Protokoll der Sitzung vom 12.07.2005

Ihre Maximalforderungen nach einem neuen Landesprogramm, nach einem verordneten Ganztagsschulausbauprogramm,halten wir für unseriös.Wir sind dafür,dass die Ganztagsschulen so zügig wie möglich ausgebaut werden, allerdings nur im Rahmen des Machbaren und des – ich sage das einmal so – finanziell Möglichen.

(Beifall bei der FDP)

Zu dem Thema Schulversagen und Sitzenbleiben. Ich möchte Herrn Josef Kraus vom Deutschen Lehrerverband zitieren:

Sitzenbleiben ist kein Drama, wenn nicht eines daraus gemacht wird. Noten und Zeugnisse sind kein Persönlichkeitsurteil. Aber sie sind notwendig, wichtig und ohne vernünftige Alternative.

Meine Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, wenn Sie das Thema Sitzenbleiben in einer solchen Form im Parlament hochziehen, vermitteln Sie denjenigen, die davon betroffen sind, noch viel stärker den Eindruck, sie hätten persönlich versagt. Sie verstärken den Eindruck im Gegenteil nur noch.

(Beifall bei der FDP – Michael Siebel (SPD): So ein Unfug, Frau Henzler!)

Wir alle haben bei der VhU den Vortrag des holländischen Schuldezernenten gehört. Wissen Sie, wie das in Holland funktioniert? Es gibt Tests bei der Aufnahme in die weiterführenden Schulen, und die Grundschulen erstellen Gutachten. Die Eltern werden überhaupt nicht gefragt.Aber dort gibt es deutlich weniger Schulversagen als hier.

Als Mitglied der FDP kann ich das nicht begrüßen. Wir waren immer dafür, dass die Eltern Freiheit bei der Schulwahl haben.Aber man muss auch klipp und klar sagen,dass sich die Eltern irren können.Dann muss man die Schüler davor bewahren, dass sie in ihren Leistungen jahrelang den anderen hinterherhinken, immer die Letzten sind und niemals ein Erfolgserlebnis haben.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Sagen Sie bitte dazu, dass die Kinder in Holland sieben Jahre lang in der Schule zusammensitzen!)

Wir halten nichts von einem generellen Abschaffen der Klassenwiederholungen. Dann wäre konsequenterweise auch das Abschaffen jeder Benotung die Folge,und davon halten wir erst recht nichts. Bei Leistungen, die dem Klassenziel nicht entsprechen, ist eine Versetzung in das nächste Schuljahr für den betreffenden Schüler nicht gut; denn er wird auch da wieder nur Misserfolge haben und in seinen Leistungen den anderen hinterherhinken.

Im Gegenteil,wir setzen uns für einen präventiven Ansatz ein.Das heißt,unsere Forderung nach der Einstellung von Schulassistenten, die schon lange auf dem Tisch liegt, wird weiter verstärkt. Ich meine, die Einstellung von Schulassistenten ist etwas, womit man dem Schulversagen präventiv begegnen kann. Wir sind mittlerweile schon so weit, dass Mütter und Rentner ehrenamtlich Nachhilfe geben, damit die Schüler in kleine Gruppen eingeteilt werden können.

Ich habe nichts gegen eine ehrenamtliche zusätzliche Nachhilfebetreuung. Die Ehrenamtlichkeit ist immer wichtig und gut. Trotzdem sollte man in den Schulen präventiv Schulassistenten einstellen und damit versuchen, die begabungsgerechte Förderung des Einzelnen von Anfang an wirklich durchzuziehen. Das sind die Maßnahmen, die z. B. Finnland ergreift. Dort gibt es drastisch weniger – oder gar keine – Sitzenbleiber. Hessische Schulen brauchen also schnell ihre Selbstständigkeit, um Schulassistenten einsetzen zu können.

Zu dem Schul-TÜV. Das ist eine sehr wichtige Neuerung. Sie wird von uns sehr begrüßt. Sie ist von uns schon früher mit angestoßen worden. Da gibt es gar nichts; das ist derselbe Weg, den wir immer gemeinsam gegangen sind.

Wir haben einige Verbesserungsvorschläge, und ich denke, es ist ganz wichtig, dass sie aufgegriffen werden. Es kann nicht sein, dass nur 50 Schulen, die sich freiwillig gemeldet haben, genommen werden. Es gibt viele Schulen, die sehr lange überlegt haben, ob sie dort mitmachen sollen oder nicht. Wenn das Schulen mit einem schwierigen sozialen Umfeld sind – einem hohen Migrantenanteil –, haben sie Angst, dass sie, wenn sie dabei mitmachen, hinterher öffentlich gesagt bekommen: Ihr liegt aber auf einem schlechten Platz. – Deshalb melden sich die Schulen nicht freiwillig.

