Protokoll der Sitzung vom 30.03.2006

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Jawohl!)

Benachteiligung – das ist klar – muss beseitigt und die Rechte von Minderheiten müssen gestärkt werden. Gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle Bürger, und das unabhängig von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität – diesem Ziel fühlt sich die FDP seit jeher verpflichtet.

(Beifall bei der FDP – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU):Wir auch!)

Andere Fraktionen dieses Hauses offensichtlich auch.

Frau Kollegin Hofmann, der Abbau von Diskriminierung lässt sich aber nicht per Gesetz verordnen.

(Heike Hofmann (SPD):Sie haben überhaupt nicht zugehört!)

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.Was wir brauchen, ist eine Veränderung des Bewusstseins. Wir müssen eine Kultur des Miteinanders entwickeln, in der Diskriminierung und Vorurteile geächtet und Vielfalt und Unterschiedlichkeit nicht nur akzeptiert und toleriert, sondern eben auch als Bereicherung empfunden werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut! Das könnte von mir stammen!)

Zudem ist es falsch, Herr Dr. Jürgens, zu glauben, dass das deutsche Recht keine Antidiskriminierungsvorschriften kenne. So gibt es beispielsweise in allen Rechtsnormen rund 90 Schutzvorschriften für Menschen mit Behinderungen, davon 13 im Arbeitsrecht. Das geltende Recht verbietet zudem – darauf haben Sie selbst verwiesen,Herr Dr. Jürgens, und von daher halte ich Ihre Argumentation in weiten Bereichen für widersprüchlich – in Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz dem Staat jede Form der Ungleichbehandlung wegen der in dieser Vorschrift angeführten absoluten Diskriminierungsverbote.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja, dem Staat!)

Herr Kollege Jürgens, daraus ergibt sich zugleich eine Schutzpflicht des Staates, auch im Privatrechtsverkehr für die Beachtung dieser Wertungen zu sorgen.

(Beifall bei der FDP)

Das heißt also: Minderheiten in Deutschland sind keineswegs schutzlos, wie das von Ihnen oder auch der Kollegin Hofmann behauptet wurde.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Wir als FDP hielten es daher für bedauerlich, wenn das Ziel, Gerechtigkeit durch Gleichbehandlung zu schaffen und Diskriminierung auch im Privatrecht zu vermeiden, wegen mangelnder Akzeptanz eines ausufernden Gesetzes verfehlt würde.

(Beifall bei der FDP)

Daraus folgt für uns, dass wir die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien im deutschen Recht 1 : 1 umsetzen wollen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist schon zu viel!)

Herr Kollege Wagner, ich glaube, für einen Staat, der auch EU-vertragstreu ist, ist das das Mindestmaß.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg.Dr.Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Zudem sind wir der Auffassung, dass die Harmonisierung im EU-Recht gerade dann nicht erreicht wird,wenn sämtliche Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der EU-Richtlinien die unterschiedlichsten Regelungsinhalte wählen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, von daher sind wir der festen Überzeugung, dass es das Beste ist, gerade angesichts der bereits in drei Fällen bestehenden Verfristung, die Richtlinien nunmehr 1 : 1 und auf dem schnellsten Wege umzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Sehr verehrter und geschätzter Herr Kollege Dr.Wagner, es bleibt allerdings zu hoffen, dass sich die CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag nicht von der SPD, wie von Frau Bundesjustizministerin Zypries bereits angekündigt, großkoalitionär über den Tisch ziehen lässt und Regelungen zustimmt, die Sie an dieser Stelle zuvor entschieden, z. B. in der Person des Kollegen Boris Rhein, abgelehnt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Beer. – Das Wort hat Herr Staatsminister Banzer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es klar ist, dass die Richtlinie in Europa umgesetzt werden muss, dann ist es doch bemerkenswert, dass trotzdem so heftig über diese Frage diskutiert wird. Das liegt daran – ich glaube,dass das jetzt auch wieder ein Punkt ist, bei dem wir intensiv diskutieren müssen –, dass es tatsächlich zwei verschiedene Gesellschaftsverständnisse, zwei verschiedene Staatsverständnisse gibt, über die wir hier reden.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Genau! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): So ist es!)

Das Konzept von Ihnen, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist das Konzept des Wohlfahrtsstaates, des bevormundenden Staates, des Großen-Bruder-Staats, der den Bürger, den Untertan, an die Hand nimmt und ihm vorschreibt, welche Verträge er abschließen darf und welche er nicht abschließen darf.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es gibt eben bei der Umsetzung von Gesetzen irgendwann auch Punkte, wo verschiedene Positionen deutlich werden und man nicht alles auf einmal machen kann.Will ich einen solchen Staat haben, oder will ich einen Staat, der auf Freiheit und Selbstbestimmung setzt?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Will ich einen Staat, der soziale Marktwirtschaft fördert und der weiß, dass ohne Privatautonomie und ohne Vertragsfreiheit soziale Marktwirtschaft einfach nicht funktionieren kann?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Selbst dann, wenn sie im Kleid schönster Absichten daherkommt, bleibt Freiheitseinschränkung Freiheitseinschränkung.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Es ist natürlich ein verführerisches Kleid, wenn man fragt: Ist der, der dieses Vertragskonzept ablehnt, denn nicht für gleiche Rechte für Behinderte? Will er eine Diskriminierung aus den Gründen, die hier zur Diskussion stehen? – Nein.

Herr Minister,Frau Kollegin Hofmann möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist ungefährlich!)

Das ist vor allem sehr nett. Deswegen muss man das auch machen.

Herr Justizminister, Sie behaupten, dass wir bei dem Dissens, den es im Zivilrecht zur CDU gibt, vier weitere Merkmale aufnehmen wollen. Sie stellen gerade das Bild des Wohlfahrtsstaates dar, den die SPD sozusagen aufbauen wolle. Ist Ihnen bekannt, dass in Belgien in das entsprechende Gesetz 17 Merkmale aufgenommen worden sind?

Das halte ich eben für ein falsches Konzept.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der der SPD: Sagen Sie das mal Ihren Parteifreunden! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Noch eine Zusatzfrage! – Clemens Reif (CDU):Den Belgiern sollte man sowieso nicht alles nachmachen!)

Ich will es wegen der fortgeschrittenen Zeit kurz machen. Diese Grundsatzentscheidung ist hier zu treffen. Die Landesregierung steht auf der Seite, möglichst wenige Freiheitseinschränkungen und möglichst viel Privatautonomie zu gewährleisten. Die Grundregeln sind in der Verfassung, unserem Grundgesetz, mit einem glänzend formulierten Art. 3 festgelegt. Das bleibt Maxime. Dem ist nichts hinzuzufügen. Deswegen sind wir für die 1 : 1-Umsetzung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Soll Tagesordnungspunkt 23, der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, an den Rechtsausschuss und den Innenausschuss überwiesen werden?

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): RTA federführend!)

Ja, das sehen wir. – Es gibt keine Bedenken.

Was machen wir mit dem Entschließungsantrag? Soll der auch mit in den Ausschuss? – Es gibt keine Bedenken. Dann ist das so beschlossen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 24 auf:

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend „Von der Freiheit, Kinder zu haben“ – Drucks. 16/5243 –