Protokoll der Sitzung vom 22.11.2005

Wir müssen dazu kommen, dass dieses System endlich Eingang in den Länderfinanzausgleich findet. Ich sage es sehr entspannt.Wenn dabei das eine oder andere Bundesland oder wenn dabei der eine oder andere Stadtstaat finanziell nicht mehr in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen, dann muss man sich anderes, wie z. B. eine Länderneugliederung, überlegen, aber nicht immer den Ausgleich nach dem Motto machen, die Starken müssen die Schwachen immer dann unterstützen, wenn sie es haben wollen. Ich kann es verstehen – meine eigenen Parteifreunde machen es genauso –, wenn man aus dem Saarland oder aus Bremen kommt,

(Jürgen Walter (SPD): Bald aus Hessen!)

ist es immer einfach, darauf hinzuweisen: „Jetzt zahlt uns mal...“ Aber ich glaube, wenn wir die Finanzbeziehungen auf die richtigen Füße stellen, was heißt, wenn sich z. B. das Land Hessen anstrengt,die Politik anstrengt,die Wirtschaft anstrengt, natürlich auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anstrengen, dass wir zu einem großen Teil den Profit dieser Anstrengungen für uns behalten dürfen und den z. B. nicht nach Bremen oder in das Saarland oder anderswohin abgeben müssen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dies ist unser zentraler Punkt, bei dem wir darauf bestehen werden – das sage ich den Vertretern der großen Koalition in Berlin sehr deutlich –, dass der zweite Teil der Koalitionsvereinbarungen auch umgesetzt wird. Sie haben dort notiert:

In einem weiteren Reformschritt in der 16.Wahlperiode sollen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen den veränderten Rahmenbedingungen inner- und außerhalb Deutschlands, insbesondere für Wachstums- und Beschäftigungspolitik, angepasst werden. Der Bund bietet den Ländern an, dazu mit Beginn des Jahres 2006 die Voraussetzungen und Lösungswege zu klären, das Grundgesetz so zu ändern, dass die Eigenverantwortung der Gebietskör

perschaften und ihre aufgabenadäquate Finanzausstattung gestärkt werden kann.

Diesem Zitat aus der Koalitionsvereinbarung der gerade eben ins Amt eingeführten Bundesregierung von CDU, CSU und SPD stimmen wir zu. Ich darf ankündigen, dass spätestens im März des kommenden Jahres, sollte nichts passiert sein, in allen Landtagen, in denen die FDP vertreten ist – das sind derzeit zehn Landtage –, entsprechende Aufforderungen an die amtierenden Landesregierungen gestellt werden, damit wir tatsächlich weiterkommen.

Zweiter Punkt. Ich halte es für falsch – ich möchte ein Detailthema ansprechen, das insbesondere uns Länder betrifft –, dass nach der Verabredung das Gerüst der inneren Sicherheit ausgehöhlt werden soll. Ich halte es für schlicht falsch, was dort zur BKA-Kompetenz steht.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf bitten, dass gerade die Kollegen der Sozialdemokraten versuchen,da ein bisschen nachzusteuern.Ich habe das Gefühl, dass das bei der Union nicht mehr ganz so kommen wird.Wir wissen alle – das ist gar nicht scherzhaft gemeint –,dass das Sein das Bewusstsein prägt.Wenn Kollege Schäuble jetzt schon Innenminister ist oder es in wenigen Stunden sein wird, dann wird er sich genauso wie sein Amtsvorgänger Schily überlegen, dass es schöner ist, wenn er mehr Kompetenzen hat.

(Jürgen Walter (SPD): Schily hat an der Stelle Recht!)

Ich werfe das doch gar nicht vor. Ich sage doch nur: Da sind gerade die Sozialdemokraten mit uns gemeinsam gefordert.Wir werden das in den Verhandlungen wieder auf die Tagesordnung setzen. Es ist von uns bereits auf die Tagesordnung gesetzt worden. Es ist in der Koalitionsvereinbarung der Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a Grundgesetz. Da geht es um die Kompetenz des BKA. Dort steht bisher geschrieben:

