Große Anfrage der Abg. Heidel und Posch (FDP) und Fraktion betreffend Ursachen des Auftretens und Mög
lichkeiten der Beeinflussung der Feinstaubproblematik in Hessen – Drucks. 16/4628 zu Drucks. 16/3957 –
Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart worden. Das Wort hat Herr Kollege Heidel von der Fraktion der FDP.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich Dank sagen für die ausführliche, sehr umfassende und sachliche Beantwortung unserer Großen Anfrage.
Welche Ergebnisse lassen sich aus den Antworten der Landesregierung ableiten? Die höchsten Feinstaubbelastungen werden an verkehrsreichen Straßen mit geschlossener Randbebauung und Straßenschluchten gemessen. Für die meisten hessischen Gemeinden weist das Emissionskataster den Kfz-Verkehr als größte Emittentengruppe aus.
Die für den Ballungsraum Rhein-Main erstellte Ursachenanalyse zeigt, dass bei der Immissionsbelastung die Kfz zwischen 30 % und 50 % zur Feinstaubbelastung beitragen. Hierbei wurde allerdings schon berücksichtigt, dass die Emissionen aus dem Auspuff nur einen Anteil von 50 % zur Emission des Kfz-Verkehrs beitragen und Straßen- und Reifenabrieb, Staubaufwirbelungen usw. einen Anteil von 50 % verursachen.
Die weiteren Anteile an der Feinstaubbelastung verteilen sich wie folgt: Industrie (ohne Kraftwerke und Müllver- brennungsanlagen) 29 %, Gebäudeheizung, Hausbrand und sonstige Kleinverbraucher 17 %, Kraftwerke 6 %, Müllverbrennungsanlagen weniger als 1 %, Kfz-Verkehr 45 % und Kleingewerbe 3 %.
Aus unserer Sicht nicht ganz optimal ist, dass an Baustellen keine Werte erhoben wurden. Es hat sich gezeigt, dass es insbesondere bei der Diskussion um den Standort in Kassel sehr interessant gewesen wäre, auch an Baustellen diese Erhebungen durchzuführen.
Nach der Auswertung des Luftreinhalteplans für den Ballungsraum Rhein-Main – besonders die Friedberger Landstraße – tragen vor allem die schweren LKW und Busse bei einem Anteil an der Fahrzeugflotte von lediglich 4 % zu 60 % zur Feinstaubbelastung bei.
In der Auswertung wird aber auch deutlich, dass der Ferntransport von Feinstaub durchaus zu interessanten und schwer interpretierbaren Ergebnissen bei einzelnen Messungen führen kann.Vorherrschende räumliche oder meteorologische Gegebenheiten können selbst an wenig befahrenen Straßen und in Gebieten ohne entsprechende Emittenten zu einer Überschreitung von Immissionsgrenzwerten führen. Im Gegensatz dazu werden die Immissionsgrenzwerte an einer Autobahn bei einem entsprechend guten Luftaustausch nicht erreicht.
Ein weiterer interessanter Punkt ist der Einfluss der Feinstaubkonzentration bei Verkehrsstau. Bei schweren LKW und Bussen kann sich die Emission im Verkehrsstau um den Faktor 5 erhöhen. Bei PKW und Leichtnutzfahrzeugen ist die zulässige bzw. die Höchstgeschwindigkeit ausschlaggebend. Das heißt, ohne Geschwindigkeitsbeschränkungen sind die Werte bei Verkehrsstau und freier
Meine Damen und Herren, interessant ist, dass bis zum Jahr 2000 hessenweit eine kontinuierliche Abnahme der Feinstaubbelastung festzustellen war. Das gilt für alle Räume, sowohl für die Ballungsräume als auch für die restlichen Flächen des Landes. Mit dem Jahr 2000 endet allerdings dieser Rückgang, und es schließt sich bis zum Jahr 2003 ein Anstieg der mittleren Feinstaubbelastung an. Im Jahr 2004 gingen die Jahresmittelwerte wieder auf das Niveau des Jahres 2000 zurück. Das bedeutet für uns im Umkehrschluss allerdings nicht, dass wir von einer Trendwende reden können. Diese ist noch nicht erreicht. Auch das wird aus den Antworten der Landesregierung deutlich.
