Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Es sind doch nicht die GRÜNEN und auch nicht ihr parlamentarischer Geschäftsführer mit seinen schneidigen Reden, die den Ausbau tatsächlich gefährden. Das, was den Ausbau gefährdet, ist eine Gerichtsentscheidung in einigen Jahren mit dem Inhalt, dass der Landesentwicklungsplan und oder der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig sind. Das ist die eigentliche Gefahr, meine Damen und Herren.

Angesichts des mittlerweile offenkundig gewordenen Dilettantismus dieser Landesregierung und – Herr Kollege Hahn, Sie haben heute Morgen zu Recht darauf hingewiesen, dass Fraport nun endlich eine neue Prognose vorzulegen hat – angesichts der relativen Unprofessionalität der Antragstellerin schwindet die Hoffnung, und es wächst die Angst,dass dieses Verfahren schief geht.Meine Damen und Herren, dies wäre – insofern gebe ich Herrn Kollegen Posch Recht – der Super-GAU für unser Land.

Auch in dieser Hinsicht stimme ich Herrn Kollegen Posch zu: In einem langen Verfahren macht man auch einmal einen Fehler. Das ist aber bei weitem nicht der erste zentrale Fehler, der der Landesregierung und insbesondere diesem Wirtschaftsminister unterläuft.

Ich erinnere an die Bedenken der Europäischen Kommission zum Raumordnungsverfahren. Die Europäische Kommission stellte im März 2004 fest, dass im Rahmen des Raumordnungsverfahrens keine umfassende Beurteilung des Risikos vorgenommen wurde, dass Flugzeuge, die auf der Landebahn Nordwest landen, auf in der Einflugschneise liegende Betriebe im Sinne der Seveso-IIRichtlinie – also insbesondere auf die Ticona – stürzen. Die Kommission erklärte gegenüber der Bundesregierung als Adressat eines solchen Schreibens: Die Nichtdurchführung dieser Sicherheitsüberprüfung ist ein wesentlicher Mangel dieses Raumordnungsverfahrens.– Das war in der Tat ein wesentlicher Mangel dieses Raumordnungsverfahrens.

Die Landesregierung hatte Glück, weil schon einmal ein Gericht eine andere Entscheidung zeitgleich getroffen hat, nämlich dass wir in unserem Land gezwungen wurden, den Landesentwicklungsplan neu aufzustellen. So findet die Landesregierung den Ausweg, indem sie sagt: Diese unbestritten notwendige Sicherheitsüberprüfung wird nicht im Raumordnungsverfahren durchgeführt, sondern im Landesentwicklungsplan.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an diejenigen gerichtet, die wissen,was ein Landesentwicklungsplan ist,und schon einmal einen gesehen haben, sage ich: Stellen Sie sich nur einmal bildlich vor, wie eine Bahnvariante in diesen Landesentwicklungsplan eingezeichnet wird. Wir sehen auf dieser Karte des Landesentwicklungsplans einen Punkt. Wir sehen einen Punkt, weil der Landesentwicklungsplan als Makrostandort völlig ungeeignet ist und im Übrigen auch niemals dafür vorgesehen war, eine entsprechende Sicherheitsabwägung vorzunehmen. Viele Einwender sagen, dass allein die Tatsache, dass die Sicherheitsabwägungen nicht im Raumordnungsverfahren, sondern im Landesentwicklungsplan vorgenommen wurden, möglicherweise zu erheblichen Schwierigkeiten und möglicher

weise allein deshalb zur Rechtswidrigkeit führt. Im Landesentwicklungsplanverfahren gibt es einige zusätzliche Probleme.Wir müssen einige zusätzliche raumplanerische Konflikte lösen, auf die diese Landesregierung nach nunmehr fünf oder sechs Jahren Planungszeit noch nicht den Ansatz einer Antwort gegeben hat.

