Sie reden über Bürgerinteressen. Herr Al-Wazir ist gerade nicht hier, aber er hatte ja das Vergnügen, mit mir in der Debatte in Mittelhessen zu sein, als es um die Anliegerinteressen der A 49 ging. Es gibt eben nicht nur die Interessen, die Sie lautstark einfordern, sondern es gibt auch Interessen von Menschen, die Arbeit suchen, die Verkehrsanbindung und Verkehrserschließung suchen.
Deren Interessen nehmen wir gleichermaßen wahr wie die Interessen derjenigen, die Sie häufiger vertreten, deren Interessen wir aber genauso wenig gering schätzen, weil sie zu einer komplexen und in vielen Teilen heterogenen Gesellschaft und Diskussionskultur gehören.
Es ist unlauter, Herr Wagner, an dieser Stelle zu polarisieren und demjenigen, der dort Beschränkungen will, vorzuwerfen, dass er etwas völlig abschaffen will. Das versuchen Sie halt immer wieder. In dieser Hinsicht kommen wir eben an vielen Stellen nicht weiter.
Ich will zu Herrn Posch noch zwei Sätze sagen. Herr Posch, die Expertenkommission – ich habe es schon gesagt – hat aus meiner Sicht in vielen Details wertvolle Vorlagen geliefert. Wir haben in einem Artikelgesetzentwurf auch einmal aufgelistet, an wie vielen Stellen wir als Gesetzgeber oder auf welchen anderen Ebenen wir aktiv werden müssen.
Das alles sind, so finde ich, zunächst einmal wichtige Punkte, über die man jetzt wird diskutieren müssen. Ich will noch einmal sagen: Eine solche Expertenkommission ist mit dem Tag der Abgabe eines solchen Papiers nicht fertig.
Es ist ja schon angedeutet worden, dass es am Ende hier nicht nur um Straßenverkehr geht, sondern genauso um die von Ihnen und von uns allen so geliebten Schienenverkehrswege und anderes mehr. Wir sind weit weg davon,nur in eine Richtung Politik zu machen.Wir umfassen mit dem, was wir vorhaben, alle Verkehrsträger.
Wir wissen doch,nachdem wir weltweit erkennen müssen, dass nicht immer nur der Bessere, sondern häufig eben der Schnellere gewinnt, dass wir in diesen Fragen erheblich und deutlich werden zulegen müssen.
Ich stelle noch einmal für das Protokoll fest, dass die Dringlichkeit des Dringlichen Entschließungsantrages der Fraktion der SPD, Drucks. 16/4697, bejaht ist und dass dies der Tagesordnungspunkt 73 geworden ist. Ich stelle dann fest, dass es Einigkeit gibt, dass wir die vier Anträge Drucks. 16/4651, 16/4687, 16/4696 und den eben zitierten Tagesordnungspunkt 73, das ist Drucks. 16/4697, an den Wirtschaftsausschuss überweisen. – Ich sehe, es gibt keinen Widerspruch. Dann wird das so gemacht.
Meine Damen und Herren, wir behandeln jetzt noch den Tagesordnungspunkt 14, die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und machen im Anschluss noch das, was gemacht werden muss, damit wir hier einigermaßen vernünftig vorankommen.
Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Gesundheit von Kindern in Hessen – Drucks. 16/4145 zu Drucks. 16/2241 –
Vereinbarte Redezeit sind zehn Minuten je Fraktion. Das Wort hat die Frau Kollegin Schulz-Asche, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir die Gesundheitssituation von Kindern in Deutschland betrachten,dann müssen wir feststellen,dass sich in den letzten 20 bis 30 Jahren eine erhebliche Verschiebung der Krankheitsbilder ereignet hat. Die Kinder heute leiden weniger an Keuchhusten, glücklicherweise auch nicht mehr an Kinderlähmung, an Scharlach und anderen Kinderkrankheiten, sondern wir haben inzwischen ein verändertes Krankheitsbild, bei dem Gesundheitsstörungen im Vordergrund stehen, die sich als wesentliche Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer Krankheiten darstellen.Wir haben enorm steigende Zahlen von Allergien, wir haben enorme Anstiege bei den Maßnahmen der Frühförderung, und wir haben erhebliche Folgen falscher Ernährung und des Bewegungsmangels.
