Protokoll der Sitzung vom 22.09.2005

(Michael Siebel (SPD): Unstrittig!)

und das setzt bei einer Größenordnung von 10 % an.

Wir haben damit einen Beschluss des Hessischen Landtags umgesetzt. Ich will aber, ohne die Zeit überzustrapazieren, eine Bemerkung hinzufügen. Worin unterscheidet sich die Beteiligung einer Partei von der Beteiligung einer privaten Person oder einer Gesellschaft? Parteien sind nach Art. 21 des Grundgesetzes berufen, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, und haben eine besondere Staatsnähe; das wird nirgendwo ernsthaft bestritten. Der Unterschied zu den Privaten liegt darin, dass es bei diesen anders ist. Parteien haben eine besondere Bedeutung im Meinungsbildungsprozess.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie bei Berlusconi, beispielsweise!)

Herr Kollege, wir sind in Deutschland und nicht in Italien,und ich kann nur für das Hessische Pressegesetz sprechen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können auch Hugenberg sagen!)

Lassen Sie mich deshalb bitte nur für das Hessische Pressegesetz vortragen.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Mitteilungspflichten ausreichend sind. Es ist ja nicht so, dass es bisher noch keine gibt; wir haben im Hessischen Pressegesetz schon Mitteilungspflichten für alle anderen,

(Michael Siebel (SPD): Warum lassen Sie es denn nicht dabei?)

die in § 5 Abs. 2, wenn ich es richtig im Kopf habe, normiert sind. Der Unterschied zwischen der allgemeinen Beteiligung von Privaten und von einer politischen Partei an einem Presseunternehmen gründet sich auf die besondere Situation einer Partei. Die Partei hat den Auftrag und bei vernünftiger Würdigung der Dinge auch immer den Zweck,zur politischen Meinungsbildung beizutragen. Das ist auch keineswegs zu kritisieren. Wenn sie aber die politische Meinungsbildung als Aufgabe wahrnimmt und sich dabei unter anderem der Printmedien bedient, ist es richtig, dass der Leser erfährt, dass die betreffende Zeitung oder Illustrierte in wesentlicher Weise – ab 10 %, darauf hatte ich hingewiesen – von einer Partei gehalten wird.

Hessen ist das erste Land, das sich nicht nur dieser rechtspolitischen Frage angenommen hat, sondern auch eine Novellierung vorschlägt.Das wird in der Politik und in der Rechtswissenschaft schon seit Jahren gefordert. Ich hoffe, dass dem andere Länder folgen werden.

Unter dem Strich bleibt aus meiner Sicht: Die Novelle ist eine kluge Maßnahme, weil sie das Übermaßverbot beachtet, weil sie verhältnismäßig ist, weil sie den Parteien Freiraum lässt und weil sie letztlich dazu führt, dass die Bürgerinnen und Bürger besser erkennen können, wer politisch hinter einer Zeitung steht. Das dient dem Institut der Pressefreiheit und nicht zuletzt der Demokratie. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Siebel für die Fraktion der SPD. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hessischen Pressegesetzes den Fraktionen dankenswerterweise mit Schreiben vom 16. Juni übermittelt wurde und seitdem lange Zeit vergangen ist, bis der Entwurf den Hessischen Landtag in der vergangenen Woche erreicht hat, war ich schon der Hoffnung, dass sich die Landesregierung nach den auch von Ihnen beschriebenen Prüfverfahren, die wir im Innen- und im Hauptausschuss eingeleitet haben – dazu komme ich nachher noch einmal –, vielleicht eines Besseren besonnen hätte und dass die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das, was vorgesehen war,bei Ihnen insofern Platz gegriffen hätten,dass Sie den Gesetzentwurf nicht einbringen.

Dies ist nicht passiert. Das nehme ich zur Kenntnis. Jetzt geht es um das, was Sie im Gesetzentwurf vorschlagen: eine besondere Kennzeichnungspflicht bei der Beteiligung von politischen Parteien und deren Unternehmen an Printmedien.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich die einzelnen Aspekte, die der Gesetzentwurf umfasst, sauber seziere, möchte ich wenigstens einen Satz dazu sagen, warum Sie diese Kampagne fahren. Der Gesetzentwurf reiht sich ein in den Versuch der CDU, das historisch gewachsene Vermögen der SPD zu zerschlagen oder zumindest in Misskredit zu bringen.

(Jürgen Walter (SPD): Ein unglaublicher Vorgang!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Vermögen der SPD ist innerhalb von 142 Jahren gewachsen. Es ist durch das gewachsen, was die Mitglieder der SPD durch ehrliche Arbeit eingebracht haben. Das ist der Punkt, an dem sich die SPD von anderen Parteien unterscheidet. Insofern ist der Gesetzentwurf ein Mosaikstein in dem Versuch der CDU, von ihren eigenen Problemen und Versäumnissen bei der Finanzierung ein Stück weit abzulenken.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

Herr Hoff, Sie können hier Entlastungsfeldzüge führen, so viele Sie wollen; aber es ist doch festzustellen, dass Sie in letzter Zeit auch Niederlagen erlitten haben.

(Volker Hoff (CDU):Wer?)

Nicht Sie persönlich; dazu haben Sie doch viel zu viel Abstand von den Dingen.Aber Sie haben eine Niederlage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof erlitten. Bei dem niedersächsischen Urteil ging es allerdings nicht um ein Pressegesetz, sondern um das Landesmediengesetz.

