Protokoll der Sitzung vom 31.01.2006

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, erklären Sie den Leuten deshalb einmal in einfachen klaren Worten, wozu das gut sein soll.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht erklären Sie es wenigstens Ihren Parteifreunden an der Basis.

Ich weiß nicht, woher der Herr Minister die gute Stimmung hat. Als ich neben den örtlichen Abgeordneten stand, dann war es sehr interessant, zu hören, wenn die CDU-Kommunalpolitiker erklärten: „Das könnt ihr doch nicht machen.“ Recht haben sie.Das kann man doch nicht machen, ein öffentliches Krankenhaus verkaufen.

(Beifall bei der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Herr Spies,wie war das,als Sie gegen die Fusion waren, und jetzt sind Sie dafür? – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da haben Sie wieder etwas nicht verstanden, aber das kommt regelmäßig vor! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Herr Gotthardt, ich komme gerne auf die Frage zurück. – Die Wahrheit ist doch: Privatisierung ist für nichts gut außer für den Aktienkurs der Rhön AG.

(Zuruf der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP) – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), an Abg. Frank Gotthardt (CDU) gewandt: Sinnerfassendes Lesen hilft! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Das einzige Problem ist doch, Sie können es nicht belegen. Das bedeutet, dass Sie mit der unbewiesenen Behauptung vorangehen, dass Privatisierung an und für sich und immer die bessere Lösung sei und sonst gar nichts. Entschuldigen Sie, es gibt natürlich eine Ausnahme. Privatisierung ist beim Staatsweingut nicht besser, aber sonst ist es immer die bessere Lösung.Sie verschwenden das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger.

(Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Jetzt kommt das Totschlagargument – der Herr Minister hat es angesprochen –: Die Fallpauschalen brechen über uns herein, die auf geheimnisvolle Weise die öffentlichen Krankenhäuser bedrohen. Was heißt Fallpauschale? Fallpauschale heißt: Für die Behandlung einer bestimmten Erkrankung gibt es einen festen Preis. Der Preis gilt für die Rhön AG und für das Uniklinikum. Das unterscheidet sich überhaupt nicht. Eine Blinddarmoperation kostet in Zukunft in Hessen im Mittel 2.754 c.

Was ist der Unterschied? Ein Privater muss von diesen 2.754 c seinen Aktionären, die eine Dividende sehen möchten, etwas abgeben. Das heißt, die gleiche Fallpauschale muss in Zukunft nicht nur Schwestern und Pfleger, Ärzte, Medizintechnik, OP-Personal, Medikamente, Heizung, Hygiene, den Neubau in Gießen usw. finanzieren, nein, davon muss auch noch ein Anteil für die Hypo-Vereinsbank und die anderen Aktionäre abfallen. Privatisierung bedeutet: Statt 2.754 c für eine Blinddarmoperation stehen nur noch 2.480 c zur Verfügung,weil die restlichen 270 c in den Gewinn gehen müssen.

Meine Damen und Herren, warum diese Privatisierung? Haben Sie wirklich den naiven Kinderglauben, dass privates Gewinnstreben alles auf der Welt besser macht?

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Glauben Sie denn wirklich, dass der Appell an Leute, die immer mehr haben wollen,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Narzissmus pur! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

auf quasi magisch wundersame Weise alles besser macht? Oder ist es nicht eigentlich nur vordergründige politische Opportunität gewesen, und der Rest war Ihnen egal? Wenn das alles so wunderbar ist, warum machen Sie diesen Vertrag nicht öffentlich?

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Erich Honecker lässt grüßen! – Zuruf des Abg.Dr.Norbert Herr (CDU))

Extremismusvorwürfe von Herrn Irmer ertrage ich sehr gelassen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Hans-Jürgen Irmer und Dr. Norbert Herr (CDU))

Meine Damen und Herren, wenn das alles so wunderbar ist, warum wird der Vertrag nicht öffentlich gemacht? – Damit sich das nicht jeder angucken kann.

