Protokoll der Sitzung vom 22.02.2006

Um es etwas höflicher zu sagen: Herr Minister, ich glaube, Sie wären klug beraten, einen neuen Brief zu schreiben.

(Beifall bei der FDP – Hildegard Pfaff (SPD): Das wird nichts mehr nützen!)

Es kann nicht sein,dass ein Minister,egal ob er angepiekst ist oder nicht, egal ob er sich über irgendetwas berechtigterweise oder unberechtigterweise ärgert, einem Verband gezielte Kampagnen, Vertrauensbruch und unhaltbare Unterstellungen vorhält. Herr Minister, das macht man nicht. Deshalb wäre es klug, wenn Sie das wieder zurücknehmen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Manfred Köhler hat vollkommen Recht, wie er das kommentiert, und die Überschrift des Kommentars lautet: „Daneben“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden sich nicht wundern,dass sich die neun Liberalen in diesem Hause, darüber hinaus aber auch die gesamten mit Sparkassenfragen beschäftigten Kolleginnen und Kollegen mit Manfred Köhler ärgern, dass der Stil so daneben ist, weil Sie mit Ihrem „unklugen Vorgehen“ – ich zitiere wieder die „FAZ“,Herr Kollege Rhiel – das erschwert haben umzusetzen, was die Sparkassen in diesem Lande brauchen, nämlich eine Novellierung des Sparkassenrechtes und eine Anbindung von Stammkapital in unserem Lande.

(Beifall bei der FDP)

Es ist absurd, dass wir für die Sparkassen keine Eigentümer mehr haben. Es kann doch wohl nicht richtig sein, dass, nachdem die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung weggefallen sind – es ist gut, dass uns europäisches Recht dazu gezwungen hat –, nun keine Eigentümer mehr da sind.Wenn ich mit Sparkassendirektoren spreche,habe ich manchmal das Gefühl, dass sie meinen, ihnen würde die Sparkasse gehören. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein großer Irrtum.

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Da hat er nicht ganz Unrecht!)

Aus diesem Grunde ist die Idee vollkommen richtig, dass man in irgendeiner Form eine Kapitalisierung vornehmen muss, damit die Sparkassen bilanzfähig werden, wie es Herr Frankenberger eben gesagt hat.

Herr Frankenberger, ich habe vom Kollegen Milde gehört, Sie hätten noch vor einigen Wochen gesagt, Sie und Ihr Arbeitskreis wären dafür. Sie müssen mir erklären, warum das heute nicht mehr gelten soll. Das, was vor vier Wochen vernünftig war, kann heute nicht unvernünftig sein,nur weil Kommunalwahl ist.Auch hier muss sich jede Fraktion positionieren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Fünfter Punkt, Vorschriftendschungel. Alle in diesem Landtag vertretenen Fraktionen sagen in Sonntagsreden immer wieder: Ja, es müssen weniger Vorschriften sein. Es darf nicht sein, dass alle so gegängelt werden. Es müssen Gesetze und Verordnungen abgeschafft werden. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer hat das in dieser Landesregierung, in diesem Land Hessen das erste Mal richtig versucht? Das war doch Dieter Posch.

(Beifall bei der FDP)

Es war Dieter Posch, der in seinem Ministerium – Herr Rhiel, das Sie jetzt übernommen haben – von 1999 bis 2003 über 50 % der Verordnungen und Erlasse aufgehoben hat.

(Gerhard Bökel (SPD): Bravo! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Aber er hat nicht nur das getan, sondern Dieter Posch hat z. B., unterstützt von der Union und der FDP, zwei wichtige Gesetzesvorhaben durchgezogen.Er hat nicht nur Altes wegfallen lassen, wie die Sammelholzgeschichte in Nordhessen, die in irgendeinem Gesetz notiert sein soll,

(Clemens Reif (CDU): Das war ein wirklicher Herkulesritt!)

sondern er hat in der Hessischen Bauordnung und im Planungsrecht Normen abgeschafft.Ich darf daran erinnern – Kollege Milde war mit einer der Leidtragenden –, welche Debatten geführt worden sind. Es waren nicht nur Freunde, die unterwegs gesagt haben: „Klasse, Dieter Posch, dass es keine Genehmigungspflicht für Ein- und Zweifamilienhäuser mehr gibt“,sondern sie haben gesagt: Mist, Herr Minister, jetzt komme ich in die Verantwortung. Das möchte ich aber gar nicht gern haben. Das stört mich nämlich.

(Hildegard Pfaff (SPD):Vorreiterrolle!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, machen wir doch einfach weiter,was Union und FDP – an den Beispielen des Wirtschaftsministeriums deutlich gemacht –

gemacht haben. Die Normen müssen auch dort weg, wo sie nur staatliche Verantwortung kaschieren. Die Verantwortung muss dann auch bei denen sein,die sie tatsächlich durchzuführen haben. Da waren es die Architekten.

Zum Landesplanungsgesetz.Als wir 1999 angetreten sind, gab es 250 Vorgaben, damit die Kommunen gegängelt werden. Was hat Dieter Posch in seiner Verantwortung – natürlich gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen von Union und FDP – gemacht? Er hat sie auf 48 reduziert. Das ist eine Reduzierung eines Vorschriftendschungels. Das hat der Ministerpräsident mit Freude zur Kenntnis genommen.Wir unterstützen es auch, dass Ihre Landesregierung nunmehr noch 37 Gesetze streichen will, aber bitte auch Gesetze, die das tägliche Leben in diesem Lande noch berühren, und nicht solche, die bereits im Jahre 1960, 1965 oder 1980, oder wann auch immer, ausgelaufen sind.

