Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

Es gehört auch zur Ehrlichkeit, wenn Sie in diesem Zusammenhang die Ökosteuer ansprechen: Niemand von uns wird vom Grundsatz her das widerrufen, was er zu diesem Thema gesagt hat.Wir sind auch der Meinung,dass wir langfristig diese Sache wieder wegbekommen müssen. Aber Sie haben das Land in einen solchen finanziellen Ruin geritten, dass es jetzt nicht geht, diese Steuer zurückzunehmen. Das gehört auch zur Ehrlichkeit hinzu.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wissen Sie, heute haben wir die Diskussion wieder. Die Frage des Vertrauens in die Politik gehört auch dazu. Ich kann mich gut an die Situation erinnern, als es damals um die Umstellung der stabilen D-Mark in den Euro ging. Das hat die Menschen in

Deutschland bewegt, weil sie zum Teil erlebt haben, was Inflation bedeutet. Sie haben erlebt, was eine stabile DMark bedeutet. Daher haben Bundeskanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel alles darangesetzt, um diese Stabilitätskriterien in Europa einzuführen und damit einen stabilen Euro zu garantieren. Denn wir hatten schon den Verdacht, dass andere Länder diese Voraussetzungen nicht mitbringen können. Wir wollten alles dafür tun, dass das Geld stabil bleibt.

Sie sind die Ersten gewesen, die in Europa diese Stabilitätskriterien gerissen haben, und sitzen weiterhin auf der Anklagebank. Das ist eine unverantwortliche Politik, auch im Interesse der Stabilität des Euro.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu verantworten. Die Wirtschaft ist total auf Talfahrt eingestellt. Wir haben eine Situation, in der wir Schlusslicht in Europa sind. Wir haben die meisten Konkurse. Sie haben uns auch noch, was den Technologie- und Forschungsstandort Deutschland anbelangt, blamiert mit der verkorksten Einführung der Maut, die auch heute noch ihre Probleme aufweist. All das sind Punkte, die zu Ihrer Bilanz gehören.Aber wer eine solche Bilanz vorzulegen hat, der müsste eigentlich mit Scham zurücktreten. Der müsste von der politischen Fläche abtreten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb sage ich Ihnen:Wer das Regierungsauto so gegen die Wand gefahren hat wie Sie, der darf sich nicht zum Fahrlehrer bewerben, sondern dem gehört der Führerschein entzogen. Das ist die Politik, die meines Erachtens notwendig ist.

(Beifall bei der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Meinen Sie die Hessische Landesregierung?)

Aber es fällt in das alte Konzept der SPD zurück: Sie entschuldigen sich für die Vergangenheit, Sie versagen in der Gegenwart, aber versprechen den Leuten die Zukunft. Darauf werden die Menschen in Deutschland nicht mehr hereinfallen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Die Menschen glauben Ihnen diesmal nicht mehr. Frau Ypsilanti, wenn man Sie hier erlebt hat, dann hat man auch ein Stück gespürt, dass Sie selbst es innerlich nicht verarbeitet haben. Die Wahrheit ist doch, dass sich die SPD-Fraktion geistig schon aus der Regierungsverantwortung verabschiedet hat.

(Gernot Grumbach (SPD): Das hätten Sie gerne! – Andrea Ypsilanti (SPD): Im Gegenteil, wir wissen, wie das geht!)

Es ist auch richtig: Die Menschen sind von Ihnen zu viel getäuscht und enttäuscht worden. Deshalb braucht Deutschland einen neuen Anfang unter unserer Verantwortung.

(Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Dr. Tho- mas Spies (SPD))

Unsere Botschaft lautet: Deutschlands Chancen nutzen, und zwar für Arbeit, für Wachstum und für Sicherheit.Wir legen ein Programm vor, das sich auszeichnet durch Mut zur Ehrlichkeit.

(Lachen bei der SPD)

Wir sagen den Menschen vor der Wahl, was sie nach der Wahl erwartet. Wir machen es nicht wie Sie. Sie versprechen den Menschen vor der Wahl Wolkenkuckucksheime, nachher wird das Gegenteil gemacht, und die Menschen sind bitter enttäuscht. Das ist der Unterschied, wenn es um die Wahlauseinandersetzung geht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren,wenn man die Chance hat,den Menschen wieder Zuversicht und Hoffnung zu geben,und die haben wir,

(Zuruf der Abg.Andrea Ypsilanti (SPD))

dann wird meines Erachtens deutlich, welche Möglichkeiten bei Investitionen und welche Perspektiven bei der Konjunktur vorhanden sind. Wissen Sie, wir haben in Deutschland mittlerweile eine Sparquote von 11 %. Normalerweise liegt sie allenfalls bei 9 %. 1 % Sparquote bedeutet aber 15 Milliarden c Geldumlauf in der Konjunktur.Wenn Sie die Chance haben – und wir haben sie –, den Menschen Hoffnung und Perspektiven zu geben,dann haben wir eine erheblich große Möglichkeit, dass wieder investiert wird, dass Menschen wieder Vertrauen in die Politik haben und dass es wieder Arbeit und Wachstum in Deutschland gibt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass es besser wird.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Meine Damen und Herren, Vorfahrt für Arbeit heißt auch, dass wir die Kraft haben, zu sagen:Wir brauchen betriebliche Bündnisse vor Ort.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Sie wissen genau, dass es das alles schon gibt!)

