Protokoll der Sitzung vom 23.11.2005

Unser Änderungsantrag wurde noch vor einigen Wochen abgelehnt. Inzwischen haben Sie es endlich begriffen, Herr Minister, und Ihre isolierte Wettbewerbspraxis in Hessen gestoppt. Kein Wunder, denn inzwischen liegt der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vor. Er sieht zusätzlich zum Ausschreibungswettbewerb die von uns geforderte Direktvergabe in Form der so genannten Inhouse-Vergabe vor. Damit lässt die Kommission unter bestimmten Bedingungen die Direktvergabe in Gebietskörperschaften zu. Das heißt, sie haben die freie Wahl.

Frau Pfaff, Sie müssen zum Ende kommen.

Ich komme gleich zum Ende, Frau Präsidentin. – Diese freie Wahl war eine zentrale Forderung unseres Antrags. Wir stellen an dieser Stelle fest: Der bundesweite Alleingang der Landesregierung ist gescheitert.Bevor die EU es zur Rechtsnorm macht, rudern Sie zurück. Sie haben die Änderung Ihres Erlasses angekündigt, und Sie werden insbesondere künftig die Direktvergabe so zulassen, wie wir dies seit Monaten fordern.

Frau Pfaff, Sie müssen wirklich zum Ende kommen. Sie haben die Redezeit schon überschritten.

Nur einen Satz, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, gleichwohl sind unsere Forderungen nicht in vollem Umfang erfüllt. Den Arbeitsentwurf haben wir. Dankenswerterweise haben Sie ihn uns zur Verfügung gestellt. Wir bleiben bei unserer Ablehnung. Ich habe dies auch in der zweiten Lesung hier im Plenum begründet. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU hat Herr Dr. Lübcke das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Pfaff, ich habe von Ihnen heute Morgen nichts anderes erwartet.

(Reinhard Kahl (SPD):Sie hat doch eine gute Rede gehalten!)

Ich bin der Meinung, dass Sie viele Sachen nicht zur Kenntnis genommen haben. Ich möchte für die CDUFraktion feststellen, dass der öffentliche Personennahverkehr für unser Bundesland Hessen außerordentlich wichtig ist. Gerade in unserer ländlich strukturierten Gegend müssen wir den Verkehr aufrechterhalten können.

(Reinhard Kahl (SPD): Stimmt! Ihr müsst es nur richtig machen!)

Ich will dem Ministerium Dank sagen, dass wir dank des Ausschreibungswettbewerbs viele Buslinien gerade in der Fläche erhalten können und die notwendige Mobilität für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Hessen gewährleisten.

Die SPD hatte im Ausschuss vorgetragen, dass dank ihrer Initiative der Erlass im Ministerium geändert wurde. Herr Posch, ich glaube, das war Ihre Anregung. Man sollte hier das Urheberrecht wahren. Wir haben auch intensiv mit den Verbänden gesprochen. Wir haben im Gesetzgebungsverfahren die entsprechenden Interessenvertreter intensiv angehört. Ich bin dem Ministerium dankbar, dass wir noch einen Kompromiss gefunden haben. Dafür sind Anhörungen da. Es zeichnet sich auch im Erlass ab, dass hier eine große Mittelstandsfreundlichkeit geschaffen wurde.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt erzählen Sie aber schon Märchen! – Hildegard Pfaff (SPD): Das ist doch nicht wahr! – Silke Tesch (SPD):Walter, komm doch mal nach Marburg-Biedenkopf!)

Frau Pfaff hat eben Ausführungen gemacht, ohne den uns vorliegenden Erlassentwurf, wie er von Herrn Posch eingefordert wurde, in ihre Rede einzubeziehen. Wenn man sich diesen neuen Erlass anschaut, dann sieht man, dass wir viele Punkte umgesetzt haben und dass mittelstandsfreundlich gehandelt werden kann.

Mich hat schon etwas gewundert. Wir haben heute die dritte Lesung im Gesetzgebungsverfahren. Aber es sind keine neuen Anregungen von Ihnen gekommen, Frau Pfaff. Es sind keine neuen Anregungen und Hinweise gekommen.

(Reinhard Kahl (SPD):Wollen Sie welche hören? – Hildegard Pfaff (SPD): Ist die Änderung des Erlasses kein neuer Sachverhalt?)

