(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Es gibt Dutzende von privaten Krankenhäusern! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Meine Damen und Herren, vielleicht gewinnt bei dieser Operation wenigstens die Forschung. Herr Gotthardt hat eben mehrfach und sehr lautstark darauf hingewiesen, dass es 100 Millionen c für die Stiftung gebe. Das sind aber nicht 100 Millionen c für die medizinische Forschung – jedenfalls nicht ständig. Es sind 100 Millionen c für die Stiftung.Das sind 5 Millionen c im Jahr,wenn man die Gewinne dazurechnet. Dazu kommen die 2 Millionen c, die der Käufer in seine Bestellforschung stecken will. Das ist zwar ein bisschen etwas anderes als eine freie Forschung, aber das sei dahingestellt.
Wenn alle diese Mittel für die Medizin in Mittelhessen zur Verfügung stünden – was sehr umstritten ist, Herr Minister, da gibt es vielfältige Begehrlichkeiten –, dann würde das bedeuten, dass wir die Unterfinanzierung der Hochschulmedizin in Hessen von 39 % unter Bundesdurchschnitt auf 36 % unter Bundesdurchschnitt reduzieren. Das ist zwar ein Schritt – ich will das gar nicht kleinreden, es ist besser als gar nichts –, aber es löst doch das Problem der notorischen Unterfinanzierung der Hochschulmedizin in Hessen nicht. Beileibe nicht.
Der Wissenschaftsrat hat seinen Widerstand aufgegeben und im Wesentlichen Folgendes gesagt: Das Universitätsklinikum soll in der Liste der nach dem HBFG förderfähigen Einrichtungen bleiben. – Mehr hat er nicht gesagt. Es ging nur um die Liste der förderfähigen Einrichtungen.
Das hat er deshalb gesagt, weil ansonsten für das Land Hessen ein hohes finanzielles Risiko entstanden wäre.
Bei allem Respekt vor der Wohlabgewogenheit der Entscheidung des Wissenschaftsrats darf man doch durchaus strittig über die Frage diskutieren, ob denn der Vorrang von Forschung und Lehre tatsächlich gewahrt bleibt, ob das Klinikum dem Fachbereich dient oder umgekehrt. Dass der Wissenschaftsrat keine Chance sah, mehr zu verlangen als das, was jetzt herausgekommen ist, weil diese Landesregierung nämlich zu jedem Zeitpunkt deutlich gemacht hat, dass sie sowieso verkauft – Sie wollten das ja alles schon beschlossen haben,bevor der Wissenschaftsrat entschieden hat –, dass der Wissenschaftsrat an der Stelle nachgegeben hat, erfüllt uns zwar mit Respekt, aber Herr Münch hat uns das genau erklärt und gesagt: Ein Klinikum unter der Führung eines privaten Trägers würde nie Kapital bekommen, wenn es sich dem Vorrang der Wissenschaft unterwerfen würde.
Spekulieren wir nicht über Meinungen und Einschätzungen. Am Ende wird es weder auf das Selbstlob der Landesregierung noch auf den Jubelantrag der CDU,noch auf die Meinung von Herrn Münch ankommen.Am Ende gilt der Vertrag.Wenn wir in den Vertrag hineinschauen, dann sehen wir, da steht kein Wort davon, dass das Klinikum dem Fachbereich dient. Da steht, es soll ihn unterstützen. Unterstützen ist etwas anderes als dienen. Unterstützen heißt nicht, dass das Primat der Forschung sichergestellt ist.
Wenn wir auf den Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre zu sprechen kommen – ein kompliziertes Thema, auf dessen Details ich jetzt gar nicht eingehen will –, dann müssen wir feststellen, dass der Dekan die Entscheidungen der Geschäftsführung zukünftig anhören darf, und wenn er ernste Einwände hat, kann er eine Kommission anrufen. Das ist keineswegs zu kritisieren, aber es ist viel zu wenig. Wie oft wird er das tun? Wie oft kann man das tun, bis alle Beteiligten sagen: „Jetzt ist es aber gut“? Die Fragen, die die Freiheit von Forschung und Lehre betreffen, sind nicht hinreichend gelöst. Das Schwert des Dekans in seiner Eigenschaft als Schützer der Freiheit von Forschung und Lehre ist ein ziemlich stumpfes.
Meine Damen und Herren, Krankenhäuser sind Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Sie haben, wie das zu den Eigenschaften der Einrichtungen der Daseinsvorsorge gehört, ein regionales Versorgungsmonopol. Vielleicht sollten wir die Größenordnung der Versorgung ein bisschen überdenken. Vielleicht brauchen wir regionale Verbundstrukturen. Herr Gotthardt, damit komme ich zu Ihrem Zwischenruf in Bezug auf die Fusion: Das könnte man vielleicht richtig gut machen. Man könnte, das haben wir detailliert vorgeschlagen, einen regionalen wirtschaftlichen Verbund der öffentlichen Krankenhäuser einrichten. Dafür braucht man aber keinen privaten Träger. Dafür muss man nur die Krankenhäuser zusammenführen. Damit kann man die Effizienz steigern, die kleinen Krankenhäuser in der Region erhalten, die wohnortnahe Versorgung der Menschen sichern, Doppelstrukturen und Doppeluntersuchungen verhindern, die Patienten schnell und effizient versorgen und vielleicht auch die Hausärzte einbinden.
