Wie der Sinneswandel zustande kam, dazu sagte Frau Merkel: „Wir haben uns das nicht leicht gemacht.“ – Die Wirkung einer Mehrwertsteuererhöhung ist klar eine Schwächung des Binnenmarktes. Das ist genau das zentrale Problem. Deutschland ist Exportweltmeister. Wir haben aber erhebliche Probleme bei der Binnenkonjunktur. Daher ist die SPD in dieser Situation ganz klar gegen eine Mehrwertsteuererhöhung.
Zunächst würden eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung zu einer Belastung von Gering- und Durchschnittsverdienern, von Arbeitnehmern, von Arbeitslosen, Rentnern und ganz besonders von Familien führen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer entzöge massiv und sofort Kaufkraft. Dass die Absenkung des Beitrages für die Arbeitslosenversicherung zu einem Investitionsboom führen würde, ist zunächst einmal nur ein Wunschtraum.
Wie sagte das Statistische Bundesamt? Die Erhöhung der Mehrwertsteuer führt zu einer Inflation von 0,9 Prozentpunkten. – Meine Damen und Herren, das ist die Realität. Das geschieht alles unter dem Motto „Teurer Einkaufen für den arbeitslosen Nachbarn“,wie die „Ostsee-Zeitung“ richtig titelte. Meine Damen und Herren, ich könnte jetzt eine Reihe von Zitaten bringen.
Es widerspricht auch allen bisherigen Aussagen führender Unionspolitiker, die gerade die Anhebung der Mehrwertsteuer ablehnten, und es birgt vor allem erhebliche Risiken für die nach wie vor zu schwache Binnenkonjunktur. Zusammen mit der
angepeilten Abschaffung der Steuerfreibeträge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und dem im Prinzip sinnvollen Abbau der Pendler- und Eigenheimzulage ergibt sich ein Paket mit sozialer Schlagseite. Die kleinen Leute, Arbeitnehmer und Rentner werden stärker belastet als Wohlhabende.
Meine Damen und Herren, ich habe mir natürlich die Frage gestellt: Was will die hessische FDP mit dieser Aktuellen Stunde? Dann habe ich im „Wiesbadener Kurier“ nachgelesen: Westerwelle kündigt Widerstand gegen den Unionsplan einer Mehrwertsteuererhöhung an.
Entschuldigung, ist in Ordnung. – Meine Damen und Herren, nein, an der Frage der Mehrwertsteuer würden die Liberalen die Koalition nicht scheitern lassen.
Ich glaube, die „Hamburger Morgenpost“ hat eine Erklärung dazu gegeben. Sie schrieb nämlich zum 11. Juli:
Resultat: Im Ehebett ist offenbar kein Platz für den liberalen Gatten; Mehrwertsteuer rauf, Bundeswehr im Inlandeinsatz, Antiterrordatei, gespeicherte Telefondaten. Es liest sich wie der Stoff, aus dem Westerwelles Albträume sind. Eigentlich sind Union und FDP seit gestern Ex-Verlobte auf getrennten Wegen, wäre da nicht diese kleine Partei, die das Krötenschlucken zum politischen Prinzip erhoben hat. Das ist alles richtig.
Meine Damen und Herren, schenken Sie dem Kollegen Kahl Ihre Aufmerksamkeit. Er wird es Ihnen danken.
Die von der FDP beantragte Aktuelle Stunde ist Teil von öffentlichen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP. Das kann ich nur so sagen.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das heißt, wir haben die Wahl schon gewonnen, gell? Ihr habt die Wahl schon aufgegeben!)
Warten Sie ab, nicht so schnell. – Machen Sie von der FDP in den nächsten Wochen auf diesem Weg konsequent so weiter. Nach dem 18. September haben Sie für Koalitionsverhandlungen keine Gelegenheit mehr. – Schönen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mehrwertsteuererhöhung wird das Symbol der Ehrlichkeit. Das wurde zitiert.
Das Problem der SPD ist doch, dass Ihnen Ihre eigenen Wähler nicht glauben, dass Sie nach einer Wahl, wenn Sie sie zufällig gewinnen sollten, die Mehrwertsteuer nicht erhöhen würden. Alle Umfragen sagen: 70 % Ihrer Wähler glauben daran, dass selbst Sie die Mehrwertsteuer erhöhen würden. Es ist natürlich auch so, dass die Mehrzahl der FDP-Wähler das glaubt. Aber es geht hier um etwas ganz anderes.
Ich kann verstehen, dass sich die FDP Gedanken über die ökonomische Wirkung von Mehrwertsteuererhöhungen macht. Das ist auch akzeptabel. Ich kann aber wirklich nicht verstehen, warum SPD und GRÜNE die Mehrwertsteuererhöhung zum Anlass nehmen, der Union vorzuwerfen, das sei eine sozial ungerechte Lösung.
Es wird am 18. September voraussichtlich um eine politische Weichenstellung in Deutschland gehen. Die Frage wird zu beantworten sein, ob es weiterhin eine Perspektivlosigkeit gibt, wegen der die Menschen kein Vertrauen mehr haben, oder ob Mut und Ehrlichkeit in den programmatischen Aussagen dazu führen, dass die Menschen wieder Vertrauen in den Markt und die Politik schöpfen und das Geld, das sie haben, auch wieder ausgeben. Die Sparquote ist von 9 % auf 11 % gestiegen. Das ist doch nicht nur deshalb so, weil die Menschen für das Alter vorsorgen, sondern weil sie der amtierenden rot-grünen Regierung nicht mehr zutrauen, die Probleme in den Griff zu bekommen, und ihr Geld deswegen für sich behalten.
Das ist die Wahrheit. Das beste Konjunkturprogramm ist deswegen ein Regierungswechsel,um das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen.
Ich möchte Ihnen auch Folgendes sagen: In der Situation, in der wir uns heute befinden – die Zahlen sind während dieses Plenums schon mehrfach zitiert worden –, in der wir 80 Milliarden c an Steuermitteln aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkassen und Sozialsysteme pumpen, in der wir 44 Milliarden c in Hartz IV investieren, in der wir 40 Milliarden c und mehr, wie Hans Eichel gestern gesagt hat, in die Zinsen im Bundeshaushalt investieren, sodass also 164 Milliarden c schon weg sind, bevor wir überhaupt anfangen, Politik für Deutschland zu gestalten, ist doch die Frage erlaubt, mit welchen Mitteln wir die dringenden Probleme finanzieren wollen.
Deswegen will ich Ihnen auch sagen: Das Konzept der Mehrwertsteuererhöhung fügt sich genau in ein Gesamtkonzept ein, in dem die Sozialversicherungssysteme entlastet und damit Arbeitsplätze geschaffen werden, in dem die Sozialsysteme reformiert werden, in dem die Steuer vereinfacht wird und übrigens auch der Eingangssteuersatz reduziert wird. Das ist auch etwas, was familienfreundlich ist. In dem Konzept steigen die Kinderfreibeträge auf 8.000 c. Wenn in Deutschland in Zukunft 36.000 c quasi steuerfrei verdient werden können – das sind 75.000 DM –, dann frage ich Sie wirklich einmal, wo denn der kleine Mann durch die Mehrwertsteuererhöhung getroffen wird.