Gut, die dritte Lesung können Sie beantragen. Insofern möchte ich an dieser Stelle auf meine Reden in der zweiten Lesung und der ersten Lesung hinweisen. Ich möchte außerdem auf Frau Rottmann hinweisen, die früher bei den GRÜNEN in Frankfurt gearbeitet hat. Frau Pfaff, ich empfehle es immer wieder: Lesen Sie durch, was sie in der Zeitschrift „Infrastruktur und Recht“ zur marktorientierten Direktvergabe aus juristischer Sicht dargestellt hat.

(Hildegard Pfaff (SPD): In München wird sie praktiziert, Herr Kollege!)

Sie haben zum EU-Erlass vorgetragen, dass dadurch Inhouse-Geschäfte möglich sind. Ich sage einmal, gerade in meiner Heimatregion in Kassel werden die Hürden schwer umzusetzen sein, die die Europäische Union aufgebaut hat. Es gibt vielleicht einen Landkreis in Hessen, der das machen könnte. Aber die Stadt Kassel wird sicherlich keine Inhouse-Geschäfte machen. Ich gebe hier als Landespolitiker auch eine Empfehlung an Kommunalpolitiker.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

So ist das in Kassel. Die versprechen etwas, gewinnen die Wahl, und nachher halten sie es nicht. Wir machen es anders.Was wir vorher versprechen, das halten wir.

(Heiterkeit)

Ich möchte sagen, dass die Kommunalpolitiker gut beraten sind, wenn sie in ihren Kommunen in die Ausschreibung gehen

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

und keinen Verschiebebahnhof bei den Verkehrsbetrieben machen. Klarheit und Wahrheit im Haushaltsrecht heißt – –

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Au wei! Das sollten Sie als CDUMann nicht in den Mund nehmen! Wahrheit und Klarheit beim Haushalt finden wir seit Jahren bei Ihnen nicht mehr!)

Herr Kaufmann,ich empfehle Ihnen,dass Sie unsere Sachen intensiv durchlesen. Wahrheit und Klarheit sind bei uns vorhanden. Herr Kaufmann, was mir bei den GRÜNEN etwas Leid tut – ich habe mit Mathias Wagner lange darüber gesprochen –, bezieht sich auf die Kundenrechte, die Sie einfordern. Wir als Christdemokraten bieten Wahrheit und Klarheit. Wir wollen eine wirtschaftsfreundliche Struktur im öffentlichen Personennahverkehr. Man muss nicht alles vorschreiben. Die Kundenrechte werden beim RMV und beim NVV schon in gewissen Bereichen gestärkt. Wenn der NVV eine Verspätung hat und Sie den Anschlusszug nicht kriegen, dann bezahlt er ein Taxi, oder Sie bekommen eine entsprechende Vergütung.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kaufmann, ich glaube, wir sollten keine übermäßige Regulierung einführen.Aber das wollen Sie doch. Sie haben eine regelrechte Regulierungswut. Die treibt Sie regelrecht ans Pult. Wir sollten nicht alles überregulieren, sondern wir sollten den Verbünden und den Leistungserbringern einen Gestaltungsspielraum lassen, sodass sie wirtschaftlich handeln können.Ich glaube,das ist der richtige Weg. Wir müssen uns bei den Verbünden und den Leistungserbringern bedanken, dass sie entsprechende Wege ohne eine gesetzliche Normierung gehen, wie Sie das immer wollen, Herr Kaufmann. Sie wollen alles kodifizieren und festschreiben.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erzählen Sie nicht so einen Unfug!)

Sie wollen die Bürger in ein Korsett von Unfreiheiten einschnüren, und wir wollen Freiheit in Hessen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Freiheit statt Sozialismus?)

Ja, Freiheit statt Sozialismus, das ist das richtige Wort. – In diesem Sinne bitte ich auch Sie, Frau Pfaff, noch einmal über Ihre Ablehnung nachzudenken. Vielleicht sehen Sie eine Chance, doch noch zuzustimmen und einem modernen Gesetz auf den Weg zu helfen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Nächster Redner ist Herr Posch für die FDP.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind heute in der dritten Lesung. Im Prinzip sind die Argumente ausgetauscht. Lassen Sie mich für die FDP-Fraktion einige Punkte noch einmal in den Mittelpunkt stellen.