Die Seveso-II-Richtlinie schreibt vor, dass bei Vorhaben die Vermeidung von Risikoerhöhungen einer der ersten Grundsätze ist.Alle in diesem Raum Befindlichen wissen, dass die Nordwestbahn die risikoreichste Variante ist,weil nur im Bereich der Nordwestbahn mit dem Chemiewerk Ticona ein entsprechendes Risiko gegeben ist. Es stellt sich die Frage, wie das Problem der raumordnerischen Überschneidung der Ticona als Chemiewerk im Sinne von Seveso II und des Betriebs der Nordwestbahn gelöst werden kann. Die einzige Antwort auf diese nicht ganz unwichtige Frage hinsichtlich des Ausbaus hat bislang der Ministerpräsident mit seiner Aussage getroffen:Wenn das alles nicht funktioniert, dann enteignen wir halt eine kleine Chemiefirma mit über 1.000 Beschäftigten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Firma Ticona hat mittlerweile angekündigt, im Zweifel bis zum Europäischen Gerichtshof zu gehen. Ich glaube nicht, dass die Drohung des Ministerpräsidenten bei Ticona eine besondere Angst ausübt, wahrscheinlich auch nicht wegen der Person des Ministerpräsidenten. Wenn es ein Ministerpräsident noch nicht einmal hinbekommt, einen einfachen Weinkeller im Rheingau zu bauen, dann braucht die Firma Ticona auch keine Angst zu haben, dass er einen Flughafen bauen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Art von Drohungen führt uns nicht weiter.Wir hätten erwartet, dass in den vergangenen Jahren die Zeit genutzt worden wäre, um diese unbestrittene Problematik eines gemeinsamen Betriebs zu lösen.

Das ist aber nicht das einzige Problem, das die Landesregierung nicht gelöst hat. Herr Kollege Posch hat die Frage des Nachtflugverbots angesprochen. Wir alle wissen, dass ein Nachtflugverbot ein Flughafensystem aus Frankfurt und Frankfurt-Hahn voraussetzt. Der Ministerpräsident war in Brüssel,um vorzusprechen,wie denn nun der Stand des Antragsverfahrens Frankfurt/Frankfurt-Hahn sei. Ihm wurde beschieden, dass es noch keine Entscheidung gebe und man ihm auch noch nicht mitteilen könne, wann eine solche Entscheidung getroffen werde.

Meine Damen und Herren, das ist doch wohl ein Armutszeugnis. Der Ministerpräsident des Landes Hessen fährt zur Europäischen Kommission, um wie ein normaler Antragsteller zu erfahren, dass man ihm noch nichts Weiteres mitteilen könne. An dieser Frage hängt der Ausbau des Frankfurter Flughafens. Ein Ministerpräsident, der ohne eine Antwort aus Brüssel zurückkommt, ist das eigentliche Problem für den Ausbau, aber nicht das Gerede von den GRÜNEN im Hessischen Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine weitere Frage ist die Prognoseentscheidung. Es versteht sich von selbst,dass wir bei einem Vorhaben wie dem Ausbau eines Flughafens nicht eine Prognoseentscheidung bis zum Jahr 2015 respektieren können. Im Übrigen ist es gleichgültig, ob wir das respektieren. Die Gerichte werden nicht akzeptieren, dass wir eine Prognose nur bis zum Jahr 2015 haben. Wenn alles optimal läuft – was unter dieser Landesregierung eher unwahrscheinlich ist –, dann wird diese Bahn im Jahr 2011 ans Netz gehen. Meine

Damen und Herren, ein Planungshorizont für ein solches Vorhaben von vier Jahren nach Inbetriebnahme der Bahn ist völlig unzumutbar und würde von jedem Gericht in diesem Land zurückgewiesen werden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

Wir erwarten natürlich auch von der Antragstellerin, dass sie professioneller arbeitet, als wir es in den vergangenen Jahren gesehen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich schließe mit einer Anmerkung zum Erörterungsverfahren. Wir haben heute gesehen, dass sich die Einwendung, die wir bereits in der letzten Plenarsitzung erhoben haben, bewahrheitet hat, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gar nicht so ungefährlich ist. Natürlich hat die Genehmigungsbehörde nicht sofort eingestanden, dass sie einen Riesenfehler gemacht und eine EU-Richtlinie schlicht übersehen hat. Zunächst einmal versucht man natürlich, sich mit Rhetorik aus der Situation zu retten.