(Volker Hoff (CDU): Aha! – Zuruf des Abg. Dr. Franz Josef Jung (Rheingau) (CDU))

Herr Jung,halten Sie sich zurück.Denn auch diese Frage wird den Landtag noch einmal beschäftigen. – Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat festgestellt, dass selbst eine Begrenzung der Beteiligung an Rundfunkanstalten auf 10 % im Landesmediengesetz verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Das ist eine Hausnummer, die meiner Ansicht nach sehr bedenkenswert ist. Der Gesetzentwurf von CDU und FDP dort ist gescheitert.

Die Landesregierung sollte sich mit dieser Frage auseinander setzen,

(Dieter Posch (FDP): Die FDP hat damit gar nichts zu tun!)

bevor sie möglicherweise von der Landesanwältin aufgegriffen werden muss.

(Dieter Posch (FDP): Wir sprechen über die Beteiligung, da sind wir uns einig!)

Dann wird die Angelegenheit auch objektiv betrachtet. Aber ich gebe Ihnen Recht: Wir sprechen jetzt über das Pressegesetz.

(Zurufe von der CDU)

In der Begründung und in der Darstellung des Problems sagen Sie, Herr Boddenberg, die Tatsache, dass es die Beteiligung politischer Parteien gebe, habe ein Besorgnis erregendes Ausmaß angenommen. Sie führen als gravierendes Beispiel immer wieder die Beteiligung der Deutschen

Druck- und Verlagsgesellschaft an der „Frankfurter Rundschau“ an.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich darauf aufmerksam machen, dass das Anführen dieses Beispiels für mich erstaunlich ist, weil die hessische Stiftungsaufsicht im Jahr 2002 den Erwerb der Mehrheitsanteile der DUV durch die dd_vg. genehmigt hat.

Genauer: Sie hatte zu prüfen, ob die Karl-Gerold-Stiftung auch nach dem Erwerb durch die dd_vg. noch ihrem Zweck genügen kann, eine unabhängige, linksliberale Tageszeitung herauszugeben. Ohne positives Ergebnis dieser Prüfung hätte die Stiftungsaufsicht dem Erwerb nicht zustimmen dürfen. Genau diesen Vorgang jetzt als Besorgnis erregende Entwicklung zu brandmarken, ist nach meinem Verständnis in höchstem Maße unaufrichtig,

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Volker Hoff (CDU))

weil derselbe Minister, der heute diesen Gesetzentwurf eingebracht hat, mit genau denselben Begründungen vor einem Jahr für die Stiftungsaufsicht zuständiger Minister war. Herr Bouffier, ich halte es für unaufrichtig, wenn Sie heute so auftreten.

(Volker Hoff (CDU): Warum kämpfen Sie gegen die Offenlegung?)

Zweiter Punkt. Herr Minister, Sie und die Landesregierung behaupten in Ihrer Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf, dass das wesentliche Prüfergebnis das gewesen sei, dass Engagement von Parteien in Medien nur erlaubt sei, wenn es für die Bürger klar erkennbar ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist an der Stelle völlig unstrittig – das haben wir in der Ausschussberatung immer wieder unterstrichen –, dass wir sehr wohl dafür sind, dass die Vermögensverhältnisse im Rahmen der Kennzeichnungspflicht offen gelegt werden. Deshalb kündige ich für die SPD-Fraktion an, dass wir im Verfahren einen eigenen Änderungsgesetzentwurf einbringen werden, wo wir genau diesen Punkt über eine allgemeine Kennzeichnungspflicht in Printmedien im Lande Hessen einführen werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister Bouffier, Sie haben das sehr ausführlich in der Begründung des Gesetzentwurfes angeführt und Ihr Anhörungsverfahren sehr ausführlich dargestellt. Dort ist genau dieses unter anderem auch von ver.di gefordert worden.Um nicht den Eindruck zu erwecken,dass das, was wir jetzt in einem Änderungsgesetzentwurf einbringen werden, eine wirre Forderung von Gewerkschaften ist, weise ich darauf hin, dass es Gegenstand des Bayerischen und des Berliner Pressegesetzes ist, wo eine solche Kennzeichnungspflicht verankert ist. Sie haben in Ihrer politischen Abwägung gesagt, Sie wollten das nicht machen.Aber den Bayern zu sagen, dass das dortige Pressegesetz eine absurde Festlegung getroffen hat, das ist – zumindest was die Landesregierung angeht – in der Tat eine mutige Feststellung.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf den Punkt zurückkommen, inwieweit es wesentliches Prüfergebnis ist. Wir beziehen uns auf unterschiedliche Fundstellen, die wir auch recherchiert haben. Bemerkenswert ist, dass Sie Ihrerseits zwar Behauptungen aufstellen, aber nicht wirklich Quellen angeben, zu

mindest nicht mit Zitaten.Ich will dies an zwei Stellen tun. Erstens. Kommentar von Hans Hugo Klein in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz.Dort wird ausgeführt – ich erlaube mir, aus dem Kommentar zum Grundgesetz zu zitieren –:

Seit dem Niedergang ihrer Parteipresse hat sich die SPD, gestützt auf ihr großes Parteivermögen, mit beachtlichem Erfolg darauf verlegt, Beteiligungen an Presseverlagen zu erwerben.

(Volker Hoff (CDU): Okay!)

Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.

(Volker Hoff (CDU): Okay!)

Ein staatliches Eingreifen käme nur unter der Voraussetzung in Betracht, die auch sonst gegen eine überhand nehmende Pressekonzentration ergriffen werden kann.

(Volker Hoff (CDU):Was hat das hier mit der Veröffentlichung zu tun?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein erster Beleg dafür,dass es für uns darum gehen wird,eine allgemeine Kennzeichnungspflicht – durchaus belegt durch die Hinweise in der Literatur – in diesem Zusammenhang zu fordern.