Aber ich halte es für ganz wichtig, dass auch in der ersten Runde solche Schulen dabei sind und dass die Schulinspektoren, die aus der ersten Phase wirklich lernen sollen, merken, wo die Probleme liegen. Das geht nur, wenn sie auch Schulen untersuchen müssen, die sich nicht von vornherein gemeldet und sich nicht schon selbst evaluiert haben, sodass sie wirklich ganz gut dastehen.

Des Weiteren geht es um die betroffenen Staatlichen Schulämter. Wir sind sicher der Meinung, dass dieses Team aus Fremden bestehen soll, dass also in dem Team keine Vertreter der betroffenen Schulämter sind. Wenn aber der Bericht vorliegt, wird er nach den bisherigen Plänen nur mit der Schule selbst besprochen. Dann werden Pläne mit Verbesserungsvorschlägen gemacht, und anschließend wird der Bericht veröffentlicht. Bei der Auswertung dieses Berichts ist eine sehr frühe Einbindung des betroffenen Schulamts sehr wichtig; denn das betroffene Staatliche Schulamt muss letztendlich daran arbeiten, dass die Mängel behoben werden und dass sich die Situation verändert.

Letzter Punkt. Es ist noch nicht festgelegt, welche Sanktionen verhängt werden und welche Konsequenzen aus diesen Berichten zu ziehen sind.

(Zuruf von der SPD:Wieso Sanktionen?)

Das kann man in der ersten Phase wahrscheinlich noch nicht im Detail sagen. Trotzdem meine ich, es ist wichtig, dass man bestimmte Punkte vorher abdeckt. Es kann nicht sein, dass die Evaluation nur systembezogen vorgenommen wird. Sie muss auch personenbezogen laufen. Wir haben es in Holland gehört: Wenn ein Lehrer keinen guten Unterricht hält, besteht die Konsequenz darin, dass er zweimal abgemahnt wird. Beim dritten Mal wird ihm gekündigt, weil sich herausgestellt hat, dass er diese Arbeit nicht erfüllen kann.

Diese Möglichkeiten sind in unserem System nur begrenzt umsetzbar. Ich meine, dass man trotzdem vorher klar sagen muss, welche Konsequenzen es hat, wenn man bestimmte Dinge feststellt,und wie man versucht,das umzusetzen.

(Beifall des Abg. Roland von Hunnius (FDP) – Michael Siebel (SPD): Das ist eine Minderheitenmeinung, vom Applaus her gesehen!)

Insgesamt gesehen begrüßen wir die von der Landesregierung unternommenen Schritte. Das hat nichts damit zu tun, ob man sich in der Opposition befindet. Gute Maßnahmen kann man auch aus der Opposition heraus begrüßen. Diese Punkte weisen in die richtige Richtung. Aber jedes Gute kann noch besser werden, und deshalb sind wir sehr froh, dass die CDU-Fraktion und die Landesregierung bereit sind, unsere Anregungen aufzunehmen und zu einer weiteren Verbesserung beizutragen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Henzler. – Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Weinmeister, CDU-Fraktion. Herr Weinmeister, Sie haben noch siebeneinhalb Minuten Redezeit zur Verfügung.

An dieser Stelle möchte ich zunächst Folgendes sagen. Lieber Lothar Quanz, ich freue mich, dass du wieder dort oben sitzt; denn es bedeutet, dass du auf dem Weg der Besserung bist. Das sollte man an dieser Stelle auch einmal sagen. Schön, dass du wieder da bist.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank. Es wächst zusammen, was zusammengehört.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann es ganz kurz machen: Noch nie war eine Landesregierung in Hessen bei der Schaffung von Ganztagsangeboten so erfolgreich wie die seit 1999 amtierende.

(Beifall bei der CDU – Michael Siebel (SPD):Ei,ei, ei!)

Lieber Michael Siebel, ich weiß, dass man das nicht gerne hört. Jetzt könnte man auch sagen: Der Weinmeister erzählt das da vorne, weil er es erzählen muss.

(Michael Siebel (SPD):Wahrscheinlich!)

Aber die KMK hat uns das Zeugnis ausgestellt. In Hessen nehmen 13,7 % der Schülerinnen und Schüler an Ganztagsangeboten teil. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 9,7 %. Damit liegen wir bundesweit auf dem zweiten Platz. Unsere Nachbarn dagegen, die viel gelobten Rheinland-Pfälzer, haben nur einen Anteil von 5,7 %. So schlecht,wie Sie es uns glauben machen wollen,kann es in Hessen gar nicht sein.Wir sind auf dem zweiten Platz, und wir haben eine gute Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Erfolg beruht auf einer bedarfsgerechten Einführung und einer konsequenten Umsetzung von Ganztagsangeboten. Ich möchte nur einmal an die Stationen erinnern: Als wir 1999 die Regierung übernommen haben, hatten wir an den Grundschulen 288 Betreuungsangebote. Heute haben wir an den Grundschulen 1.016 Betreuungsangebote. Angesichts der Gesamtzahl von 1.173 Grundschulen in Hessen ist das eine stolze Zahl.