(Beifall bei der FDP)

Sechster Punkt, Mehrwertsteuererhöhung. Wir erwarten vom Hessischen Landtag zur Sicherung der Wirtschaft in unserem Lande, zur Steigerung der Zahl der Arbeits- und der Ausbildungsplätze in unserem Bundesland, dass ein einstimmiger Beschluss gefasst wird, dass die geplante Mehrwertsteuererhöhung zum 01.01.2007 abgelehnt wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir erwarten von der Landesregierung,dass sie mit allem, was ihr zur Verfügung steht, im Bundesrat und darüber hinaus dafür kämpft, dass es keine zusätzliche Belastung für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande gibt.

(Beifall bei der FDP)

Man kann es bald nicht mehr hören, wenn diese Details diskutiert werden,

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

wenn diese Windrädchen von den GRÜNEN als Lösung der Probleme hingestellt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist knallharte Politik zur Verhinderung von wirtschaftlichem Aufschwung.

(Norbert Schmitt (SPD):Wer wollte die Rädchen in Biblis? Es war der Hahn, der in Biblis die Rädchen wollte!)

Ein einziger Prozentpunkt Mehrwertsteuererhöhung bedeutet eine Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger in Höhe von 7 bis 8 Milliarden c.

Herr Kollege Hahn, die Redezeit ist abgelaufen.

Das heißt, in einem Jahr werden den Menschen zwischen 21 und 24 Milliarden c zusätzlich abgeknöpft. Hier muss man Verbraucherschutz machen und nicht, Herr Minister Rhiel, wenn es darum geht, den Stromkonzernen irgendetwas zu verbieten, was sie noch gar nicht beantragt haben, so, wie Sie es ganz offensichtlich in Ihren Stilfragen – –

(Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Es wäre die erste Mehrwertsteuererhöhung ohne Zu stimmung der FDP! – Zuruf des Ministers Dr.Alois Rhiel)

Herr Rhiel, Sie müssen es uns erklären. Ich muss Ihnen überhaupt nichts erklären. Sie müssen die Vorwürfe erklären, die die Energieversorger im Zusammenhang mit den Beschlüssen, die Sie gefasst haben oder nicht gefasst haben, gebracht haben.

(Beifall der Abg.Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP))

Letzte Bemerkung.

Herr Hahn, bitte kurz.

Herr Vizepräsident, letzte Bemerkung. Ich gehe davon aus, dass sich sämtliche Fraktionen in diesem Hause dafür einsetzen, die Landesregierung aufzufordern, die unsägliche Abzockerei bei den vorgezogenen Sozialabgaben wieder rückgängig zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Es kann nicht sein, dass die Sozialabgaben 13-mal – und das mit mehr Verwaltungsaufwand – eingezogen werden.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind sieben konkrete Punkte. Das sind Punkte, die für den Arbeitsmarkt, für den Wirtschaftsstandort Hessen von besonderer Bedeutung sind. Dafür werden wir eine Lösung in diesem Hause finden müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Hahn. – Als Nächster hat Herr Boddenberg für die CDU-Fraktion das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Frau Hölldobler-Heumüller, ich bleibe dabei: Ich freue mich auf diese Debatte. Nachdem ich den ersten Teil erlebt habe, gebe ich allerdings zu, dass das nicht jeden einzelnen Punkt der Vorreden betrifft,insbesondere nicht die von Rot-Grün und ganz besonders nicht die von Herrn Frankenberger. Der Rede von Herrn Frankenberger konnte ich nicht allzu viel Neues entnehmen, außer dass er hier Statistiken vorgetragen hat.

Meine Damen und Herren, wenn wir über Wirtschaftspolitik reden, reden wir über drei wesentliche Bereiche, in denen Politik gestalten kann. Das eine ist die Arbeitsmarktpolitik. Das Zweite ist der Zugang zu Kapital und Kapitalfluss in Richtung Wirtschaft, in Richtung Verbraucher.Zum Dritten reden wir – früher hieß das einmal:dritter Produktionsfaktor Boden – über Infrastruktur im weitesten Sinne, also über Standortpolitik.

Meine Damen und Herren, seit vielen Jahren müssen wir feststellen, dass wir in einem gewaltigen Umwandlungsprozess sind, auch und gerade in dem Industrieland Bundesrepublik Deutschland, wo wir sehr moderne, aber auch sehr schnelle Kapitalmärkte haben. Wir benötigen sehr flexible Arbeitsmärkte. Daher haben wir noch eine

ganze Menge an Arbeit vor uns, was die nationale politische Aufgabe anbelangt.

Frau Hölldobler-Heumüller,Sie haben das zwar mehrfach gesagt, aber es kann nicht sein, dass man in diesen wesentlichen Fragen, insbesondere was die Flexibilität des Arbeitsmarktes anbelangt,ausklammert,was der Bund an Rahmen schafft. Ich gebe zu – das wiederholen wir auch weiterhin –, dass das, was jetzt im Koalitionsvertrag steht, nicht das ist, was die CDU wollte. Wir haben hinsichtlich der Flexibilität von Arbeitsmärkten ein anderes Programm gehabt. Das wissen Sie. Insofern werden wir das auch weiterhin deutlich sagen, wenngleich wir zu dem Kompromiss in dieser Koalitionsvereinbarung an vielen Stellen leider gezwungen waren.