Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Da brülle ich noch ein bisschen lauter!)

Wenn Ihnen das solchen Spaß macht, dann bleiben Sie doch einfach hier.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme also zu Hartz IV.Ein großes Problem gerade in der gegenwärtigen Lage, wie die Umfragen für die Sozialdemokratie stehen, hat viel damit zu tun, dass unter großen Schmerzen mit der Reform des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme Ernst gemacht wurde.

(Lachen des Ministers Karlheinz Weimar)

Da lacht Herr Weimar. Sehen Sie: Manche Leute machen halt Ernst, und manche Leute kaufen Schlösser und machen Schulden. Herr Finanzminister, das ist halt der Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie einmal ehrlich sind – das trifft auch in Ihre Wählerschaft hinein –, dann haben wir eine Situation, in der viele Menschen aus guten Gründen Angst vor Erwerbslosigkeit haben, in der sie sich die Frage stellen – Stichwort: Sparquote –, ob man nicht für bestimmte Zeiten etwas zurücklegen muss.Wenn als einziger Kommentar der Hessischen Landesregierung Ihre famose Sozialministerin sagt: „Man muss die Anrechnung bei den Familien noch verschärfen“, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich mich auf

diesen Wahlkampf mit den inhaltlichen Debatten über die unterschiedlichen Konzepte der Parteien, die in den Bundestag wollen, freue.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Dr. Jung, Sie haben von „sieben verlorenen Jahren“ gesprochen und haben viel über Arbeitslose und Staatsverschuldung geredet. Ich finde,Angela Merkel hat in der Debatte über die Vertrauensfrage außer ganz spannenden Versprechern zwei klare Aussagen getroffen. Erste klare Aussage von ihr:Wo die CDU regiert, geht es den Menschen besser. – Ich finde, das ist für eine Bundesvorsitzende einer Partei eine zumindest gefährliche Aussage; denn sie ist überprüfbar.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie über die Arbeitslosenquote reden und sagen, wie die Arbeitslosenquote – –

(Michael Boddenberg (CDU): Jetzt kommen Rechenspielchen!)

Das ist überhaupt kein Rechenspielchen, Herr Kollege Boddenberg. Gehen Sie einmal auf die Homepage der Bundesagentur für Arbeit, klicken auf „Bund“, klicken auf „Hessen“ und vergleichen die Veränderung von Dezember 2000 bis Dezember 2004. Dann werden Sie feststellen, dass die Erwerbslosigkeit in diesem Zeitraum im Bundesschnitt um 16 % gestiegen ist und in Hessen um 22,4 %.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Vielleicht hat Frau Merkel nicht ganz so Recht mit der Vorlage:Wo die CDU regiert, geht es den Menschen besser.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, wo Roland Koch regiert, soll es also den Menschen besser gehen. Dann sagt der Fraktionsvorsitzende und Spitzen-CDUler für die erste Reihe in Berlin: Mit der Staatsverschuldung kann es so nicht weitergehen. – Damit hat er auch Recht. Dann gucken wir uns einmal die Veränderung der Staatsverschuldung von September 1998, also Regierungsübernahme durch RotGrün im Bund,bis Dezember 2004 an und stellen fest:Zunahme um 15,7 %.

(Michael Boddenberg (CDU): Rechnen Sie mal den Länderfinanzausgleich dazu!)

Hören Sie zu, Herr Generalsekretär: Zunahme um 15,7 %. Das freut mich nicht. Das ist zu viel.

Dann schauen wir uns einmal an, was seit Ihrer Regierungsübernahme, ein halbes Jahr nach diesem Zeitpunkt, in Hessen passiert ist: Im Bund Zunahme um 15,7 %, in Hessen Zunahme der Staatsverschuldung um 32,7 %.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist unter Ihrer Verantwortung geschehen, Herr Finanzminister.

Ich führe die Debatte, dass es mit der Staatsverschuldung so nicht weitergehen kann, seit 1995, egal, wer gerade wo Verantwortung trägt.Aber ich kann Ihnen sagen: Sie können über die Rechte künftiger Generationen nicht mehr reden, wenn Sie die Verschuldung des Landes Hessen seit 1946 in Ihrer Regierungszeit in vergleichsweise kurzen sechs Jahren um sage und schreibe ein Drittel erhöht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich kann Ihnen auch sagen, woran das liegt. Sie haben mit dem Subventionsabbau völlig Recht. Aber wenn Sie alles das getan hätten, Herr Ministerpräsident, was Hans Eichel und der Bundestag an Steueränderungsgesetzen beschlossen haben und was im Bundesrat blockiert worden ist, dann hätte dieses Land 20 Milliarden c mehr in der Kasse, die wir nicht in der Kasse haben und uns momentan bei Bund und Ländern über Schulden holen. Das ist Ihre Verantwortung, meine Damen und Herren.

Ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh, dass wir jetzt die Programme der CDU auf dem Tisch liegen haben, mit denen Sie im Prinzip zugeben, dass das alles ein Fehler war, weil Sie das jetzt alles selber machen wollen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Ja!)

Im Prinzip geben Sie damit zu, dass Ihnen Blockade und parteipolitischer Vorteil vor Wohl des Landes gegangen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das finde ich aus Sicht eines Oppositionspolitikers in Hessen sehr spannend, aber aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland ist es eigentlich eine katastrophale Feststellung. Herr Kollege Dr. Jung, die Zahl der CDUler, die das sinkende Schiff hier verlassen, schwillt ja von Tag zu Tag an. Das fängt beim Fraktionsvorsitzenden an, geht über den Geschäftsführer weiter. Der Staatssekretär im Justizministerium denkt auch: Bloß weg hier! – Sogar Ihr Pressesprecher möchte weg. Ich kann das ja verstehen, wenn man eine solche landespolitische Bilanz hat.