Aus den beiden Diskussionsbeiträgen eben ist schon hervorgegangen, dass wir es mit einem Umstrukturierungsprozess zu tun haben, weg von einem öffentlichen Personennahverkehr, der überwiegend von Subventionen gelebt hat, hin zu einem marktwirtschaftlich orientierten Personennahverkehr. Diese Umstrukturierungsprozesse sind nicht leicht zu gestalten, weil natürlich insbesondere mittelständische Unternehmen, die in der Vergangenheit häufig lediglich als Subunternehmer anderer Einheiten tätig waren, von einem solchen Strukturwandel in besonderer Weise betroffen sind.

Lassen Sie mich allerdings für die FDP-Fraktion feststellen: Zum Wettbewerb im öffentlichen Personennahverkehr gibt es keine Alternative.

(Beifall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Denn das, was in der Vergangenheit galt, ist in diesem Umfang nicht mehr aufrechtzuerhalten. Deswegen wird die FDP-Fraktion bereits aus diesem Grund den Gesetzentwurf unterstützen und ihm ihre Zustimmung geben, weil damit der Weg, der in der vergangenen Legislaturperiode eingeschlagen worden ist, konsequent fortgesetzt wird.

Ein zweiter Punkt,den ich ansprechen will.Auch wenn die Einführung des Wettbewerbs nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs ist – Frau Pfaff, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen und die europäische Richtlinie angesprochen –, werden in diesem Gesetzentwurf natürlich insoweit schon grundlegende Weichenstellungen getroffen,als das Prinzip von Besteller und Ersteller dort seinen Niederschlag findet.Damit findet eine Trennung zwischen demjenigen statt, der eine bestimmte Leistung erstellt, und demjenigen, der sie bestellt und dementsprechend annimmt. Dieses Prinzip war in der Vergangenheit letztendlich nicht streitig zwischen den Fraktionen im Hessischen Landtag. Es war der Weg, behutsam den Einstieg in den Wettbewerb zu gewährleisten.

Da ist völlig richtig, was Herr Kollege Dr. Lübcke sagt: Wenn manche Kommune sich jetzt beschwert, dann ist sie dazu keineswegs berechtigt; denn die Einführung des Ersteller-Besteller-Prinzips war der Weg dorthin. Wenn wir jetzt mit einigen städtischen Verkehrsbetrieben Probleme haben, dann werden wir sehr wohl die Frage stellen müssen, warum sie sich nicht beizeiten auf die veränderte Situation eingestellt haben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der FDP)

In den letzten Jahren ist dieser Einstieg in den Wettbewerb sehr behutsam angegangen worden. Ich finde es etwas polemisch, dann zu sagen, wir hätten eine einmalige Stellung in der Bundesrepublik Deutschland, und in allen anderen Ländern gehe es besser. – Dieser Weg, der in Hessen eingeschlagen wurde, wird auch in anderen Ländern folgen, wenn auch etwas später.Aber wenn man später folgt, wird das größere negative Auswirkungen haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, deswegen ist das der völlig richtige Weg. Er bedeutet, im öffentlichen Personennahverkehr Abschied zu nehmen von politischen Entscheidungen, von politischen Bestellungen. Wir müssen hinkommen zu einer betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise im öffentlichen Personennahverkehr.

Ich habe gesagt, dass das für zwei Bereiche problematisch ist, zum einen für die kommunalen Betriebe. Aber dazu habe ich schon gesagt, sie haben Zeit, sich darauf einzustellen. Zweitens gilt das für die mittelständischen Unternehmen,von denen wir sehr viel verlangen,beispielsweise dass sie zusammenarbeiten und in Kooperationen Angebote abgeben. Die Entwicklung zeigt, dass diese mittelständischen Unternehmen sehr wohl wettbewerbsfähig sind, wenn das geschieht. Sie können dann gegenüber den Angeboten der bisherigen Stadtwerke mithalten.

Das bedeutet allerdings, dass wir auf die Probleme dieser mittelständischen Unternehmen Rücksicht nehmen müssen.Das war der Grund,warum wir – Herr Dr.Lübcke,Sie haben es angesprochen – einen Begleitantrag eingebracht haben und damit gebeten haben, die Richtlinien und den Erlass entsprechend den Wünschen der Omnibusunternehmen zu gestalten.