Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 11. November 2005 wird das Land berücksichtigen. Sie als Kritik – wie es gesagt worden ist – am hessischen Vorgehen zu deuten, ist aus einem schlichten Grund unsinnig. Der Wissenschaftsrat ist der Auffassung, dass mehr im Gesetz selbst geregelt werden sollte, während das Land die Auffassung vertreten hat, dass durch die jetzigen Bestimmungen der notwendige Rahmen zu gestalten ist, während die jeweilige Konkretisierung in den Vertragswerken niedergelegt werden soll.Nach dem alten Grundsatz „Pacta sunt servanda“ sieht die Landesregierung in den Vertragswerken keine weniger verlässlichen Absicherungen der Belange von Forschung und Lehre, insbesondere auch der Sicherung ihrer Freiheit, als durch gesetzliche Bestimmung.

(Nicola Beer (FDP): Das sieht das Bundesverfassungsgericht aber anders!)

Mit dem Wissenschaftsrat besteht in der eigentlichen Sache kein Dissens. Diejenigen Forderungen des Wissenschaftsrates, die nicht das Universitätsklinikengesetz, sondern die Vertragswerke betreffen, sind nach unserer Einschätzung in dem aktuellen Verhandlungsstand bereits berücksichtigt. Kurzum: Auch hier besteht aus unserer Sicht Anlass zu Optimismus.

(Nicola Beer (FDP): Das halte ich für eine gewagte Aussage!)

Meine Damen und Herren, in einer Frage waren allerdings die Gespräche mit dem Wissenschaftsrat durchaus schwierig, wie ich einräumen will, nämlich der der Mitwirkung – das wurde mehrfach angesprochen – der Dekane in der Geschäftsführung eines privatisierten Universitätsklinikums. Die Empfehlungen sehen als Alternative die gesetzliche Verankerung der stimmberechtigten Mitgliedschaft des Dekans in der Geschäftsführung oder eines wirkungsgleichen Mitwirkungsmechanismus vor.

Gegen eine gesetzliche Verankerung einer stimmberechtigten Mitgliedschaft haben wir grundsätzliche, auch gesellschaftsrechtlich begründete Bedenken erhoben, die wir nach wie vor für stichhaltig halten. Als Mitglied der Geschäftsführung wäre ein Dekan nach dem Gesellschaftsrecht voll zur Vertretung der wirtschaftlichen Belange des privaten Unternehmens verpflichtet. Er würde auch der gesellschaftsrechtlich üblichen Haftungsregelung unterliegen. Zugleich ist er als Dekan selbstverständlich verpflichtet, die Belange von Forschung und Lehre mit nicht weniger Konsequenz gegenüber dem privatisierten Universitätsklinikum zu vertreten. Der daraus resultierende Zwiespalt der Funktion, der sozusagen sachlogisch angelegte Interessenkonflikt in einer Person ist so offenkundig, dass wir der Meinung sind, dass es keinen wirklich überzeugenden Grund dafür gibt, eine volle stimmberechtigte Mitwirkung der Dekane in der Geschäftsführung vorzusehen.

(Michael Siebel (SPD): Das sieht der Wissenschaftsrat aber anders!)

Ich will hinzufügen: Die wesentlichen Leistungsbeziehungen zwischen Universitätsklinikum und Fachbereich bzw. Universität werden in dem Kooperationsvertrag nach § 15 Abs. 1 Universitätsklinikengesetz geregelt. Nach Lage der Dinge müsste die Unterschrift des Dekans dann auf beiden Seiten stehen, nämlich auf der Seite der Geschäfts

führung wie auch auf der Seite des Fachbereichs. Dies ergibt keinen Sinn und ist ordnungspolitisch ganz offensichtlich – zurückhaltend formuliert – außerordentlich problematisch. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass wir einen wirkungsgleichen Mechanismus schon jetzt im Universitätsklinikengesetz wie auch in den näher ausgestalteten Vertragswerken getroffen haben.