Liebe Frau Ypsilanti, wenn wir uns zurzeit die Situation anschauen, wie offensichtlich in Kartellen Vereinbarungen getroffen werden – wir müssen heute nur zu VW gucken, was dort los ist –, dann müssen wir feststellen: Es kann doch nicht sein, dass hier nur die Macht der Gewerkschaften in Ihrem Blickfeld steht. Wir müssen die Interessen der Arbeitnehmer vor Ort im Blickfeld haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben die Beispiele in Hessen.Wir haben Viessmann, wir haben Braun, und wir haben hier in Wiesbaden Betriebe, die flexible Arbeitszeiten wollen, die Möglichkeiten für ihre Interessen haben wollen,und zwar gemeinsam mit den Arbeitnehmern.Wissen Sie,wenn zwei Drittel der Arbeitnehmer in den Betrieben für solche betriebliche Bündnisse sind, dann verstoßen Sie, wenn Sie dagegen sind, gegen die Interessen der Arbeitnehmer. Denn eine Zweidrittelmehrheit vor Ort ist meines Erachtens vorrangig.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Reinhard Kahl (SPD): Sie vertreten die Interessen der Arbeitnehmer? Das ist wirklich ein Widerspruch!)

Es geht darum, Einstellungshindernisse wegzunehmen. Sie haben es wieder angesprochen. Ich sage es Ihnen noch einmal: Wenn 70 % der Unternehmen sagen, sie haben auf Einstellungen verzichtet, weil ihnen die Hindernisse zu groß sind, weil sie bei den Neueinstellungen den Kündigungsschutz als Risiko ansehen, dann müssen wir doch überlegen. Niemand will den Kündigungsschutz für bestehende Arbeitsverhältnisse abschaffen. Aber man sollte Einstellungshindernisse zurücknehmen, wenn es darum

geht, neue Arbeitsplätze zu schaffen, und dafür den Kündigungsschutz für zwei Jahre zur Disposition stellen. Diese Frage stellt sich.

(Zurufe von der SPD)

Wer sagt: „Vorfahrt für Arbeit, sozial ist, was Arbeit schafft“, der muss die Kraft haben, derartige Regulierungen zurückzufahren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, es geht auch um Entbürokratisierung. Wir erleben es doch in Hessen. Wir brauchen Beschleunigung in Planungsverfahren, und wir haben in unserem Programm, dass wir die Verbandsklage im Planungsverfahren abschaffen wollen, weil dadurch immer mehr Verzögerungen eintreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben in Hessen doch alle Beispiele. Deshalb finde ich: Wer für Investitionen ist, wer für Verkehrsinfrastruktur ist, wer für Arbeitsplätze ist, der muss auch einen Beitrag dazu leisten, dass Planungsverfahren in Deutschland beschleunigt werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Vorfahrt für Arbeit heißt auch Senkung der Lohnzusatzkosten. Das ist das Thema, das Sie ausgeklammert haben, auch wenn es um die Mehrwertsteuer geht. Ich sage nur einmal am Rande: Im vorigen Jahr hat Ihr Finanzminister noch Überlegungen vorgetragen,dass 5 % Mehrwertsteuererhöhung im Zusammenhang mit dem Verhältnis von direkten und indirekten Steuern der richtige Weg wäre. Niemand von uns erhöht gerne Steuern. Wenn wir aber die Lohnzusatzkosten senken wollen, wenn wir bei der Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf 4,5 % zurückgehen wollen – das bedeutet im Übrigen 1 % mehr Nettolohn für die Arbeitnehmer –, wenn wir alles dies machen wollen, dann können wir nur gegenfinanzieren, indem wir einen Ausgleich beim Verhältnis von direkten und indirekten Steuern finden und auf 18 % Mehrwertsteuer gehen.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Und den Arbeitnehmern 2 % nehmen!)

Unter dem Strich stehen die Menschen dadurch besser, und es bleibt die soziale Balance, indem die 7 % für Lebensmittel, ÖPNV und andere Dinge bleiben. Das verschweigen Sie in der Debatte.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Die soziale Balance wird durch die 7 %, die nicht angetastet werden, gewährleistet. Das Gesamtkonzept ist ein Konzept für Arbeit und ein Konzept für mehr Beschäftigung. Deshalb ist der Schritt, die Lohnzusatzkosten so zu senken, der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU)

Ich füge eines hinzu – das geht in der öffentlichen Diskussion etwas verloren –: Wir haben in unserem Programm auch stehen, dass wir die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer wollen. Ich habe Beispiele von Betrieben in Wiesbaden, wo das gemacht wird, die sich hervorragend darstellen und wo sich das positiv entwickelt. Ich bin schon der Auffassung: Wenn wir eine Voraussetzung schaffen, dass wir Wachstum haben, dass wir Arbeit haben, dass wir auch bessere Gewinnentwicklung in den Betrieben ha

ben, dann sollten wir daran auch die Arbeitnehmer beteiligen.

Meine Damen und Herren, das ist der Unterschied. Frau Ypsilanti, wissen Sie, Sie machen den Kuchen immer ein Stück kleiner und verteilen die kleinen Stücke.Wir wollen den Kuchen größer machen, damit die Menschen mehr haben. Das ist soziale Marktwirtschaft nach unseren Vorstellungen.

(Beifall bei der CDU – Dr.Thomas Spies (SPD):Sie wollen die großen Stücke verteilen! – Andrea Ypsilanti (SPD): Große Stücke an die Großen, und die Krumen an die Kleinen!)

Meine Damen und Herren, Sie sprechen dann das Thema Reichensteuer an. Ich halte es schon für gerecht, wenn wir die Steuerschlupflöcher entsprechend angehen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf einmal!)