Meine Damen und Herren,natürlich wird der Gewinn des Unternehmens aus den Personalkosten genommen. Anders geht das bei 80 % Personalkosten gar nicht. Das ist

dem Unternehmen auch nicht vorzuwerfen. Das ist die Logik eines privaten Unternehmens.

(Gerhard Bökel (SPD): Marktwirtschaft!)

Alles andere wäre absurd. Das ist aber auch nicht die Frage. Es ist nicht die Frage, ob wir das schön finden, dass Unternehmen einen Gewinn machen wollen.

(Zurufe der Abg. Frank Gotthardt, Michael Bod- denberg (CDU) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das muss man auch gar nicht zur Diskussion stellen. Die Frage ist eine ganz andere.

(Frank Gotthardt (CDU): Sie sind dafür, dass es die Stiftung gibt,oder nicht? Sind Sie dafür,dass an beiden Standorten investiert wird, oder dagegen?)

Aber Herr Gotthardt,

(Zurufe der Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),Thorsten Schäfer-Gümbel und Petra Fuhrmann (SPD) – Gerhard Bökel (SPD): Ruhe!)

es ist immer wieder berauschend, auf welches Niveau Sie die Diskussion über den Betrieb und 10.000 Arbeitsplätze bringen können.

(Beifall bei der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Sind Sie dafür, dass investiert wird, oder sind Sie nicht dafür?)

Meine Damen und Herren, die Frage an der Stelle ist nicht, ob wir das schön finden, dass Aktiengesellschaften einen Gewinn machen wollen, oder nicht.

(Michael Boddenberg (CDU): Haben Sie etwas gegen private Unternehmen? Das hätte ich gerne gewusst!)

Die Frage ist überhaupt nicht, ob wir etwas gegen private Unternehmen haben, oder nicht. – Das habe ich jetzt dreimal gesagt. Vielleicht hören Sie einmal zu, Herr Boddenberg.

(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das kann er nicht!)

Die Frage ist, ob wir ein funktionierendes öffentliches Unternehmen in eine private Gesellschaft verwandeln müssen,

(Michael Boddenberg (CDU):Sie scheinen ein großes Problem damit zu haben! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

wenn der einzige Effekt am Ende ist, dass wir es auf dem Rücken der Beschäftigten austragen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Frank Got- thardt (CDU))

Meine Damen und Herren, das fängt doch schon an.

Herr Kollege Gotthardt!

Die Beschäftigten der Uniklinik Gießen erhielten dieser Tage ein Schreiben, in dem sie aufgefordert werden, un

bezahlten Sonderurlaub zu nehmen. Aber Sie erzählen uns etwas von Beschäftigungsgarantien.

(Frank Gotthardt (CDU):Sind Sie für die 100 Millionen c für die Stiftung oder nicht?)

Meine Damen und Herren,die Lautstärke des Redners ist von mir nicht zu beanstanden,aber die der Zwischenrufer. Ich bitte um mehr Ruhe.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren,Tatsache ist doch, Sie erzählen den Leuten etwas von einer Beschäftigungsgarantie und ignorieren, dass 10 bis 15 % der Stellen jedes Jahr abgebaut werden können, weil diese Beschäftigten befristete Verträge haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie erzählen den Beschäftigten etwas davon, dass es außerdem einen Sozialfonds gebe. Sie erzählen den Leuten, es gebe eine Beschäftigungsgarantie und einen Sozialfonds. Bis zur Ausschusssitzung haben Sie versucht, zu vertuschen, dass Sie in dem Vertrag, den Sie geschlossen haben – ich rede nicht von der Firma Rhön AG, die ihre Interessen vertritt; das ist auch okay –, vereinbart haben: Es gibt entweder einen Sozialfonds oder eine Beschäftigungsgarantie. – Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Mitarbeiter am Klinikum in Gießen haben schon die Aufforderung bekommen, unbezahlten Sonderurlaub zu nehmen, um das Defizit abzubauen.