Protokoll der Sitzung vom 29.03.2006

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wo sie Recht hat, hat sie Recht!)

Also „düsterer Wolkenschieber, der den Untergang der Sparkassen ausruft“ – meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, ich frage dies bereits jetzt, denn in Ihrer Pressemitteilung ist zu dieser zentralen Frage – Bildung von Stammkapital und Ihre Position dazu – nichts enthalten.

Dass Sparkassen wichtig sind, ist unstrittig. Aber, Frau Kollegin, im Vorgriff auf Ihre Rede sage ich:Wir erwarten

auch von Ihnen eine Antwort darauf, wie Sie zu diesem zentralen Punkt der Bildung von Stammkapital stehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist in der Tat ein zentraler Punkt. Denn der bisherige Auftrag der Sparkassen, verankert in § 2 des Hessischen Sparkassengesetzes, und die Bildung von Stammkapital schließen sich gegenseitig aus. Bislang sind die hessischen Sparkassen rechtlich verselbstständigte Instrumente zur Verwirklichung des öffentlichen Auftrags. Nach der Bildung von Stammkapital werden die Sparkassen reine Finanzbeteiligungen sein.

Herr Abgeordneter, darf ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abg. Koch, des Herrn Ministerpräsidenten Koch, zulassen?

Aber natürlich, Herr Ministerpräsident, obwohl ich eigentlich dachte, dass Sie nachher Ihr Bild der Sparkassenlandschaft hier entwickeln. Aber ich lasse natürlich gern diese Zwischenfrage zu.

Bitte sehr.

(Gerhard Bökel (SPD): Sehr ungewöhnlich!)

Herr Abg. Bökel, ich habe auch noch Abgeordnetenrechte.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unstrittig!)

Herr Abg.Walter, können Sie mir erklären, warum ein so gefährlicher Angriff, wie Sie ihn beschreiben, durch die Möglichkeit, Stammkapital zu schaffen, seit dem 01.07.1999 im Bundesland Rheinland-Pfalz unter der Führung Ihrer Parteifreunde Gesetz ist und inzwischen in sieben Sparkassen angewandt worden ist, aber von der Gefahr,die davon ausgeht,eigentlich noch niemand etwas gehört hat, bevor Sie sich damit beschäftigt haben?

Herr Ministerpräsident, ich werde gerne noch ausführlich darauf eingehen. Aber Sie wissen, dass dies nicht unter Führung meiner Partei stattgefunden hat, sondern dass dies – das ist unbestritten – dem Druck der FDP geschuldet war.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

Das ist exakt der Punkt. Im Übrigen haben wir damit überhaupt keine Probleme, Herr Ministerpräsident, weil die Damen und Herren der FDP an dieser Stelle ehrlicher sind als die Union. Die FDP beantragt auch in diesem Hause: Wir wollen private Beteiligungen an Sparkassen, wir wollen private Investitionsmöglichkeiten an Sparkassen zulassen. Das sagt die FDP offen. Sie sagen das nicht offen, Herr Ministerpräsident, und deshalb ist die FDP an dieser Stelle die geradlinigere Partei.

(Beifall bei der SPD)

Aber noch einmal zu Rheinland-Pfalz,weil das hier zu allgemeiner Belustigung geführt hat. Die Situation der Sparkassen in Rheinland-Pfalz,die mit dem Finanzplatz Mainz auch einen hervorragenden Finanzplatz haben – ohne den Freunden da drüben zu nahe zu treten –, ist natürlich eine völlig andere Situation als die in unserem Bundesland Hessen.

(Beifall bei der SPD)

Alle Beteiligten, auch die Kommunalen Spitzenverbände in Rheinland-Pfalz, auch das Sparkassenwesen, die Sparkassenfamilie in Rheinland-Pfalz, waren – das wissen Sie, Herr Ministerpräsident – ausdrücklich und entschieden gegen die Schaffung von Stammkapital. Die Gefahren in Rheinland-Pfalz sind ähnlich wie die Gefahren, die in Hessen entstehen werden. Diese Gefahren haben sich allerdings bislang in Rheinland-Pfalz noch nicht realisiert. Ich bin sehr sicher, dass sich im Gegensatz dazu die Gefahren in Hessen realisieren werden. Dies hat etwas mit der anderen Struktur an unserem Bankenplatz Frankfurt zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe vorgetragen, dass die Schaffung von Stammkapital die Sparkassen zu Finanzbeteiligungen macht. Das bedeutet, dass die Sparkassen in Zukunft der Haushaltsbetrachtung unterworfen sind und in die Haushaltsbetrachtungen einzubeziehen sind. Jetzt haben wir das erste Problem:Angesichts der enormen Defizite in den kommunalen Haushalten befürchten wir, dass kurz- und mittelfristig ein Druck auf die kommunalen Träger entstehen wird, zur Haushaltssanierung von ihrer Finanzbeteiligung Abstand zu nehmen. Diese Gefahr, diese Angst ist keine virtuelle. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem Sonderfall der Sparkasse von 1822 in Frankfurt haben wir im Jahr 2002 ein Schreiben des hessischen Innenministeriums als Genehmigungsbehörde, Herr Minister Bouffier, an die Stadt Frankfurt mit der klaren Aussage: Veräußert eure Sparkassen zur Sanierung eures Haushalts. – In Zukunft wäre diese Situation in jedem hessischen Landkreis möglich.

