Protokoll der Sitzung vom 12.10.2005

Meine Damen und Herren, wir haben in Hessen für 166.000 Kinder von null bis drei Jahren gerade einmal 9.000 Krippenplätze. Das sind, selbst wenn ich Ihre eigenen Zahlen nehme, leider nur 5,7 % für einen Jahrgang. Das ist ein bisschen wenig, wenn Sie das als Schwerpunkt bezeichnen. Außerdem steigt die Quote logischerweise, weil wir leider weniger Kinder haben.Auch wenn Sie weiter gebetsmühlenartig wiederholen, dass bei dem Ausbau des Betreuungsangebots der Schwerpunkt der Landesregierung auf der Betreuung der unter Dreijährigen liegt, stimmt das einfach nicht. Die GRÜNEN haben Ihnen das neulich vorgerechnet. Aus dieser Offensive werden überwiegend Hortplätze gefördert. Ihre familienpolitische Kompetenz ist also ebenfalls null.Auch hier kein Leuchtturm Familienpolitik,sondern Dunkelheit,kein Bautrupp, sondern Abrissbirne.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Mark Wein- meister (CDU))

Meine Damen und Herren, ich komme zu einem weiteren Punkt. Als Sozialministerin sollten Sie Politik für Menschen mit Behinderungen machen und nicht Politik gegen Behinderte. Bereits vor etlichen Jahren haben wir als SPD-Landtagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Behinderten eingebracht. Sie haben sich quergelegt, Sie haben verzögert, Sie waren dagegen. Jetzt ist zwar endlich ein Gesetzentwurf über die Zeit gerettet worden, der den Namen aber nicht verdient. Sie haben in Pressemeldungen betont, wie wichtig die Barrierefreiheit ist – immer wieder, wie Sie das in Pressemeldungen tun. Dann haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem die Barrierefreiheit eine Kannbestimmung ist. Das wissen die Behindertenverbände. Deswegen haben viele gesagt: Ein solches Gesetz brauchen wir nicht.

Sie reden davon, Politik für Behinderte machen zu wollen – und machen das Gegenteil. Sie haben beim Land das Blindengeld gekürzt. Sie haben bei den familienentlastenden Diensten für Behinderte um 250.000 c gekürzt. Sie haben den Haushaltstitel „Eingliederung Behinderter“ glatt auf null gesetzt. Das ist die Realität. Also auch da kein Leuchtturm, sondern die Abrissbirne. Das spüren die Behinderten in Hessen.

Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zu dem nächsten wichtigen Punkt.Sie sind auch Arbeitsministerin und sollten dies unter Beweis stellen. Frau Ministerin, ich kann mich nicht erinnern, dass das Wort Arbeitsschutz in

den letzten zwei Jahren auch nur einmal aus Ihrem Mund gefallen wäre.

(Zuruf des Abg. Rafael Reißer (CDU))

Es ist an die Regierungspräsidien abgegeben worden, und seither herrscht Schweigen im Walde.

(Michael Boddenberg (CDU): Sagen Sie doch etwas zum Arbeitsschutz!)

Die Zahl der Auszubildenden ohne Schulabschluss – Herr Boddenberg, Sie müssen nur zuhören – ist dramatisch hoch. Sie steigt von Jahr zu Jahr.

(Michael Boddenberg (CDU): Nur Blabla!)

Auch in diesem Jahr werden trotz des hessischen Ausbildungspakts Tausende von Jugendlichen vergeblich auf eine Lehrstelle hoffen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in Hessen kommen inzwischen auf eine Lehrstelle fünf Bewerberinnen und Bewerber. Damit sind wir das Schlusslicht der westdeutschen Flächenländer. Das ist ein Skandal für Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir erreichen in Hessen gerade noch Platz 12 von 16 Bundesländern und liegen damit sogar noch hinter Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Ich hätte mir nie vorstellen können,dass eine Landesregierung das Land so herunterwirtschaftet.

(Beifall bei der SPD)

Sie überlassen das Problem den Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit. Sie tun zu wenig. Sie nehmen den Lehrstellenmangel tatenlos hin, anstatt ihn zur Chefinnensache zu machen.Herr Koch hat es irgendwann einmal zur Chefsache gemacht.Auch das war wieder nur eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Aber das riesengroße Problem für die jungen Menschen in Hessen lösen Sie nicht. Sie behaupten, die Zahl der Auszubildenden im Landesdienst sei gestiegen. Eine solche Äußerung ist eine glatte Unverschämtheit.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Hermanns (CDU))

Sie verfälschen damit die Statistik, indem Sie die zuvor von Ihnen abgesenkten Zahlen als Grundlage nehmen. Tatsache ist: Mit 834 neuen Ausbildungsplätzen im hessischen Landesdienst – das ist die PE von Frau Lautenschläger – haben Sie nicht einmal die 903 Stellen aus dem Jahr 1999 erreicht, die wir im letzten Regierungsjahr hatten. Im Jahr 2001 waren es sogar nur 696.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

So kann man Politik auch machen. Ich streiche alles auf null zusammen und erhöhe dann um 10 % und sage:Ach, wie toll.