Problematisch ist, dass die Emissionsentwicklung der nächsten Jahre nur sehr schwer und sehr bedingt vorhersehbar ist,da sehr viele Faktoren Einfluss darauf ausüben. Auch das ist durch die Beantwortung deutlich geworden.
Beispielhaft zu nennen sind darüber hinaus die Diskussion um die Zunahme des Güter-, aber auch des Individualverkehrs, die Bereitschaft zur Nachrüstung der Fahrzeuge z. B. mit Partikelfiltern, der Anteil von osteuropäischen Nutzfahrzeugen am Fahrzeugbestand usw. Dies alles sind Faktoren, die sehr unterschiedliche Einflüsse ausüben. Wer in Zukunft die Feinstaubgrenze einhalten will, ist deshalb auf eine Vielzahl technischer und planerischer Maßnahmen angewiesen. Insofern sehen wir es als Bestätigung, dass die Landesregierung diese Vorschläge rein rechnerisch für nicht in der Lage hält, die Belastung so weit zu senken, um die Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte für die Zukunft zu garantieren.
In diesem Zusammenhang sind aber auch die Pläne der Landesregierung zu beachten. Es ist schön, wenn in einem Fünf-Punkte-Programm ein neutrales Konzept zur Beschleunigung der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern vorgeschlagen wird. Herr Minister Dietzel, wo aber ist dieses Förderprogramm? Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der CDU, wie wird sichergestellt, dass keine Einnahmeausfälle für die Bundesländer entstehen?
Sicherlich wird auch die Verpflichtung der deutschen Automobilhersteller, ab dem Jahr 2008 bzw. 2009 alle Neuwagen mit Partikelfiltern auszurüsten, einen Beitrag dazu leisten. Sicherlich wird auch der von der Europäischen Union gemachte Vorschlag für die neuen Euro-5Grenzwerte für PKW dazu beitragen, dass die Technik bis zum Jahr 2010, wenn der geplante Grenzwert von 5 Mikrogramm im PKW-Bereich in Kraft treten soll, einen weiteren Beitrag dazu leisten wird.
Interessant, aber schwierig zu interpretieren ist die Aussage der Landesregierung, dass das ursprüngliche Ziel der Automobilindustrie durch innermotorische Lösungen, Dieselrußpartikel in den Griff zu bekommen, nicht erreicht werden kann, da mit diesen Maßnahmen der Euro5-Grenzwert nicht eingehalten werden kann.
Als hochgradig bedenklich muss leider auch die Aussage bewertet werden, dass moderne Dieselmotoren zwar eine geringere Anzahl von Partikeln emittieren und Rußpartikel somit schon vor ihrer Entstehung mit einem Wirkungsgrad von 30 % bis 50 % vermieden werden können. Das Problem dabei ist aber, dass diese Motoren im Verdacht stehen, die Bildung von sehr kleinen, feinen Partikeln zu fördern, also Partikel mit einem Durchmesser von weniger als einen zehntausendstel Millimeter. Diese klei
nen Partikel entstehen, weil der Dieselkraftstoff mit speziellen Düsen sehr fein zerstäubt und unter hohem Druck verbrannt wird.
Meine Damen und Herren, wenn sich dieser Verdacht bestätigt – so führt es auch die Landesregierung aus –, wären Dieselmotoren in Zukunft noch kritischer zu beurteilen, da die Gesundheitsgefährdung in Abhängigkeit von der Partikelgröße zunimmt.
Dass viele der Einzelmaßnahmen, die ich hier aufgezählt habe, und weitere Maßnahmen, die einen Beitrag zur Reduzierung der Feinstaubbelastung leisten, kommunalpolitisch äußerste Schwierigkeiten hervorrufen können, konnten wir in den letzten Monaten in unterschiedlichsten Kommunen und Regionen verfolgen.
Es wird sich erst noch erweisen, wie sich die Maßnahmen auf die Luftreinhalteplänen der Städte tatsächlich auswirken werden,wenn die Ergebnisse in den kommenden Monaten vorliegen.
