Meine Damen und Herren, die Große Anfrage zeigt uns, dass es eine Vielzahl von Initiativen gibt, die in Kooperation von gesetzlichen Krankenkassen, örtlichen Trägern, Kommunen usw. durchgeführt werden.
Ich möchte abschließend ganz ernsthaft die Frage stellen, aus welchem Grund die Mitglieder privater Kassen an diesen Maßnahmen finanziell nicht beteiligt werden. Warum werden die privaten Kassen eigentlich nicht in die Finanzierung von Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung von Kindern einbezogen? Diese Frage ist
meiner Meinung nach berechtigt. Sie wissen, dass wir für eine Bürgerversicherung eintreten. Ich denke, dass wir es gerade bei der Gesundheit unserer Kindern mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu tun haben.Deshalb bin ich der Meinung, dass es keinen einzigen vernünftigen Grund geben kann, dass sich die privaten Kassen aus der Finanzierung solcher Leistungen heraushalten, warum Gesundheitsförderung und Gesundheitsprävention bei Kindern einzig und allein von den Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden und damit Leistungen für die bei den Privatkassen Versicherten auf diese Weise subventioniert werden. Damit muss Schluss sein. Es handelt sich nämlich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Schulz-Asche, für eine Diskussion über das Thema Bürgerversicherung – oder über eine solidarische Gesundheitsprämie, diesen Ausdruck finden wir besser – ist heute leider weder die Zeit noch der Ort.Wir sollten über dieses Thema aber an anderer Stelle weiterhin diskutieren.
Das Thema Gesundheit von Kindern findet seit geraumer Zeit sowohl fachlich als auch politisch eine wachsende Aufmerksamkeit. Nach der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder als Menschenrecht einen Anspruch auf ein Höchstmaß an Gesundheit. Wachsende Aufmerksamkeit liegt auf dem demographischen Wandel, der für Deutschland im europäischen Vergleich die geringste Geburtenziffer verzeichnet. In Deutschland werden immer weniger Kinder geboren.
Gesundheit bedeutet nicht nur das Freisein von Krankheit, sondern es ist positiv als Zustand von Wohlbefinden und physischer sowie psychischer Aktionsfähigkeit und Vitalität zu definieren. Wir brauchen somit ein Gesundheitsverständnis, das neben medizinisch-biologischen Aspekten auch psychische, soziale und ökologische Gesichtspunkte einbezieht.
Damit ist bereits angedeutet, dass die Sicherung der Gesundheitsbelange von Kindern nicht nur eine Aufgabe medizinischer Versorgung und Rehabilitation ist, sondern zunehmend als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe gesehen werden muss – mit vielfältiger Verantwortung all derer, die in gesundheitsrelevanten Lebenslagen auf die Verstärkung der Gesundheitsressourcen, auf die Förderung von Gesundheitskompetenz und auf eine gesundheitsfördernde Kultur maßgebenden Einfluss haben.
Die Palette von Fragen zu Vorsorge, Geburt,Wochenbettbetreuung, zum Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen, zu Ernährungsproblemen und Bewegungsmangel,Allergien und chronischen Krankheiten, Suchterkrankungen und ihrer Vorbeugung bis hin zu psychischen Erkrankungen zeigt, welch breites Feld sich bei dem Thema „Gesundheit von Kindern“ auftut.
Ich habe eben auf den demographischen Wandel hingewiesen, der auch vor der Krankenhausplanung nicht Halt macht. Frauenheilkunde und Geburtshilfe bilden das viertgrößte medizinische Fachgebiet. Aufgrund des Geburtenrückgangs haben wir es hier logischerweise mit einem Teilzahlenrückgang zu tun.
Bei dem Themenkomplex „Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen“ wird deutlich, dass in Hessen ein umfangreiches System früher Hilfen für Kinder existiert, die behindert oder von Behinderung bedroht sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Hörscreening eingehen, das zwar noch nicht an allen hessischen Einrichtungen durchgeführt wird; von den insgesamt 109 hessischen Geburtskliniken und neonatologischen Abteilungen in Kliniken beteiligt sich aber inzwischen etwa ein Drittel am regelmäßigen Hörscreening bei Neugeborenen. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich 1 bis 2 Promille der Kinder mit einem permanenten, bilateralen behandlungsbedürftigen Hörschaden geboren werden, erkennt man: Je früher solch ein Hörschaden behandelt wird, umso geringer sind die Störungen bei der Sprachentwicklung,beim Hören und bei der sozialen Entwicklung des betroffenen Kindes.