BKA-Kompetenz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht

Das heißt also, wenn eine dieser drei Voraussetzungen erfüllt ist, dann kann das BKA schnapp machen und sagen: Jetzt bin ich dafür zuständig. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, ist es logisch und notwendig, dass sich das BKA mit dem Thema beschäftigt, aber bitte, wenn alle drei vorliegen. Deshalb muss an der Stelle statt „oder“ ein „und“ hinein. Das ist die Position der Länderinnenminister – soviel ich weiß, auch mit 14 : 2 oder 14 : 1 Stimmen. Darum kämpfen wir, meine sehr verehrten Damen und Herren.Wir möchten keine Allzuständigkeit des Bundes in der Innenpolitik haben. Die ist aber mit diesem Vertrag derzeit festgelegt.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ansonsten glaube ich, dass wir aus FDP-Sicht noch zweierlei ergänzen müssen. Ich möchte nicht das wiederholen – es ist alles richtig –, was Kollege Hoff zur Trennung zwischen den verschiedenen Ebenen gesagt hat.Ich will dazu sagen: lieber Volker Hoff, auch eine Stärkung der Parlamente.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben bisher keine Stärkung der Parlamente gehabt. Letztlich hat man sich irgendwann nachts oder auch nicht im Vermittlungsausschuss geeinigt, und am nächsten Tag nickten der Bundestag übermüdet oder auch nicht und der Bundesrat müde oder auch nicht einfach ab. Je weniger Vermittlungsausschuss, je weniger Zustimmungspflicht,je weniger Vermittlungsausschuss,desto mehr werden die Gesetze, die Parlamentarier im Bundestag mit ihrer Mehrheit abstimmen, auch durchgesetzt. Das halten wir für klug.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt auch für die Gesetze, die die Länder machen. Deshalb muss auch mehr Kompetenz auf Länderebene heruntergeholt werden. Wir werden noch in die Feindiskussion hineinkommen. Das Jagd- und Notarrecht waren immer die Witzthemen, die wir im vergangen Jahr bei der Föderalismuskommission hatten. Es sind jetzt mehr Kompetenzen an die Länder gegeben worden. Deshalb bin ich mir sehr sicher, dass wir als hessisches Parlament künftig mehr Kompetenzen haben werden.

Ich will dazu sagen, dass wir entgegen einer Ländersicht, die besagt: „Es ist doch schön, dass alles, was mit Bildung zu tun hat, nunmehr in die Länderkompetenz gestellt wird“, als Liberale wünschen, dass eine Hochschulautonomie ins Grundgesetz geschrieben wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind der festen Überzeugung, dass so ähnlich wie die kommunale Selbstverwaltung in Art. 28 eine Norm ins Grundgesetz hineingehört, damit nicht wieder die Begehrlichkeiten kommen, dass auf einmal nicht die Bundesbildungsministerin – die ist,glaube ich,geschlechtlich so geblieben, wie sie vorher war, nur die Person ist ein bisschen geändert worden – –

(Allgemeine Heiterkeit)

Eine Dame ist einer Dame gefolgt, um es etwas einfacher auszudrücken, damit jeder weiß, was ich meine. Es war einfach unrund. Ich gebe es zu. Also: Frau Bulmahn war es bisher, und Frau Schavan ist es nun – jetzt habe ich meinen Fehler wieder gutgemacht.

(Beifall bei der FDP)

Es sollte nicht mehr von der Bundesseite versucht werden, in die Kompetenz einzugreifen; aber der eine oder andere Länderhochschulminister unterliegt künftig vielleicht der Gefahr,dass er eingreifen will.Wir glauben,eine Norm im Grundgesetz, in dem die Hochschulautonomie festgeschrieben wird, ist etwas sehr Wichtiges.

Einen dritten Punkt wollen wir ergänzen.Wir möchten als Liberale auf alle Fälle erreichen, dass die Einhaltung der Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages in das Grundgesetz hineinkommt.

(Beifall bei der FDP)

Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass wir uns über verfassungswidrige Haushalte auf Landes- oder Bundesebene unterhalten. Das ist noch eine Stufe mehr. Es muss eine Verantwortlichkeit des Bundes, aber natürlich auch der Länder geben, dass man im gemeinsamen Konzert die Stabilitätskriterien einhält. Diese sollten nach Auffassung der FDP im Grundgesetz verankert sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ansonsten darf ich für die FDP wiederholen, was in den Debatten der letzten Jahre Kollegin Wagner und ich immer wieder gesagt haben: Wir müssen wegkommen – wir kommen jetzt weg – von der kollektiven Unzuständigkeit. Wir müssen wegkommen von der Einheitlichkeit hin zum Wettbewerb. Das können wir jetzt zu einem großen Teil erreichen. Wir müssen erreichen, dass die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, wieder etwas klarer sehen, wer für etwas zuständig ist. Das wird mit diesem Kompromiss erreicht.Aber als zweite Stufe sind noch die Finanzverfassung, die Hochschulautonomie und die Stabilitätskriterien einzubinden.