Unter dem Strich zeigen die Antworten der Landesregierung Problembewusstsein und eine sachliche Auseinandersetzung, aber diverse Fragezeichen hinsichtlich durchgreifender Lösungen in der Feinstaubproblematik sind noch aufzuarbeiten.Wir werden mit Interesse die Ergebnisse der nächsten Monate und die weiteren Initiativen der Landesregierung verfolgen und gegebenenfalls Unterstützung vonseiten des Parlaments dazu liefern.
Meine Damen und Herren, eine geschäftsleitende Anmerkung: Ich bitte die Fraktionen, mir definitiv mitzuteilen, dass sie damit einverstanden sind, dass Tagesordnungspunkt 13 nicht mehr aufgerufen wird. Wir bekommen das nicht gebacken. Um 18.30 Uhr beginnt definitiv die Veranstaltung im Schloss. Wir haben noch einige Punkte abzuräumen. Da nur ein parlamentarischer Geschäftsführer hier ist, die anderen aber nicht, bitte ich, mir das innerhalb der nächsten zehn Minuten zu bestätigen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDPFraktion, wir danken Ihnen, dass Sie dieses Thema mittels einer Großen Anfrage aufgegriffen haben. Es ist ein Thema, das uns sehr wichtig ist, das wir schon seit langem als Problem erkannt haben und an dem wir arbeiten.
Die Aussagen von Herrn Minister Dietzel sind sehr deutlich. Die Wirkungen von Feinstäuben auf den Organismus und die Gesundheit der Menschen sind hoch problematisch. Wir haben seit dem Jahre 2000 eine Entwicklung festzustellen. Das wurde vom Herrn Kollegen Heidel eben dargestellt. Seit dem Jahre 2000 sind mehr als 6.381 t Feinstäube pro Jahr allein auf Hessen heruntergegangen,
Das Problem an den Feinstäuben ist: Je kleiner sie sind, desto schädlicher sind sie, denn je kleiner sie sind, desto lungengängiger sind sie. Wir wissen aufgrund von Untersuchungen, auch von Tierversuchen, dass sie letztlich sogar im Blut festgestellt werden können. Über diesen Weg führen sie oftmals zu katastrophalen Krankheiten.
Wir wissen, dass die Feinstäube kanzerogen sind.Wir wissen, dass mit dem Einatmen von Feinstäuben Lungenkrebs- und Asthmaerkrankungen einhergehen können. Besonders die Risikogruppen, z. B. Kleinkinder, kranke und alte Menschen, haben darunter zu leiden. Die Weltgesundheitsorganisation hat in Zusammenarbeit mit anderen Instituten festgestellt, was das für die Deutschen bedeutet: zehn Monate weniger Lebenszeit. Das kann uns doch nicht kalt lassen.
Aber nicht nur unsere Lungen werden durch Feinstäube geschädigt, sondern auch die grünen Lungen unseres Ökosystems.Wir nehmen jedes Jahr die Waldberichte zur Kenntnis und müssen erkennen, dass die Wälder weiter geschädigt wurden. Das heißt, hier besteht dringender Handlungsbedarf. Wir wissen aus der Antwort auf die Große Anfrage auch, dass die Industrie zu den Verantwortlichen gehört. Sie trägt z. B. über die Ferntransporte dazu bei, dass sich die Feinstäube ablagern und das Waldökosystem nachhaltig schädigen. Wir kritisieren, dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage dazu sagt: Na ja, bei der Industrie können wir gar nicht mehr viel erreichen. – Meine Damen und Herren, die Industrie erzeugt 29 % der Feinstäube. Deshalb kann man nicht sagen, alle technischen Möglichkeiten seien ausgereizt. Wir müssen stattdessen überlegen, wie man weitere Techniken auf den Weg bringen kann, um diesen Prozentsatz weiter zu reduzieren. Das ist unser Anspruch an eine Umweltpolitik.