Wir haben bei den Grundschulen noch etwas eingeführt. Seit der dritten Schulgesetzänderung im Jahr 2004 dürfen auch Grundschulen Ganztagsschulen werden, also Ganztagsangebote machen. Auch das haben wir auf den gemeinsamen Wunsch aller Fraktionen in diesem Hause hin umgesetzt.

Seit dem Jahr 1999 haben wir die Zahl der Ganztagsangebote im Land Hessen mehr als verdoppelt. Frau Hinz, ich muss eines sagen: Man vergisst schnell.Von 1995 bis 1999 – in dieser Zeit waren auch Sie Mitglied des Kabinetts – sind in Hessen fast gar keine Schulen als Ganztagsschulen anerkannt worden.

(Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

Die Zahl der Schulen, die als Ganztagsschulen anerkannt wurden, lag unter zehn. Jetzt haben wir in Hessen insgesamt 336 Schulen – das betrifft den Zeitraum von 2002 bis 2005 –, die Ganztagsangebote machen können.

(Beifall bei der CDU)

Herr Weinmeister, entschuldigen Sie bitte. Der Regie ist ein kleiner Lapsus unterlaufen. Wir hatten zunächst einkalkuliert, dass die Frau Ministerin vor der zweiten Runde spricht. Deshalb habe ich Ihnen eben siebeneinhalb Minuten Redezeit genannt.Es stehen Ihnen aber nur zweieinhalb Minuten Redezeit zur Verfügung, und das erst nach dem Beitrag nach der Ministerin.

(Michael Siebel (SPD): Jetzt hat er angefangen! Sonst kommt er ganz durcheinander! Das wollen wir nicht! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der anderen Regelung!)

Nach der anderen Regelung, gut.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Seit 2002 haben wir, entsprechend dem Programm „Ganztagsangebot nach Maß“, den hessischen Schulen 260 zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung gestellt, nur um dieses Angebot weiter auszubauen. Insgesamt haben wir 710 Lehrer- und Erzieherstellen – das sind nach Köpfen noch viel mehr –, mit denen die Ganztagsangebote in Hessen unterstützt werden.

Dann schaue ich mir die Anträge der anderen Fraktionen an. In dem SPD-Antrag steht etwas von „Zwangsganztagsschulen“. Da habe ich geschmunzelt, ist die SPD doch damit angetreten – ich kann mich noch an die Diskussion 2000/2001 erinnern, als das Ganze ein bisschen höher gekocht worden ist –, dass sie gesagt hat: Wir machen alle Schulen zu Ganztagsschulen, und das wird auch gesetzlich durchgesetzt.

Heute von „Zwangsganztagsschulen“ zu sprechen ist daher ein Stück weit Hohn; denn Sie wollten damals alles über einen Kamm scheren, indem Sie gesagt haben: Alle Schulen werden zu Ganztagsschulen. – Heute im Zusammenhang mit unserem Vorhaben von „Zwangsganztagsschulen“ zu sprechen, obwohl diese Angebote doch freiwillig sind, ist schon ein starker Tobak.

(Beifall bei der CDU)

Interessant an der Sache ist auch, dass gesagt worden ist, dass sich, wenn den Kindern so viel Bildung wie möglich geboten werden soll, der Ganztagsunterricht über den ganzen Tag erstrecken muss. Heute, da wir das G-8-Gymnasium einführen und daher an bestimmten Nachmittagen Unterricht anbieten müssen, sagt die SPD-Fraktion: Das können wir nicht machen, das ist eine Überforderung der Kinder. – Wenn man diese Position mit der von 2000/2001 vergleicht,stellt man fest,dass sich die Meinung der SPD völlig gedreht hat.Sie ist nicht mehr wieder zu erkennen. Vielleicht sollten Sie diese Position doch noch einmal überdenken.

Einen Punkt, der in den letzten Wochen und Monaten immer wieder zu Diskussionen geführt hat, will ich noch aufgreifen. Es geht um die Mär von den nicht bewilligten IZBB-Mitteln im Lande Hessen. Ich möchte noch einmal an die Historie erinnern. Als Frau Bulmahn das Programm damals wortgewaltig angekündigt hat,war dies ein Programm nur für Beton und Stein. Es wurde nur daran gedacht, Bauten zu errichten. Aber es wurde nicht daran gedacht, Bibliotheken mit Büchern auszustatten und das Geld für Lehrmittel und Medien zu verwenden. Dieses Programm war vielmehr nur für Beton und Stein gedacht.

Es waren diese Kultusministerin und die anderen Kultusminister der Union,die damals gesagt haben:Liebe Leute, wenn ihr ein Bundesprogramm macht, dann bitte nicht nur für Beton und Stein, sondern auch für das, was wir zusätzlich brauchen. – Damals gab es viel Schelte für uns, und es wurde gesagt, wir würden blockieren. Heute wird das so gemacht. Viele Schulen sind froh, dass dies damals durchgesetzt worden ist. Ich glaube, das sollte man hier noch einmal erwähnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)