Sehr verehrter Herr Kollege Rudolph, ich muss zugeben: Als ich Ihren Gesetzentwurf gesehen habe, musste ich ein bisschen schmunzeln, weil der eine oder andere Absatz mich sehr an unseren damaligen Gesetzentwurf erinnert hat.
Sie haben heute fairerweise erwähnt, dass Sie auch sehr gut abschreiben können – wahrscheinlich in der Schule gelernt.
Der Gesetzentwurf ist sehr zu begrüßen. Das möchte ich hier namens meiner Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN festhalten. Ich möchte aber betonen, dass ich das als bunt gemischt empfunden habe. Es sind drei verschiedene Punkte angesprochen worden, die nur so viel Gemeinsamkeit miteinander haben, dass sie alle in der HGO geregelt werden können oder geregelt sind. Thematisch zusammenhängend sind sie nicht. Das müssen wir zugeben. Ich muss auch klar aussprechen, dass ich ein bisschen enttäuscht war, dass Sie bei den Quoren hinter den Gesetzesforderungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geblieben sind.
Sie haben in Ihrem Entwurf zwei Stufen vorgesehen. Wir GRÜNEN hatten eine dritte Stufe. Das hätten Sie mit abschreiben können. Dann wäre das in Ordnung gewesen.
Ich möchte deswegen heute ankündigen, dass wir für die Debatte im Ausschuss auf jeden Fall einen Änderungsantrag einbringen werden.
Ich kann meine Ausführungen nicht fortführen, wenn von der Regierungsbank Zwischenrufe kommen. – Ich denke, es ist ein wichtiger Vorstoß. Ich möchte dennoch daran erinnern, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch eine Absenkung der Quoren für Städte ab 100.000 Einwohnern vorgesehen hat, weil wir in der Praxis die Erfahrung gemacht haben: Je größer eine Kommune ist, umso weniger Bürgerentscheide können dort durchgeführt werden.Wir kennen alle aus der Praxis das Problem, dass Unterschriften nicht zusammengebracht werden können. Da möchten wir, wenn wir von Bürgerbeteiligung sprechen, in diesem Punkt eine Vereinfachung erzielen.
Nichtsdestotrotz finden wir Ihren Gesetzentwurf mit dem Vorschlag der Absenkung der Quoren sehr begrüßenswert und werden ihn natürlich unterstützen.Wichtig ist in einer Demokratie, in der Politikverdrossenheit wächst und die Wahlbeteiligung sinkt – das möchte ich hier festhalten –,mehr Anreize für die Bürgerbeteiligung zu schaffen.
Wir hatten in unserem Entwurf – das möchte ich heute auch vermerken – Themen wie die Einwohnerversammlung, Petitionsrecht und Fragestunden eingeführt. Damals war die SPD dazu sehr skeptisch. Ich gehe davon aus, dass Sie heute etwas offener sind und dass es in diesem Bereich eine Chance für Fortschritte gibt.
Beim zweiten Punkt, dem Gemeindewirtschaftsrecht, wird die Sache etwas komplizierter.Deswegen möchte ich diesen Punkt wegen der Kürze der Redezeit hier ausnehmen und im Ausschuss in die Debatte einsteigen.
Ich möchte kurz auf den dritten Punkt, Seniorenbeiräte, eingehen.Sie haben Seniorenbeiräte gefordert.Das ist begrüßenswert, das haben wir GRÜNE auch immer unterstützt.Wenn es darum geht, älteren Menschen eine Betei
ligungsmöglichkeit zu geben, vor allem wenn es um die Diskussion des demografischen Wandels geht, sind wir mit Ihnen d’accord. Das finden wir vorteilhaft und begrüßenswert.
Ich möchte hier aber kurz einen Knackpunkt erwähnen, und zwar geht es darum, dass Sie in Ihrem Entwurf die in den Kommunen lebenden Migrantinnen und Migranten vom aktiven und passiven Wahlrecht für die Seniorenbeiräte ausgenommen haben. Hier möchte ich ein kurzes Beispiel aufzeigen. In der Stadt Frankfurt sind wir einen Schritt weiter. Dort können beispielsweise alle Einwohnerinnen und Einwohner ab dem 60. Lebensjahr zum Seniorenbeirat zwar nicht direkt gewählt werden, aber von den Ortsbeiräten vorgeschlagen werden. Wir sind der Meinung, dass Sie hier ein bisschen zurückgeblieben sind. Ich denke aber, dass Sie ein offenes Ohr haben.
Zurückgeblieben in Ihrem Vorschlag, so meinte ich das natürlich. Nicht, dass mir hier irgendetwas unterstellt wird.
Aber ich sehe, dass Sie ein offenes Ohr signalisiert haben und dass wir gemeinsam der Meinung sind: Die HGO sollte nicht als ein Abwehrrecht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern betrachtet werden, im Gegenteil. Wir sollten schauen, dass wir die Hürden abbauen, um mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen. In dem Sinne bedanke ich mich für den Entwurf und freue mich auf die Auseinandersetzungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank,Frau Kollegin Öztürk.– Nächster Redner ist Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter Ziffer 6 des Wahlprogramms der LINKEN für die Landtagswahl steht die Überschrift: „Endlich mehr Demokratie wagen“. In diesem Abschnitt sind auch Eckpfeiler benannt, wo es darum geht, die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und auszuweiten.