Eine solche Vollversorgung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, für die wir Ihnen sehr detaillierte Vorschläge gemacht haben.Am Ende liegt der Unterschied darin: Bleiben 10 % für die Menschlichkeit oder für die Dividende? Was Sie hier tun – –
Meine Damen und Herren,Gesundheit ist keine Ware.Sie ist kein Konsumgut. In dem Irrtum, dass es sich um ein Wirtschaftsgut handle, sind wir schon lange zu weit gegangen. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Gesundheitspolitik, eine Krankenhauspolitik, die die Ärzte und Schwestern in den Krankenhäusern und alle Angehörigen der Heilberufe wieder in die Lage versetzt, das Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zu stellen – ohne Kompromisse.
Mit dem Verkauf des Universitätsklinikums verschenken Sie das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger, die es bezahlt haben.
Sie vernichten ohne Not Hunderte von Arbeitsplätzen. Sie gefährden Forschung und Lehre und verhindern – –
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist jetzt zu Ende. Herr Dr. Spies,bitte hören Sie auf den Präsidenten,sonst haben wir Probleme miteinander.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mache von dem Recht der Regierung Gebrauch, sofort zu antworten. Denn ich gebe schon zu: Eine Reihe der Bemerkungen, die Abg. Dr. Spies gemacht hat, erfordert eine direkte Antwort derjenigen, die es vertreten und verhandelt haben.
Herr Dr. Spies, ich sage das sehr offen: Wir können über viele politische Fragen endlos streiten. Das ist bei unterschiedlichen Grundvorstellungen der Fall. Ich finde aber, die Motive, die Sie hier anderen Menschen unterstellt haben, sind in manchen Bereichen weit jenseits dessen, was wir untereinander machen sollten. Deshalb antworte ich.
Zusammengefasst haben Sie mit viel Tremolo in der Stimme unterstellt, dass, wenn sich privatwirtschaftliches Interesse mit Krankenversorgung, jedenfalls bei den Krankenhäusern, verbindet, daraus unmittelbar, erstens, ein ziemlich niedriger Beweggrund der Kapitaleigentümer und, zweitens, ein Lebensnachteil für diejenigen, die in einer solchen Klinik behandelt werden, entstehen.
Herr Dr. Spies, haben Sie sich wenigstens eine Sekunde überlegt, was Sie da sagen? Wenn Sie aus diesem Hause hinausgehen,dann fahren Sie an der Deutschen Klinik für Diagnostik vorbei: Rhön-Klinikum, mit größter Spezialisierung bei Knochenmarksübertragung und vielen anderen Dingen. Ist Ihnen schon einmal ein Patient begegnet, und haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie ihm gerade gesagt haben?
Gehen Sie in die andere Richtung. Da finden Sie die Kliniken Paulinenstift von Asklepios. Haben Sie das Paulinenstift früher einmal gesehen? Es gibt ein paar sozialdemokratische Abgeordnete,die einen ehemaligen Direktor des Landtags kennen, der dort ehrenamtlich tätig war und es an Asklepios verkauft hat – weil er es nicht mehr halten konnte. Den Menschen ging es damals in diesem Klinikum dreckig, und heute geht es ihnen dort gut. Hören Sie auf, so etwas zu machen.
Das gleiche Thema finden wir ein paar Meter weiter. Dort finden Sie die ärztlichen Kliniken von Helios. Gehen Sie noch ein bisschen weiter, da finden Sie sogar welche von Fresenius – die heute zusammen sind.
Lassen Sie uns über diesen Punkt reden. Aber hören Sie auf, den Anteil von inzwischen einem Drittel der Kapazität der Krankenhäuser in diesem Land in eine Situation zu bringen,in der die Menschen,die Ihnen zuhören,Angst haben müssten, dorthin zu gehen, obwohl ihre praktische Lebenserfahrung, wenn sie dort sind, eine ganz andere ist. Es geht darum, dass wir mit staatlicher Organisation, so gut die in vielen Bereichen des Lebens ist, manche Herausforderungen offensichtlich nicht bewältigen können.
(Gernot Grumbach (SPD):Weil Sie es nicht organisieren können! – Lebhafter Widerspruch von der CDU und der FDP)
Schauen Sie einmal, Sie sind alle Kommunalpolitiker. Wahrscheinlich waren Sie früher auch einmal in Alteneinrichtungen der Landkreise. Ich hoffe, das hat Sie ähnlich beeindruckt wie mich. In den meisten Regionen Deutschlands gibt es heute keine kreiseigenen Altenheime mehr.
Gehen Sie einmal durch die Alteneinrichtungen, und kommen Sie einmal irgendwohin und behaupten Sie, den Menschen dort ginge es heute schlechter als damals. Sie wissen, dass das nicht die Wahrheit ist – obwohl inzwischen unternehmerische Aktivitäten dabei sind.