(Rudi Haselbach (CDU): Sie brauchen nicht so viel Personal in Berlin, wollten die sagen! – Heiterkeit bei der CDU)

Das ist halt der Unterschied: Bei uns in der Partei wird momentan darüber diskutiert,dass wir zu wenig Plätze für zu viele gute Leute haben, bei Ihnen ist es andersherum. Aber bitte sehr.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich finde es problematisch, wenn man als CDU ein Programm vorlegt und darin gleichzeitig eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Senkung des Spitzensteuersatzes fordert. Wenn die CDU sagt, dass sie das Solidarprinzip in der Krankenversicherung nicht mehr haben möchte, sondern eine Kopfpauschale, dann bedeutet das, Herr Kollege Dr. Jung, dass Sie, wenn Sie in der ersten Reihe im Bundestag landen sollten, denselben Krankenversicherungsbeitrag zahlen wie der beim Deutschen Bundestag beschäftigte Pförtner. Kann das richtig sein, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie sagt gleichzeitig, dass Sie all die inzwischen allgemein anerkannten positiven Schritte der letzten sieben Jahre wieder rückgängig machen wollen. Wir haben sehr genau verfolgt, dass wir in Hessen das erste Atomkraftwerk hätten, das nicht mehr gemäß der Vereinbarung abgeschaltet würde, nämlich Biblis A, wenn Sie an die Regierung kämen. Wir haben sehr genau verfolgt, was in Ihrem Programm zum Thema erneuerbare Energien steht. Wir haben sehr genau verfolgt, was in Ihrem Programm zum

Thema Verkehrspolitik steht. Herr Kollege Dr. Jung, wir haben das alles sehr genau verfolgt.Aus dieser Sicht kann ich Ihnen nur sagen: Ich habe mich nicht gefreut, dass dieser Sommer statt der Perspektive Urlaub die Perspektive Wahlkampf bringt.Aber nachdem ich Ihr Programm gelesen hatte, freue ich mich richtig auf diesen Wahlkampf, denn da ist wirklich noch viel Musik drin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme zum Stichwort Staatsverschuldung.Wir haben das ganze Wochenende auf dem Bundesparteitag der GRÜNEN gesessen und das Bundestagswahlprogramm beraten und beschlossen.

(Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Das steht Ihnen auch noch bevor, Frau Kollegin. Die FDP beschließt ihr Programm aber bestimmt erst sieben Tage vor der Wahl. Da wird es bei Ihnen sicher sehr „tief gehende“ Diskussionen geben.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Ruth Wagner (Darm- stadt) (FDP))

Wenn man das CDU/CSU-Wahlmanifest genau liest, dann erfährt man, dass Sie bis zum Ende der übernächsten Legislaturperiode,also ab 2013,einen ausgeglichenen Haushalt anstreben. Es hat bereits Interviews zum Stichwort Defizitgrenze gegeben, in denen CDU-Finanzverantwortliche gesagt haben: Wenn wir das machen, was in unserem Wahlmanifest steht, dann wird Deutschland die ganze Legislaturperiode von 2005 bis 2009 über der 3-%Defizitgrenze liegen. – Ich finde, wenn man so in eine Wahlauseinandersetzung geht, dann wäre es besser gewesen, Herr Kollege Dr. Jung, hier keine hohlen Sprüche aneinander zu reihen, sondern sich Gedanken darüber zu machen, was für dieses Land nötig wäre – jenseits dessen, was an Platten, die seit Jahren laufen, die an einer bestimmten Stelle einen Sprung haben, sodass immer dasselbe herauskommt, bei Ihnen noch in der Schublade liegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Ministerpräsident hat am Anfang der Legislaturperiode gesagt, wir sollten die großen Trommeln einpacken. Er hat das auf den Hessischen Landtag bezogen.Wir gehen jetzt aber in eine Auseinandersetzung über die besseren Konzepte für dieses Land. Ich finde, Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob eine Wahlkampagne, die im Prinzip nur sagt: „Dieses Land ist in einer katastrophalen Situation, und wir machen es noch ein bisschen katastrophaler“, aus Ihrer Sicht die richtige ist und ob das dieses Land voranbringt. – Vielen herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Kollege Hahn für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland braucht einen Politikwechsel – jetzt. Der dringend notwendige Regierungswechsel ist nur der erste notwendige Schritt. Das „Weiter so“ von Rot-Grün schadet unserem Land von Monat zu Monat mehr.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir alle müssen uns wieder auf die Werte besinnen, die zum Wiederaufbau unseres Landes geführt haben. Das waren die Werte der sozialen Marktwirtschaft, wie sie Ludwig Erhard gemeinsam mit der FDP in Deutschland umgesetzt hat.

(Beifall bei der FDP)

Die soziale Marktwirtschaft à la Ludwig Erhard ist der richtige Weg. Dagegen steht das Modell von Rot-Grün: staatliche Rundumversorgung und Gängelei der Bürger.– Meine sehr verehrten Damen und Herren, Freiheit und Kreativität des Einzelnen müssen wieder Vorrang vor Gleichmacherei haben.