Heute hat der Verhandlungsleiter erklärt, dass das Erörterungsverfahren mindestens um Wochen, wahrscheinlich sogar um Monate in die Länge gezogen wird. Herr Kollege Boddenberg, es ist außerdem gesagt worden, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass bei zusätzlichen Einwendungen – es geht um 380 Fragen, 100 werden jetzt behandelt – das Erörterungsverfahren möglicherweise noch einmal durchgeführt werden muss.

All das wäre nicht notwendig gewesen, wenn die Landesregierung über die europäische Rechtslage in Kenntnis gewesen wäre, wenn die Landesregierung den Einwendern von Anfang an ein Recht auf Einsichtnahme zugestanden hätte.

Zum Abschluss: Keines der zentralen Probleme beim Ausbau des Frankfurter Flughafens, die im Wesentlichen seit vielen Jahren bekannt sind, wird von dieser Landesregierung gelöst. Diese Landesregierung schafft es noch nicht einmal, einen Weg zur Lösung dieser Probleme aufzuzeigen. Die Landesregierung verkündet Zeitpunkte, wann Bahnen ans Netz gehen sollen. Die Landesregierung erzählt via Wirtschaftsminister, dass wir auf einem guten Weg seien.Wir erwarten aber von dieser Landesregierung – da teile ich die Auffassung des Kollegen Posch nicht, dass wir als Parlament hier nicht viel mitzureden hätten – –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir dürfen als Parlament von einer Landesregierung angesichts der Bedeutung dieses Projekts für unser Land Hessen erwarten, Herr Kollege Posch, dass die Landesregierung dieses Verfahren handwerklich ordentlich durchführt und zu gerichtsfesten Ergebnissen kommt. Wir sehen nicht, dass diese Landesregierung zu derartigen Ergebnissen kommt. Wir sehen einen Fehler nach dem anderen. Wir sehen, dass eine Landesregierung orientierungslos durch den Paragraphendschungel torkelt. Dies wird unserem Land zum Nachteil gereichen. Das können wir uns als Land

Hessen, das wirtschaftliche Stärke haben will, nicht leisten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Staatssekretär Abeln.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da sieht man, was man aus einem Antrag, bei dem es eigentlich nur um eine Verfahrensfrage geht, alles machen kann.

Herr Walter, zu Ihrer Frage – ich komme auf die sachlichen Punkte sofort zu sprechen –: Da Sie sich in Vorwürfe zu diesem Verfahren ergehen, muss man die Frage stellen, ob Sie den Ausbau eigentlich noch wollen, ob Sie eine mögliche Entscheidung für die Nordwestbahn eigentlich noch mittragen.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Rede hat den Eindruck vermittelt, dass Sie von Ihrer bisherigen Position abweichen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Zu der Frage, was die Europäische Union zu der Abwägung im LEP sagt: Die Landesregierung hat im ersten Durchgang den Entwurf eines Landesentwicklungsplans beschlossen. In dem Entwurf, der allen Fraktionen zur Kenntnis zugeleitet worden ist, sind alle diese Fragen beantwortet. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie in diesen Entwurf noch nicht einmal hineingeschaut haben.

Zweitens. Die Tatsache, dass die Europäische Union Fragen gestellt hat, liegt daran, dass das Verfahren hier in Deutschland, ein gestuftes Verfahren – Aufstellung eines Landesentwicklungsplans und Planfeststellungsverfahren –, im europäischen Ausland nicht bekannt ist. Deshalb hat die Europäische Union Fragen gestellt. Wir haben diese Fragen beantwortet. Der Landesentwicklungsplan, in dem all dies festgehalten ist, ist über die Bundesregierung vor Monaten nach Brüssel weitergeleitet worden. Von dort ist seitdem keine negative Reaktion gekommen. – So weit ein paar Anmerkungen zu Ihren Vorwürfen, die aus der Luft gegriffen sind, die jeglicher Grundlage entbehren.

Das Einzige, was zu diesem Verfahren von allen Seiten zu Recht angemerkt worden ist: Es ist ein Verfahren von enormer Komplexität und herausragender Bedeutung – nicht nur für Hessen, sondern darüber hinaus. Da haben Sie Recht. Dieses Verfahren wird nach Recht und Gesetz geführt. Nichts von dem, was Sie hier an Eindruck vermitteln wollen, stimmt in dieser Form.

(Jürgen Walter (SPD):Hätten die nicht geklagt,wären Sie in drei Jahren hinten heruntergefallen!)