Deshalb zum Schloss: Otto Graf Lambsdorff hat vollkommen Recht –

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Guter Mann!)

ich freue mich, dass sogar Edmund Stoiber dieses Wort übernommen hat, das adelt Otto Graf Lambsdorff fast –,

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

dass die Föderalismusreform Mutter aller Reformen ist. Sie ist auf alle Fälle jetzt die Mutter des Beginns der zweiten großen Koalition,die die Fehler der ersten großen Koalition ausbadet. Die FDP wird diesen Prozess konstruktiv begleiten, im Bundesrat unterstützen und ihm zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hahn. – Es spricht nun Herr Kollege Al-Wazir, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Thema rede, eine Anmerkung: Herr Ministerpräsident,es ist eine Stunde her,dass wir uns über die Frage unterhalten haben, wieso ein Minister in der Staatskanzlei für Bundesratsangelegenheiten zuständig ist. Ich finde, wenn es im Plenum eine Debatte gibt, die den Bundesratsminister zu interessieren hätte, dann wäre es diese.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich weiß nicht, was er macht.Aber man kann manche Gespräche auch verschieben.

Meine Damen und Herren, zur Sache.Wir haben im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf Bundesebene jetzt eine Föderalismusreform. Für diejenigen, die den Beginn dieser Debatte vor zweieinhalb Jahren im Konvent der Landtagsfraktionsvorsitzenden in Lübeck mitgemacht haben, mit Grußwort von Johannes Rau als Bundespräsident, und die wissen, was sich daraus entwickelt hat, ist das, worauf sich geeinigt wurde, in den meisten Fällen jedenfalls nicht neu. Ich möchte am Anfang sagen, was uns eint. Es gibt Punkte, die uns einen.

Der erste Punkt ist: Es ist völlig richtig, dass die Länder, und dort die Landesparlamente, auf der einen Seite und der Bund, der Bundestag, auf der anderen Seite in den Punkten selbst entscheiden können müssen, für die sie

selbst zuständig sind. Deswegen ist es völlig richtig, Kompetenzen zu entflechten, Entscheidungskompetenzen auf der jeweils einen Ebene in den Parlamenten zusammenzuführen und diese Mischzuständigkeiten möglichst abzubauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zweiter Punkt. Wenn man diese Zuständigkeiten entflechtet und den jeweiligen Ebenen diese Zuständigkeiten gibt, dann ist es aus meiner Sicht auch völlig richtig, dass dies dazu führt, dass die Landesparlamente, also die Landtage, gestärkt werden, weil sie diejenigen sind, die über die Gesetze bestimmen. Das ist auch aus unserer Sicht völlig richtig.

Es ist aus unserer Sicht auch völlig richtig – das ist einer der meistunterschätzten Punkte bei der Einigung zur Föderalismusreform –, dass die Länder die Organisationsund Personalhoheit über ihre Bediensteten bekommen, auch über ihre Landesbeamtinnen und Landesbeamten. Ich füge hinzu: Ein Punkt, der auf lange Sicht sehr spannend wird, ist die Tatsache, dass in dem Grundgesetzartikel, der die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums regelt, die Worte „und fortzuentwickeln“ eingefügt worden sind, weil uns das die Möglichkeit gibt, die Anforderungen an das Berufsbeamtentum endlich der heutigen Zeit anzupassen und zu modernen Regelungen zu kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

So weit, so gut. So weit, so richtig. Allerdings gibt es bei dieser Föderalismusreform auch Punkte, die aus unserer Sicht hoch problematisch sind. Da gibt es welche, die aus Sicht der Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker hoch problematisch sind, wie z. B. die Tatsache, dass der Strafvollzug jetzt Ländersache sein soll. Da sind viele von denen, die Rechtspolitik und Strafvollzugspolitik machen, auch auf Landesebene, sehr skeptisch.

Auch die Frage,die Herr Kollege Hahn angesprochen hat, mit der eigenständigen Ermittlungskompetenz des BKA ist aus unserer Sicht hoch problematisch, weil wir überall davon reden, dass wir Doppelzuständigkeiten abbauen wollen, und genau in diesem Bereich eine neue Doppelzuständigkeit einführen, nämlich dass jetzt nicht mehr entweder ein Landeskriminalamt oder ein Bundeskriminalamt, sondern im Zweifelsfall beide gleichzeitig am selben Punkt ermitteln. Ob das wirklich der Sache dient, daran machen wir ein großes Fragezeichen.