(Nicola Beer (FDP):Wo denn?)

Die Dekane werden in der Geschäftsführung beratend und mit Antragsrecht mitwirken.Sie erhalten alle zur Vertretung der Belange von Forschung und Lehre notwendigen Informationen. Sie können in jedem Stadium eines Verfahrens, mit dem sie nicht einverstanden sind, die Rechtsaufsicht des Landes anrufen. Sie wirken in der ständigen Kommission für Forschung und Lehre mit, einem Organ der Gesellschaft, in der alle im operativen Vorfeld auftretenden Probleme geklärt werden sollen. Gelingt dies nicht, entscheidet die Schlichtungskommission, wie sie in § 25a Abs. 4 Universitätsklinikengesetz vorgesehen ist.Ergänzende Regelungen gelten für die Besetzung klinischer Professuren und bei der Strukturplanung. Auch hier sind Verfahrensregelungen gefunden worden, die den wirtschaftlichen Belangen eines privat betriebenen Universitätsklinikums ebenso Rechnung tragen wie den Belangen von Forschung und Lehre, vor allem der Gewährleistung ihrer Freiheit.

(Zuruf des Abg. Michael Siebel (SPD))

Wir sind der Überzeugung, dass wir mit diesem Zusammenwirken der verschieden gestuften Mitwirkungsund Konfliktregelungsmechanismen ein außerordentlich effizientes und effektives Instrumentarium geschaffen haben, das den Forderungen des Wissenschaftsrates gerecht wird. Verehrte Kollegin Beer, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Ich werde mir anschauen und die CDU wird sich genau anschauen, wie konkret Ihre Änderungsvorschläge sind. Ich fände es sehr charmant, wenn wir nach den Anfängen einer wirklich deutlichen Kritik an dem grundsätzlichen Vorhaben

(Nicola Beer (FDP): Aber bei uns doch nicht! Das war das dilettantische Vorgehen der Landesregierung!)

einen Weg finden könnten, Sie mitzunehmen. Das muss man sehen.

(Nicola Beer (FDP): Das ist jetzt die Höhe!)

Was den Zeitplan anbetrifft,liegen wir absolut richtig.Die Menschen in Mittelhessen wollen wissen, woran sie sind. Ich glaube, mit diesem Zeitplan – so habe ich es jedenfalls in den langen Wochen und Monaten unter Beweis gestellt – sind wir auf der richtigen Seite.

Meine Damen und Herren,lassen Sie mich zum Abschluss noch einige Anmerkungen zu den vielfach geäußerten Befürchtungen machen, dass durch die Privatisierung die Qualität der Krankenversorgung Schaden nehme. Das Land erwartet, dass der strategische Partner eine Krankenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau sicherstellt. Befürchtungen, dass durch die Privatisierung die Qualität der Krankenversorgung gefährdet sei, teilt die Landesregierung nicht. Viele Krankenhäuser, die früher in öffentlicher – in der Regel kommunaler – Verantwortung standen, sind bereits von privaten Trägern übernommen worden und leisten eine allseits anerkannte qualitätsvolle Krankenversorgung.

Das Land wird sich für einen strategischen Partner entscheiden, der schon bisher hervorragende Leistungen in der Krankenversorgung aufweisen kann und dies durch ein entsprechendes Qualitätsmanagement sicherstellt. Am Ende ist die erfolgreiche Privatisierung in Gießen und Marburg eine große Chance für die Hochschulmedizin in Hessen. Sie wird bundesweit ausstrahlen. Die dabei entwickelten Grundsätze und Verfahrensregelungen werden die Maßstäbe für weitere Privatisierungen von Universitätskliniken in der Bundesrepublik sein.