Ab dem Jahre 2000 hat das Land für das Hörscreening mehr als 400.000 c aufgewendet. Die frühzeitig eingeleitete Behandlung von Hörstörungen bei Neugeborenen ist ein gesundheits- und sozialpolitisches Ziel hoher Priorität.
Einer der Schwerpunkte der Hessischen Landesregierung im Gesundheitswesen ist die Gesundheitserziehung ab dem frühen Kindesalter, die auch in die Lehrpläne der Grundschulen integriert werden soll.Als Beispiel darf ich die umfassende Suchtprävention oder die Förderung des Schul- und Breitensports nennen.
Der Gesundheitsbericht des Bundes mit dem Titel „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ aus dem Jahre 2004 besagt, dass – je nach Definition – 10 bis 20 % aller Schulkinder und Jugendlichen als übergewichtig bzw. adipös einzustufen sind. Diese Zahlen sind alarmierend. Damit ist das Risiko, später beispielsweise an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes zu leiden, geradezu vorprogrammiert.
Deshalb ist eine Bewegungsförderung für Kinder und Jugendliche elementar wichtig.Wenn derzeit 363 Schulen in mehr als 600 Gruppen auf der Grundlage des Landesprogramms zur Förderung der Kooperation von Schulen und Vereinen mit den örtlichen Sportvereinen zusammenarbeiten, sind dies ermutigende Zahlen.
Meine Damen und Herren, Bewegung und Sport sind die eine Antwort beim Thema Übergewicht. Aber einer ausgewogenen und gesunden Ernährung kommt gleichwohl hohe Bedeutung zu. Die Verwaltungsvorschrift des Hessischen Kindergartengesetzes wurde dahin gehend geändert, dass bei einer Betreuung über mindestens sechs Stunden ein vollwertiges Mittagessen anzubieten ist. Das Angebot einer durchgehenden Öffnungszeit mit Mittagsversorgung in Kindergärten wird durch besondere Landeszuweisungen an die Träger unterstützt.Ebenso werden Schulen gefördert, die gesunde Verpflegung anbieten oder die Einführung von gesunder Verpflegung planen.
Meine Damen und Herren, aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage geht eindeutig hervor, dass die Suchtprävention einen hohen Stellenwert für die
Hessische Landesregierung hat. In den hessischen Schulen sind 750 Beratungslehrer für Suchtprävention eingesetzt, die bei ihrer Arbeit von den Fachberaterinnen und -beratern für Suchtprävention an den Staatlichen Schulämtern unterstützt werden.
Meine Damen und Herren, die Suchtgefahr durch Alcopops ist in den letzten Jahren bedauerlicherweise gestiegen. Hier ist zu begrüßen, dass die Hessische Landesregierung auf verstärkte Kontrollen im Einzelhandel setzt. So werden verstärkt Lebensmittel- und Großmärkte, Tankstellen und Kioske daraufhin kontrolliert,ob dort die Platzierung von Alcopops ordnungsgemäß erfolgt und ob das Jugendschutzgesetz zur Abgabe von Alkohol eingehalten wird.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend möchte ich Folgendes festhalten. Maßnahmen der Gesundheitsförderung für Kinder haben einen hochrangigen Stellenwert. Eine aktive Gesundheitsförderung muss die strukturellen ebenso wie die verhaltensrelevanten Gesundheitsfaktoren angehen. Gesundheitsbewusstsein zu schaffen, gesundheitsrelevantes Verhalten zu erreichen, Lebensweisen zu beeinflussen, Gesundheitskompetenz junger Menschen sowie von Eltern und Familien zu stärken erfordert in besonderem Maße pädagogische Kompetenz und sozialpädagogisches Engagement.
Hier wird deutlich, dass die Gesundheit von Kindern eine Querschnittsaufgabe darstellt.Hier gilt es,stetig weiterzuarbeiten, im Sinne der Gesundheit unserer Kinder. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch seitens der SPD-Fraktion den herzlichen Dank an das Ministerium und die Fachabteilung für eine wortgewaltige Antwort von nahezu enzyklopädischem Ausmaß.
Sie haben Anlass zu einer außerordentlich detaillierten und differenzierten Darstellung dessen gegeben, was denn für die Gesundheit von Kindern wichtige Aspekte sind.
Wenn man diese Wortvase von 51 Seiten – deren gründliche Lektüre ein mehrstündiger Auftrag ist,um sie in all ihren Details zu verstehen – betrachtet und ein überquellendes Blütenmeer an Leistungen dieses Landes zum Wohle der Gesundheit von Kindern erwartet, eine Leistungsbilanz, die deutlich macht, dass Hessen bundesweit einsam an der Spitze steht, dann finden wir beim genauen Hinsehen doch eher ein paar etwas trockene Feigenblätter auf dem Vasenboden, und das wars.