Die größte Menge an Feinstäuben wird aber im Bereich des Verkehrs, durch Kraftfahrzeuge verursacht. 50 % sind Verkehrsemissionen, also Abgase, und 50 % entstehen durch Abrieb an Straßenbelägen und Reifen sowie durch Staubverwirbelungen. Insgesamt trägt der Kraftfahrzeugsektor zu 45 % zu den Feinstäuben bei.Wenn man das erkennt,dann muss man massive Maßnahmen ergreifen,damit dieser Anteil reduziert wird.
Wir haben andere Vorstellungen von Verkehrspolitik als Sie. Wir haben unzählige Diskussionen darüber geführt, wie die Verkehrspolitik geändert werden muss. Die Frage, wie die Menge schädlicher Emissionen reduziert werden kann, hat nicht nur damit zu tun, dass man schneller von A nach B kommt, sondern auch damit, wie wir den ÖPNV besser fördern. Diesbezüglich ist mir das, was die Landesregierung tut,einfach zu wenig.Hier haben wir GRÜNEN einen anderen Anspruch an die Verkehrspolitik.
Lassen Sie mich zu einem anderen Thema kommen. Wir hätten bereits im letzten Jahr die Möglichkeit gehabt, massiv etwas für die Reduzierung der Feinstaubbelastung, gerade auch im Verkehrsbereich, zu tun. Wir haben damals Vorschläge auf Bundesebene gemacht, wie die Feinstaubmenge reduziert werden kann. Wir wollten damals, auch über eine Anpassung der Kraftfahrzeugsteuer, einen Anreiz schaffen,dass Dieselrußpartikelfilter schnel
ler eingeführt werden, und wir wollten umweltfreundliche Fahrzeuge entsprechend kennzeichnen. Im letzten Jahr ist dies alles von der CDU aber abgeblockt worden. Das muss man einfach einmal darstellen.
Wir haben zwar einen Fünf-Punkte-Plan von Ministerpräsident Koch, aber dieser Plan existiert lediglich auf dem Papier. Wir haben bisher jedoch keine Entscheidung in diese Richtung. Diese Entscheidungen sind aber dringend notwendig, denn wir müssen doch erkennen, dass gerade in diesem Bereich im Hinblick auf die Feinstaubproblematik das meiste zu holen ist. Wir brauchen eine Förderung und Unterstützung derjenigen, die in Dieselfahrzeuge Rußfilter einbauen lassen oder auf eine andere Form der Fortbewegung umsteigen,sprich:auf den ÖPNV.
Wir müssen feststellen, dass wir zwar einen Aktionsplan haben, dass wir einen Feinstaubplan für verschiedene Siedlungsbereiche haben, dass sie aber fast wirkungslos sind. Ich habe mir einen Presseartikel vom 18. Januar mitgebracht, in dem es heißt: Der Feinstaubplan ist wirkungslos. – Daraus ist erkennbar, dass das, was bisher durchgeführt wurde, nur einen ganz kleinen Effekt hatte. Das, was getan wird, wird vielen Menschen aber schon zu viel.Wir müssen trotzdem darstellen,wie notwendig es ist, dass die Feinstaubbelastung reduziert wird, weil sie unsere Gesundheit massiv schädigt.
Wir müssen darauf achten, dass sinnvolle Maßnahmen umgesetzt werden,dass eine bessere Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird. Ich akzeptiere an dieser Stelle eben nicht – Herr Minister Dietzel ist für die Feinstaub-Aktionspläne zuständig –, wenn Sie sagen, dass Sie abwarten wollen, wie die Entwicklung, gerade für den Raum Frankfurt, aussehen wird. Meine Damen und Herren, wenn man sieht, dass das, was bis jetzt getan wurde, nur ein kleiner Beitrag zur Reduzierung der Feinstäube war, dann muss man sich jetzt schon darum kümmern und Gedanken darüber machen, welche weiteren Maßnahmen notwendig sind, um die Feinstaubmengen zu reduzieren. Das ist unser Anspruch an die Umweltpolitik. Da kann sich Umweltminister Dietzel nicht zurücklehnen und sagen: Warten wir erst einmal ab. – Dafür ist dieses Thema einfach viel zu brisant und viel zu problematisch. Hier besteht ganz dringender Handlungsbedarf.