Wir wollen mehr direkte Demokratie, und zwar sowohl in den Kommunen als auch auf Landes- und Bundesebene. Insofern unterstützen und begrüßen wir den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Stärkung der kommunalen Bürgerbeteiligung. Ich will das aber zum Anlass nehmen, an dieser Stelle darauf hinzuweisen – auch wenn es zugegebenermaßen über die Thematik, über den Gesetzentwurf hinausgeht –, dass es uns auch darum geht, auf der Landesebene die Regelungen betreffend Volksbegehren und Volksentscheide zu revidieren, wie das die Gewerkschaften schon seit Jahren fordern. Mir ist sehr wohl bewusst, dass das nur in einer gemeinsamen Aktion möglich ist, aber gerade der Anlass, in der Nachschau einmal zu betrachten, welch ein organisatorischer Aufwand notwendig war, um die Volksklage gegen die Studiengebühren zu organisieren und letztendlich erfolgreich einzureichen, hat doch deutlich gemacht, dass es auch auf Landesebene notwendig ist, darüber nachzudenken, wie z. B. Quoren
Vor allen Dingen ist die Frage – da komme ich auf die kommunale Ebene zurück –, inwieweit Bürgerbegehren und Bürgerentscheide durch die jeweilige Gemeinde administrativ unterstützt werden können und sollen. Insofern freue ich mich auf die Diskussion mit den Experten in der Anhörung, weil es genau an der Stelle wichtig ist, auf Verfahrensfragen zu schauen,wie die Einreichung von Initiativen nicht nur von den Quoren her erleichtert, sondern auch durch die Verwaltung in der Kommune aktiv unterstützt werden kann.
Wir hätten uns auch gewünscht – ich will das nur mit dem einen Satz ansprechen, weil es in diesen Zusammenhang gehört –,dass es auch auf Bundesebene,z.B.zum EU-Vertrag, eine Volksabstimmung gegeben hätte.
Auch das wäre ein Stück mehr Demokratie gewesen. Das wäre sicherlich notwendig,und das würde die Demokratie stärken.
Das ist richtig, Herr Rudolph. Ich habe ja nur diesen Zusammenhang herstellen wollen, weil ich denke, es ist notwendig, dies auch anzusprechen und zu diskutieren.
Ich komme nun zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Wir unterstützen und begrüßen, wie ich schon ausführte, die entsprechenden Regelungen zur Erleichterung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Wir unterstützen auch die Initiative zur Einrichtung von Seniorenbeiräten, die es in vielen Gemeinden schon gibt, und auch die Verbesserung ihrer Rechte. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass wir gemeinsam darüber diskutieren sollten, in welcher Weise es darüber hinaus nicht nur Anhörungs- und Vorschlagsrechte, sondern auch eine echte Beteiligung von Seniorinnen und Senioren sowie von Ausländerbeiräten geben kann. Ich erlaube mir auch, darauf hinzuweisen, dass es für uns in der Diskussion auch wichtig ist, zu prüfen, inwieweit es möglich ist, durch Änderungen in der Hessischen Gemeindeordnung Bürgerinnen und Bürger, die nicht EU-Bürger, aber schon seit Langem in der Gemeinde tätig sind, einzubeziehen und sie nicht an der vom Gesetz bisher gezogenen Grenze aufzuhalten.
Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Wir unterstützen die Regelungen betreffend die Gewährleistung der Daseinsvorsorge, die Sie hier vorschlagen, sehr. Meiner Ansicht nach entscheidend ist hier die Änderung in § 121 Abs. 4, die Sie vorschlagen. Wir sind auch der Meinung, dass den Bedenken, die die Handwerkerschaft teilweise aus guten Gründen hat, mit den neuen Regelungen in § 121 Abs. 6 Rechnung getragen wird.
Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ich hatte gestern Abend eine Diskussion darüber.Wir sind der Meinung, dass das eine gute Regelung, eine gute Lösung ist. Wir wollen, dass die Gemeinden in einem bestimmten Rahmen wirtschaftlich tätig werden können, und wir
Wenn Sie sagen, das war schön, dann ist das mein Schlusswort. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank,Herr Schaus.– Für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Bouffier das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Aus der Sicht der Landesregierung einige Anmerkungen zu dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.
Ich gehe der Reihe nach vor. Die Veränderungen, die Sie hier zum Gemeindewirtschaftsrecht anstreben, sind aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Sie sind weder notwendig, noch fragt sie jemand ab, sie sind aber auch nicht sinnvoll.
Wir hatten über viele Jahre immer wieder Diskussion zwischen den Kommunen auf der einen Seite und dem Handwerk, dem Handel, der Wirtschaft auf der anderen Seite darüber, ob sich die Kommunen in einem bestimmten Bereich so breit machen, dass es dem Handwerk und der Wirtschaft schadet. Diese Debatte ist in Hessen in der Amtszeit von Gottfried Milde, Dr. Günther und Gerhard Bökel sowie in meiner Amtszeit geführt worden. Wir haben versucht, verschiedene Gremien zu finden, die diese Streitfälle schlichten können.All das hat zu nichts geführt.