Meine Damen und Herren, die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Sie liegen in den Familien, in den Lebenssituationen, in den Lebensgewohnheiten, und deswegen ist für uns Gesundheitspolitik für Kinder auch Familienpolitik.Aber darauf komme ich noch zurück.
Das Hauptproblem, das wir aktuell haben – deswegen haben wir diese Große Anfrage auch gestellt –,ist,dass praktisch unser gesamtes Gesundheitssystem überhaupt nicht auf diese veränderte Gesundheitssituation, Krankheitssituation, die veränderten Krankheitsbilder von Kindern eingestellt ist. Wir haben die klassischen Versorgungssysteme, die wir schon immer hatten, haben aber erhebliche Veränderungen bei den Kindern. Von daher ist, so denke ich, auch die Frage berechtigt, inwieweit die Landesregierung und die verschiedenen Strukturen tatsächlich zur Verbesserung der Situation der Kinder in Hessen beitragen.
Meine Damen und Herren, deswegen danke ich ausdrücklich der Landesregierung, nicht nur für die Ankündigung, noch einen eigenständigen Bericht zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Hessen vorzulegen. Ich vermute, dass die Beantwortung unserer Großen Anfrage wesentlich dazu beigetragen hat, dass entsprechendes Datenmaterial jetzt vorhanden ist.
Ich danke auch dafür, dass in vielen Fragen sehr ernsthaft versucht wurde, aktuelle Konzepte des Umgangs mit verschiedenen Krankheitsbildern, aber auch mit verschiedenen Versorgungssystemen anzugehen. Es war zum Teil sehr interessant. Allein für die Tatsache, dass man sich im Ministerium mit solchen strukturellen und medizinischen Fragen befasst und sie auch darstellt, möchte ich mich auch ausdrücklich bedanken.
Nun zur inhaltlichen Bewertung der dargestellten Antworten. Wie gesagt, ich bin nicht der Meinung, dass die Landesregierung hier besonders hinterherhinkt. Es ist insgesamt in Deutschland ein Thema, das zu wenig aufgegriffen wird. Ich hoffe, dass sich die anderen Parteien ebenfalls in der Lage sehen, sich ernsthaft mit diesem Thema auseinander zu setzen.
Wir haben zuerst festzustellen, dass wir eine katastrophale Datenlage haben – und das, obwohl wir eine Unmenge von Daten erheben. Wir haben U-1- bis U-9Untersuchungen.Wir haben die verschiedensten Untersuchungen, also wirklich Unmengen von Daten. Aber die Auswertung dieser Daten erfolgt im Prinzip individuell. Sie werden auf keiner Ebene generiert, um Aussagen darüber zu erhalten, welche ergänzenden gesundheitsfördernden oder präventiven Leistungen erbracht werden müssten.
Ich denke, das ist ein grundsätzliches Problem unseres Gesundheitswesens, und das stellt sich auch nach der Beantwortung der Großen Anfrage dar.
Wir haben durch die Vielfalt und auch Beliebigkeit von Angeboten kaum eine Übersicht, was tatsächlich in einzelnen Bereichen vorhanden ist, noch haben wir eine qualitative Wertung dessen, was angeboten wird.
An dem folgenden Punkt möchte ich auch zumindest die Landesregierung auffordern, bevor sie diesen Bericht zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Hessen ausarbeitet, sich noch einmal Gedanken zu machen, welche Konzepte sich aus bestimmten Erkenntnissen ergeben. Es gibt, wie gesagt, für verschiedene Bereiche keine Konzepte. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen.
heißt beim Aufmerksamkeitsdefizit und bei hyperkinetischen Störungen, dem so genannten Zappelphilipp. Wir haben in diesem ganzen Bereich Zuwachsraten von bis zu 50 %, Kinder, die zusätzlich mit Psychopharmaka behandelt werden.
Meine Damen und Herren, dies ist eine ganz zentrale Frage: Wie geht eine Gesellschaft mit der Entwicklung von Kindern und auch mit bestimmten Notlagen von Familien um, die mit Kindern überfordert sind, die sich dementsprechend verhalten? Diese Kinder kommen in unser Gesundheitssystem, und dann passiert das Klassische,was in unserem Gesundheitssystem passiert:Sie werden mit Medikamenten behandelt, aber die Frage, was man statt dieser medikamentösen Behandlung machen könnte, wird nicht weiter verfolgt, und dafür gibt es in diesem System auch keine Berücksichtigung.
