartige Maßnahmen auch rechtssicher umzusetzen. Das ist ja der entscheidende Punkt.Aber ich glaube, das Beispiel, das Bauckhage in Rheinland-Pfalz gezeigt hat, sollte für uns Anlass sein, diese Bereiche – ich habe sie benannt: B 3, B 47 Lampertheim, B 417, B 62 Niederaula und B 27 Sontra – einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Die FDP-Fraktion wird dies in den nächsten Tagen und Wochen aufmerksam verfolgen. Es kann nicht angehen, diese Prüfungen bis in den Herbst

hinein zu verschieben. Es kann nicht angehen, dies ausschließlich mit dem Ziel der Bemautung zu machen. Ich glaube, dass die Mautdiskussion so geführt werden muss, wie wir sie zu Beginn geführt haben.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Verehrter Herr Gotthardt, der fährt nicht mit 7,5 t. Das kommt hin und wieder, wenn Sie sich zu solchen Themen äußern. Sie können einmal nachfragen, dann erübrigt sich der Hinweis auf das Guidomobil.

Meine Damen und Herren, wir sehen die Frage der Bemautung immer vor dem Hintergrund, was mit dieser Strukturveränderung erreicht werden soll.

Nur ein Wort zu den Anträgen von den GRÜNEN und der SPD, die sich dieses Themas in besonderer Weise angenommen haben. Wo Sie die Bemautung jetzt bereits in die Diskussion einbringen, sind wir nicht einer Meinung, denn es kann nicht sein, dass wir zusätzliche Belastungen herbeiführen, die wir für das Speditionsgewerbe nicht haben wollen. Das ist nicht unser Auftrag. Ich wäre dankbar, wenn wir diese Zahlen – ich sehe, Sie haben die Zahlen, die auch im Internet gestanden haben – sehr sorgfältig unter Einbeziehung des Ausschusses diskutieren würden, weil ich glaube, dass die Bürger einen Anspruch haben, eine sachgerechte politische Antwort auf diese Belastungsfrage zu erhalten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat Frau Abg. Pfaff für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schwerlastverkehr muss seit dem 1. Januar 2005 auf bundesdeutschen Autobahnen eine streckenbezogene Maut von durchschnittlich 12,4 Cent pro Kilometer bezahlen. Mit der verursachergerechten Anlastung der Wegekosten wird der Schwerlastverkehr erstmals stärker an der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beteiligt, und gleichzeitig werden damit mehr Kostengerechtigkeit und fairerer Wettbewerb zwischen Straße und Schiene hergestellt. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren und auch Herr Posch – ich sehe, er hat den Plenarsaal verlassen –, ist das eigentliche Ziel des Mautsystems, die Philosophie, die nicht verlassen wurde, sondern die, ganz im Gegenteil, nach wie vor gilt.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem neuen automatischen Erfassungssystem via Satellit und Mobilfunk verfügt die deutsche Wirtschaft über eine neue Technologie, die angesichts guter Exportchancen zur Stärkung des Wirtschafts- und Technologiestandorts beitragen wird. Die LKW-Maut bringt neben der Haushaltsfinanzierung zusätzliche Einnahmen,die gemäß Mautgesetz zweckgebunden für den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden müssen, Herr Kollege Posch.

Aufgrund der Verkehrsprognosen, die bis 2015 eine erhebliche Steigerung des Verkehrsaufkommens aufweisen, und auch aufgrund der angespannten Finanzlage öffentlicher Haushalte werden diese zusätzlichen Einnahmen zur Sicherung der Mobilität dringend benötigt. Herr Kollege Posch, ich bestreite, dass das eine Geldbeschaffungs

maßnahme ist. Nein, gemeinsam mit PPP-Projekten sind das neue Chancen für die Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur in unserem Lande.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die erfolgreiche Einführung des neuen Mautsystems stellt damit einen – wie ich meine – Meilenstein in der Fortentwicklung der Verkehrspolitik dar. Auch Hessen wird an den Mauteinnahmen partizipieren und Mittel für die Fortentwicklung der Verkehrsinfrastruktur in größerem Umfang erhalten. Im Mittelpunkt der heutigen Debatte steht allerdings nicht diese positive Seite des neuen Mautsystems,sondern die Problematik der Mautausweichverkehre, die bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene nicht ausgeschlossen werden konnte und für die folgerichtig schon Regelungen im Gesetz zur Bemautung von stark betroffenen Bundesstraßen vorgesehen wurden.