Vielleicht noch einen Satz zum Abschluss, weil ich Herrn Dr. Spies nicht angesprochen hatte. Herr Spies, Sie haben gesagt, Sie werden im Prinzip ablehnen, aber Sie wollten doch noch den einen oder anderen Änderungsvorschlag machen. Ich denke, Sie sollten vorher sagen: Wenn dieser oder jener Änderungsvorschlag durchkommt, dann stimmt die SPD-Fraktion einer Privatisierung zu. – Das wäre sauber und redlich.Wenn Sie aber nur das eine oder andere bemäkeln und bemängeln, dann aber sagen: „Wir stimmen am Ende doch nicht zu, weil wir eine solche Privatisierung grundsätzlich für falsch halten“, dann brauchen Sie auch keine Änderungsvorschläge zu machen.

(Michael Siebel (SPD): Wenn Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen, stimmen wir auch zu!)

Das sollten Sie vorher ganz deutlich der Öffentlichkeit und dem Parlament sagen: Ja, wir wollen privatisieren, wenn diese oder jene Änderung kommt. – Bei der FDP sehe ich klar, dass wir einen Weg finden werden. Bei den GRÜNEN wissen wir, dass die Zukunft hinter ihnen liegt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abg. Dr. Spies.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Minister, nach einer so direkten Aufforderung will ich es mir doch nicht nehmen lassen. Ich kann an der Stelle noch nicht für meine Fraktion sprechen, weil wir das in dieser Form unter uns noch nicht geklärt haben. Allerdings kann ich mir persönlich Konstellationen und Kriterien vorstellen, nach denen einem Gesetzentwurf wie der Novelle zum Universitätsklinikengesetz zugestimmt werden könnte. Ich fürchte allerdings, dass diese Kriterien seitens der Landesregierung und der CDU keinesfalls erfüllt werden. Welche Kriterien das sind, welche Merkmale wir für erforderlich halten, das haben wir in einer langen Reihe von Landtagsdebatten hinreichend deutlich gemacht.

(Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Herr Minister, ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Die Kritik an der Qualität privatisierter Krankenhäuser macht sich nicht an der Rechtsform fest, sondern an der Frage der Gewinnorientierung. Da sehe ich große Kompromissfähigkeiten auf unserer Seite. Ich fürchte allerdings, dass das mit den Plänen der Landesregierung, die sie vorgestellt hat, nicht vereinbar ist.

Deshalb dürfen Sie versichert sein, weil Sie dazu aufgefordert haben: Sollten sich die Landesregierung und die Mehrheit in diesem Hause tatsächlich bereit finden, an den Stellen, an denen das Gesetz wenig sinnvoll ist, sich Verbesserungsvorschlägen der SPD-Fraktion zu öffnen, wird man auch über so etwas nachdenken können. Ich bin allerdings der festen Überzeugung,dass nach dem,wie das Verfahren seither gelaufen ist, die Ankündigung, an der Stelle offen sein zu wollen, allenfalls eine rhetorische seitens der Landesregierung ist; denn die Möglichkeit, darüber zu reden, wie man die Entwicklung der Universitätskliniken in Mittelhessen sinnvoll, vernünftig und zielführend nach all den Kriterien, die die Landesregierung immer wieder behauptet hat, gestalten könnte – die Angebote waren Legion –, war leider bislang nicht vorhanden. Herr Minister,deshalb habe ich leider nicht die Hoffnung, dass gute Vorschläge der SPD-Fraktion bei dieser Landesregierung auf angemessene Wahrnehmung stoßen würden. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist dritte Lesung beantragt. Damit überweisen wir diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der dritten Lesung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst.– Dem wird nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 51 auf:

Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu Petitionen – Drucks. 16/4594 –

Können wir kompakt abstimmen? – Dann tun wir das. Wer dafür ist, diese Beschlussempfehlungen so anzunehmen, bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit sind diese Empfehlungen beschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sitzung ist für heute beendet.Wir treffen uns morgen früh um 9 Uhr. Ich wünsche einen schönen Abend.

(Schluss: 18.10 Uhr)