Das kann ich vielleicht noch dazu sagen: Wir haben hier eine Konzentration auf die Gruppe von sieben- bis dreizehnjährigen Jungen, bei denen diese medikamentöse Behandlung vor allem einsetzt. Ich denke, dass es tatsächlich eine grundsätzliche Frage der Gesellschaft ist, ob sie Verhaltensweisen von Kindern wirklich pathologisieren und mit Medikamenten behandeln will oder ob sie sich hinsichtlich anderer Strukturen Fragen stellt.
Es ist tatsächlich so, dass die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage ausführlich verschiedene Wissenschaftler zitiert, die eigentlich eine gute Antwort auf die Frage geben, was notwendig wäre. Sie betonen insbesondere die Leistungen, die im Rahmen der Beratung und Unterstützung von Familien angeboten werden müssen. Es wird auch die Vielzahl von Selbsthilfegruppen in diesem Bereich erwähnt.
Am Ende der Beantwortung fehlt aber eine klare Aussage, welche Möglichkeiten seitens der Landesregierung und der politisch Verantwortlichen in diesem Land gesehen werden, mit diesem Problem umzugehen und entsprechende Strukturen aufzubauen.
Wir werden noch öfter über die präventiven Förderungen im Bereich der Familienbildung und Erziehungsberatung diskutieren, die im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ gestrichen wurden.Sie wurden zu einem Zeitpunkt gestrichen, als sie gerade in der Familienberatung strukturell sehr sinnvoll hätten eingesetzt werden können und zu erheblichen Kosteneinsparungen dadurch geführt hätten, dass wir viele Zappelphilipps in dieser Gesellschaft nicht mehr medikamentieren müssten.
Ich möchte ganz kurz einen zweiten Punkt ansprechen. Wir haben einen relativ schlechten Überblick über das, was den Eltern vor, während und nach der Geburt tatsächlich angeboten wird, und zwar nicht nur im klassischen Gesundheitssystem, sondern auch an Familien begleitenden Leistungen. Wir wissen, dass es gerade in den ersten Tagen nach der Geburt eine ganze Reihe von Bedürfnissen junger Mütter,aber auch junger Väter gibt.Wir haben in unserer Fraktion ein aktuelles Beispiel dafür.Ich denke, ist es unsere Aufgabe, darüber nachzudenken, welche Leistungen seitens der Kassen oder seitens des Landes angeboten werden können,um die Familien gerade im Umfeld einer Geburt stärker zu unterstützen, und zwar
Sie haben sehr ausführlich über Maßnahme der Prävention und der Gesundheitsförderung im schulischen Bereich gesprochen. Ich denke, in allen Antworten zum Komplex II – Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen – wird deutlich, dass es überhaupt kein Konzept für die Kinder gibt, die noch nicht in der Schule sind. Das heißt, die gesamte Altersgruppe zwischen null und sechs Jahren ist von den Überlegungen weitgehend ausgeschlossen. Ich denke, dass es deshalb darauf ankommt, auf den Komplex „Frühkindliche Gesundheitsförderung“ – vielleicht auch in Bezug auf den Erziehungs- und Bildungsplan – noch stärkeres Augenmerk zu richten. Wir wissen nämlich,dass sich die meisten Gesundheitsschäden und -störungen nicht erst ab dem sechsten Lebensjahr entwickeln, sondern bei den meisten Kindern schon weit davor entstehen. Deshalb geht es darum, dass Sie auch an den Kindergärten neue Kooperationsformen einrichten, Frau Lautenschläger.
Wir haben außerdem Probleme bei der flächendeckenden Kooperation zwischen den Schulen und dem außerschulischen Bereich. Dazu gehören z. B. die Sportvereine. Es gibt zwar sehr viele Initiativen, aber ich denke, dass wir im Interesse einer umfassenden Gesundheitsförderung zu flächendeckenden Kooperationsformen von Sportvereinen und Schulen kommen müssen.
Ich möchte einen grundsätzlichen Punkt ansprechen, der nicht landespolitisch, sondern bundespolitisch bedingt ist. Das möchte ich der großen Koalition in Berlin gerne mit auf den Weg geben.
Frau Kollegin, denken Sie aber daran, dass die Redezeit langsam zu Ende geht, um es vorsichtig auszudrücken.
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage zeigt uns, dass es eine Vielzahl von Initiativen gibt, die in Kooperation von gesetzlichen Krankenkassen, örtlichen Trägern, Kommunen usw. durchgeführt werden.