(Günter Rudolph (SPD): Das machen sie ständig!)

Sie und Herr Rhiel vertrauen in Sachen Ausbildung dauernd darauf, dass die Untätigkeit nicht auffällt. Das Handwerk in Hessen will in den nächsten drei Jahren zusätzliche Lehrstellen schaffen. Das ist sehr löblich. Sie tun sowieso viel. Aber wer springt hin, Herr Staatsminister Grüttner? Herr Staatsminister Grüttner muss natürlich auf den Zug aufspringen.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Der Mantel des Schweigens ist darüber gelegt. Nun frage ich mich, ob sich das Land an der Finanzierung beteiligen würde. Das fragt sich auch der „Wiesbadener Kurier“. Ich erwarte von der Arbeitsministerin klare Aussagen. Ich erwarte, dass sie sich um die Finanzierung kümmert und nicht, dass sie eineinhalbseitige Pressemitteilungen verfasst, in denen sie sich vor allem selbst lobt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wer in der Fortschreibung seiner Förderprogramme das Bestmögliche sieht, wie Sie es sagen, Frau Ministerin, der hat das Problem nicht begriffen,das wir in diesem Jahr haben, der hat nicht begriffen, dass wir mit Platz 12 von 16 Bundesländern nicht zufrieden sein können. Ihrer Ausrede, die immer kommt, die schlechte rot-grüne Bundesregierung ist daran schuld, halte ich entgegen, dass diese Voraussetzungen alle 16 Bundesländer haben. Es macht keinen Sinn, sich dahinter zu verstecken. Denn andere können es offensichtlich besser. Sie können es nicht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Zweiter Punkt zu der Arbeitsmarktpolitik, zu Ihnen, Frau Arbeitsministerin. Frau Ministerin, immer wieder kommen Sie mit den beiden Schlagworten Niedriglohnsektor und Kombilohnmodell. Das sei die Lösung für den Arbeitsmarkt. Wie oft wollen Sie uns diese Vorschläge eigentlich noch auftischen?

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie auch Ahnung vom Arbeitsmarkt?)

Ihr eigenes Landesprogramm, das damals mit großem Tamtam angekündigt war, das Kombilohnprojekt, sollte der Heilsbringer in Hessen sein.Wenn ich daran erinnern darf: Es war ein totaler Flop.

(Beifall des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Es waren gerade einmal 150 Teilnehmende in ganz Hessen, Frau Ministerin: 150.

(Reinhard Kahl (SPD): Enorm!)

Dann gab es eine Evaluierung dieses Modellprojekts in Kassel. Das ist eine wunderbare dicke Broschüre. Ich habe sie mir angeschaut. In dieser Broschüre zum Kombilohnmodell steht eindeutig, dass es Unsinn ist, dass es einfach nicht funktioniert, dass es Mitnahmeeffekte gibt und keine gewünschten Effekte.Insofern sollten Sie an diesem Vorschlag nicht weiter beharrlich festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Auch bei Hartz machen Sie keine gute Figur. Erst hagelt es sehr zu Recht großen Protest gegen Ihre Forderung,die Familienangehörigen mit dem Arbeitslosengeld zu belasten – was für ein Aberwitz, Frau Lautenschläger. Es ist aber auch nicht Aufgabe einer Arbeitsministerin, durch die Lande zu ziehen und Optionsschilder an den Rathäusern und Landratsämtern der Kommunen anzubringen.

(Norbert Schmitt (SPD): Richtig!)

Sie erwecken unermüdlich den Eindruck, Sie würden sich um eine Verbesserung von Hartz kümmern. Meine Güte, Sie setzen auf die Vergesslichkeit der Menschen.

(Günter Rudolph (SPD):So ist es! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Im Vermittlungsausschuss hat die CDU alle Grausamkeiten durchgedrückt, um sich jetzt piensig zurückzuziehen

und zu sagen, sie seien es nicht gewesen, und Verbesserungen zu fordern. Herr Kollege Milde, das ist verlogen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Lautenschläger, Sie wollen eine Sozialministerin sein. Sie haben den Sozialetat ohne Not gestutzt und sich nicht im Geringsten um die Menschen gekümmert, die von Ihren Kürzungen und Streichungen betroffen sind.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Herr Kollege, da sollten Sie nicht „Oh!“ sagen. Sie haben noch nicht begriffen, wofür eine Sozialministerin zuständig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. – Sie haben die finanziellen Lasten auf die Kommunen abgewälzt. Mit Erlaubnis des Präsidenten: In der „FAZ“ war am 04.10. zu lesen:

Unterdessen ist ihr