Nein, das ist nicht der Fall. Ich gebe Ihnen gerne Antwort.

Sie haben von einem „Fiasko mit den Gerichtsentscheidungen“ gesprochen. Das letzte „Fiasko“ ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur A-380-Halle. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Hessischen VGH bestätigt, dass der Planfeststellungsbeschluss mit zwei Ergänzungsauflagen rechtmäßig ist, dass

keine der Einwendungen, die erhoben worden sind, die der BUND als Kläger erhoben hat, durchgreift, dass die A-380-Halle nach einem rechtmäßigem Verfahren also rechtmäßig gebaut werden kann. Es ist eben schon gesagt worden: Das, was heute hier gesagt worden ist, was die Einwender vor Gericht gesagt haben,was potenzielle Kläger im Verfahren gesagt haben, dass nämlich das A-380Verfahren erbarmungslos gegen die Wand laufen würde, ist nicht eingetreten.

Beim A-380-Verfahren haben wir das Akteneinsichtsrecht genauso gehandhabt wie im laufenden Verfahren zum kapazitiven Ausbau des Frankfurter Flughafens. Das heißt,das Bundesverwaltungsgericht hat vor wenigen Monaten die Tatsache,dass wir nach der Rechtsprechung verfahren, die seit Jahren vom Bundesverwaltungsgericht vorgegeben wird, in seiner Entscheidung nicht beanstandet. Deswegen ist die Aussage, dass unser Verfahren unweigerlich zur Aufhebung eines eventuell zu fassenden Planfeststellungsbeschlusses führen werde, völlig falsch.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Walter (SPD):Wann ist die EU-Richtlinie herausgekommen?)

Die EU-Richtlinie gibt es seit elf Jahren.

(Jürgen Walter (SPD): Der Stand ist von 2003!)

Seit elf Jahren hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Praxis gebilligt, die wir hier angewandt haben.

Jetzt hat der Hessische VGH den Klägern – es handelt sich nicht um eine Klage, sondern um ein vorläufiges Verfahren, das wissen Sie als Anwalt – in diesen Punkten Recht gegeben. Nun standen wir vor der Frage: Legen wir gegen diesen Beschluss Beschwerde ein – das Hauptsacheverfahren ist noch gar nicht eingeleitet –, oder geben wir der Ansicht des VGH um der Beschleunigung des Verfahrens willen nach? Wir haben uns für Letzteres entschieden, um einigermaßen im Zeitrahmen zu bleiben. Das heißt, wir haben die Praxis angewandt, die das Bundesverwaltungsgericht seit elf Jahren für rechtens erklärt. Was soll man als Verwaltung sonst tun, als einer gefestigten Praxis zu folgen?

Die Verwaltung trägt aber das Risiko – das war auch beim LEP der Fall –, dass sich die Rechtsprechung ändert. Dann muss sie sich auf die neue Rechtsprechung einrichten. Daraus aber zu schließen, dass die vorherige Praxis rechtswidrig war, ist wirklich waghalsig und aus der Luft gegriffen. Ich muss das deshalb in aller Form zurückweisen.

(Beifall bei der CDU)

Den Ermessensspielraum, den wir aus den EU-Regelungen herausgelesen haben, hat das Bundesverwaltungsgericht elf Jahre lang nicht infrage gestellt. Deshalb hat uns der Beschluss überrascht.

Was häufig vergessen wird: In diesem Beschluss sagt der VGH auch, dass die umweltrelevanten Informationen freigegeben werden sollen – aber nicht die Einwendungen, die von Privatpersonen stammen. Das steht dort ausdrücklich.Wir hätten sonst 1.372 zusätzliche Aktenordner bereitstellen und ihren Inhalt vorher auf geheimhaltungsbedürftige Informationen überprüfen müssen. Für einen Juristen wäre es natürlich reizvoll gewesen, das Hauptsacheverfahren abzuwarten oder in Beschwerde zu gehen, um vom Bundesverwaltungsgericht bescheinigt zu bekommen, ob das Kasseler Gericht Recht hat oder ob das

Bundesverwaltungsgericht bei seiner bisherigen Praxis bleibt. Das haben wir, wie gesagt, nicht gemacht.