Denn wenn man genau hinschaut, dann erläutert uns die Landesregierung zwar – angeregt von einer differenzierten Struktur der Fragestellung – sehr genau, welche Themen zu beachten sind, welche wissenschaftlichen Standards einzuhalten wären; allein die Erwartung, man würde nun auch hören, was das Land alles an Bedeutendem leistet, wird enttäuscht. Man kommt fast der Frage näher,
ob denn nicht vielleicht der Aufwand zur Beantwortung dieser Großen Anfrage teurer war als das, was das Land für diese Aufgabe tatsächlich ausgibt.
Meine Damen und Herren, ich will das an zwei wesentlichen Punkten festmachen. Ich will mich nicht damit aufhalten, diese Feigenblätter, die uns eben einzeln aufgezählt wurden, zu wiederholen.
Der erste und, wie ich glaube, wichtigste Aspekt ist die Prävention. Da lese ich mit großem Interesse in der Antwort vom 22. Juni dieses Jahres – ich zitiere –:
Das bisher schwerwiegendste Problem der mangelnden Kooperation unterschiedlicher Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung, die begrenzte Möglichkeit zur Poolfinanzierung gemeinsamer Vorhaben,...
Ja, meine Damen und Herren, das ist eines der zentralen Probleme der Prävention. Und wo, wenn nicht bei Kindern, ist Prävention wichtig?
Wir lesen diesen Satz und denken: Mein Gott, die Landesregierung hat es verstanden. Sie wird initiativ. Sie wird kreativ vorangehen. – Dann aber lesen wir heute in der Antwort auf die Kleine Anfrage Drucks. 16/4415: Am 27. Mai 2005, also vier Wochen vorher, hat die Landesregierung im Bundesrat dazu beigetragen, den Gesetzentwurf für ein Präventionsgesetz in den Vermittlungsausschuss – und da wir alle wussten, dass eine Bundestagswahl ansteht, also in den Orkus der Diskontinuität – zu werfen: ein Gesetz, das für das Land Hessen Präventionsmittel, zur Hälfte zur Finanzierung im Pool, in der Größenordnung von fast 20 Millionen c bereitgestellt hätte.
Nun denken wir, die Landesregierung handelt so, weil sie diese Mittel gar nicht nötig hat und ihr Engagement in der gesundheitlichen Prävention – insbesondere, aber nicht nur bei Kindern – so herausragend ist, dass sie auf diese Mittel verzichten kann.
Weit gefehlt. Von 1999 bis heute finden wir eine Halbierung der Mittel,die das Land Hessen selbst für Prävention ausgibt, und wir verbleiben bei gerade einmal 4 % dessen, was das Präventionsgesetz gebracht hätte. Meine Damen und Herren, das Land Hessen halbiert seine Ausgaben für die Vorsorge und verzichtet darauf, Bundesmittel in erheblichem Umfang zu mobilisieren.
Meine Damen und Herren, wir würden uns wünschen, dass der Erkenntnisgrad der Landesregierung, wie er in der Antwort auf die Große Anfrage aufscheint, doch auch in praktischer Politik seine Konsequenzen hätte.Denn das Schwierigste in den Präventionsaufgaben ist die Verhaltensprävention – also die, die das Verhalten von Menschen in gesundheitlichen Fragen beeinflusst. Sie muss so
früh wie möglich einsetzen. Also bedarf es erheblichen Engagements des Landes, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Da reicht es nicht, zu erklären, das sei ein Problem, und man müsse etwas tun. Man sollte an den Stellen, an denen man handeln kann, auch tatsächlich handeln.
Dann kommen wir zu einem zweiten, wie ich meine, zentralen Problem der Gesundheitsfürsorge für Kinder und Jugendliche. Meine Damen und Herren, die Lebenserwartung in Deutschland im untersten und im obersten Einkommensfünftel unterscheidet sich um acht Jahre. Die Ursache dieser Entwicklung wird im Kindesalter gelegt. Acht Jahre ist eine Menge Zeug, acht Jahre nach sozialer Differenzierung.
Wir würden nun erwarten, dass die Landesregierung diesem Problem eine besondere Aufmerksamkeit widmet. Denn wir wissen, dass sich das Land Brandenburg seit zehn Jahren mit besonderem Engagement der Frage der Zusammenhänge gerade des gesundheitlichen Zustands von Kindern und des sozialen Status widmet.