Ich habe mir die Zahlen der Defizite in den hessischen Landkreisen herausgesucht. Wir haben in unseren Landkreisen die höchsten Defizite in der gesamten Bundesrepublik Deutschland.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Insgesamt summieren sich die Defizite am Ende des Jahres 2004 auf 2,5 Milliarden c. Herr Ministerpräsident, da wollen Sie uns weismachen, dass bei dieser Haushaltslage bei geschaffener Veräußerbarkeit der Sparkassen kein Regierungspräsidium und kein Innenministerium irgendwann einmal auf die Idee kommt, zu sagen: Verwertet eure Sparkassen zur Sanierung eurer Haushalte. – In gewisser Weise wären sie rechtlich sogar verpflichtet, diesen Hinweis zu geben.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Reicht es nicht aus, wenn wir das ausweisen?)

Zweiter Punkt. Ich unterstelle jetzt einmal, dass die Begrenzung des Erwerberkreises zulässig ist und zulässig bleiben wird. Auf diesen Punkt gehe ich dann auch noch ein. Sie nennen drei mögliche Erwerber. Das sind zum einen andere Sparkassenträger. Ich glaube, dass wir diesen Bereich relativ vernachlässigen können angesichts der hier genannten Zahlen. Kein Landkreis, keine Kommune

hat die finanzielle Kraft, eine Sparkasse zu erwerben. Deshalb ist diese Möglichkeit eher zu vernachlässigen.

Kommen wir zum zweiten möglichen Erwerber: Ein Institut kauft ein Institut, also eine Sparkasse kauft eine andere Sparkasse. Was passiert dann mit der Sparkasse, die erworben wird? Die Sparkasse, die erworben wird, hat dann nicht mehr den öffentlichen Zweck, sondern diese Sparkasse ist ein reines Investment einer anderen Sparkasse. Der Vorsitzende der erworbenen Sparkasse ist nicht der Landrat des erwerbenden Instituts, sondern das ist der Vorsitzende der Sparkasse. Sie sind dann gezwungen – das halte ich nebenbei für richtig und unstrittig –, dass zumindest das Institut, das erworben hat, zur Refinanzierung des eingesetzten Kapitals die Rendite erwirtschaftet, die notwendig ist, um dieses Kapital zu finanzieren.Ansonsten gibt es Ärger.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist doch relativ deutlich, dass der jetzt in § 2 vorgesehene öffentliche Zweck nicht mehr zu halten ist.

Kommen wir zum dritten Bereich. Das ist wahrscheinlich der Bereich, über den Sie jetzt gleich reden werden. Die dritte Möglichkeit,die im Übrigen in Rheinland-Pfalz,wie Sie wissen, nicht vorgesehen ist, ist die Möglichkeit, dass die Helaba Sparkassen erwerben kann. Das Bild der Ballungsraumsparkasse, des Ballungsrauminstituts RheinMain haben Sie, Herr Ministerpräsident, schon mehrfach in Reden angesprochen, und ich persönlich glaube, dass dies Ihr Ziel ist. Die Helaba erwirbt weitere Sparkassen; die Sparkasse von 1822 war schon einmal ein erster Schritt.

(Clemens Reif (CDU): Ein notwendiger!)

Ein notwendiger Schritt. Ich glaube, dass ihr in diese Richtung denkt.

Jetzt müssen wir doch feststellen:Was ist denn passiert bei dem Kauf der Sparkasse von 1822? Diese rund 740 Millionen c sind nicht mehr im System, aber sie waren im System. Die Helaba hat diesen Kauf finanziert, und das Geld ist zum einen bei den Polytechnikern und zum anderen bei der Stadt Frankfurt. Das sind 740 Millionen c, die dem System entzogen worden sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht bei e i n e m Kauf. Allein die Erwerbung der nächstgrößeren Sparkasse im RheinMain-Gebiet, nämlich der Naspa, würde weitere Beträge in ähnlicher Größenordnung entziehen.

(Clemens Reif (CDU): Was wollen Sie denn damit sagen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen, dass die Helaba auf eines angewiesen ist, nämlich auf ein Rating, und zwar auf ein gutes Rating. Die Ratingagenturen haben völlig zu Recht und auch nicht überraschend gesagt: Wenn weitere Mittel entzogen werden, dann müssen wir das Rating der hessischen Landesbank überprüfen. – Uns als Land Hessen gehören 10 % dieses Instituts. Mit dem, was Sie hier vorschlagen, was Sie als Ziel haben, schwächen wir unser eigenes Institut, an dem wir Anteile haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist um.

Im Übrigen haben wir relativ lange – manche waren ja daran beteiligt – über das Verbundkonzept diskutiert, über einen gegenseitigen Haftungsverbund. Der Ankauf der Sparkassen über die Helaba und der Haftungsverbund widersprechen sich. Wir haben es in Hessen geschafft, als bislang Einzige ein Verbundrating zu bekommen. Die Ratingagenturen sagen: Das ist ein guter Weg.

Herr Kollege, Sie müssten zum Ende kommen. Sie haben Ihre Redezeit schon um zwei Minuten überzogen.

Okay. – Mit dem Weg, den Sie vorschreiben, wird auch dieses Verbundkonzept zerschlagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bedenken bei diesem Weg sind größer als die Chancen. Unsere Sparkassen sind Garant für Ausbildungsplätze und für Arbeitsplätze. Unsere Sparkassen sind der Garant für die Kreditfinanzierung des Mittelstands und des kleinen Gewerbes, und sie sind der Garant für die soziale Bankdienstleistung. Mit Ihrem Weg gefährden Sie diese wichtige Funktion, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU hat Herr Kollege Reif das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seien Sie versichert, Herr Walter: Die Sparkassen in Hessen werden auch in Zukunft der Garant für Ausbildungsplätze sein, sie werden auch in Zukunft der Garant für Arbeitsplätze sein,und sie werden auch in Zukunft der Garant für die Finanzierung unserer mittelständischen Wirtschaft in Hessen sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin überzeugt davon, dass das von der Hessischen Landesregierung vorzulegende und von der CDU unterstützte neue Sparkassengesetz diesen Anforderungen vollauf gerecht werden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Walter, wir wollen weder Wolkenschieber- noch Untergangsszenarien haben. Wir wollen in diesem Lande ganz einfach Folgendes.Wir wollen, dass die Sparkassen in diesem Lande, in dem der größte Finanzplatz der Bundesrepublik ist, der weltweit eine Bedeutung hat, der im Wettbewerb zu anderen europäischen Finanzzentralen – nämlich in London und Paris, in Mailand und Amsterdam – steht, diesen wettbewerblichen Herausforderungen in der Zukunft begegnen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese wettbewerblichen Voraussetzungen haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Wir unterliegen einem sagenhaften Wettbewerb, einer Konzentration, einer Internationalisierung, einer Globalisierung in nicht gehabtem Ausmaß.Das,was vor zehn Jahren in diesem Land in dem Bankenwesen noch war, ist heute schier nicht

mehr möglich. Wir sind der Auffassung, dass sich in Zukunft Sparkassen unter den Umständen dieser Globalisierung, dieser Internationalisierung stärker herausgefordert fühlen, als das in der Vergangenheit überhaupt vorstellbar gewesen ist.

Die Sparkassen sind in der Bundesrepublik Deutschland – so würde ich sagen – große Marktteilnehmer, die Marktteilnehmer mit dem größten Potenzial in dem Bankenwesen auf jeden Fall. Wir haben die größten Spareinlagen, wir haben die größten Kontenbewegungen, wir haben das größte Geldvolumen, wir haben das größte Sparvolumen bei den Sparkassen. Herr Vizepräsident, aber der Punkt ist der, dass dieses im Sparkassenwesen nicht konzentriert ist, sondern wir dieses auf rund 470 Sparkassen, 13 öffentlich-rechtliche Versicherungen, 11 Landesbausparkassen, 11 Landesbanken, 9 Kapitalanlagegesellschaften, 7 Leasinggesellschaften und viele weitere Verbundunternehmen dezentralisiert haben.