Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Der Anteil der Bahn am deutschen Güterverkehr ist von 1990 bis 2005 von 18 % auf 12 % gesunken. Die Logistiktochter der Bahn, Schenker, steuert mittlerweile die Hälfte des Bahnumsatzes bei, und zwar mit Lkw-Transporten. Wir wissen alle, dass die Umweltbelastung durch den Lkw-Verkehr pro Tonnenkilometer sehr viel höher ist als bei der Bahn.

Zwei Drittel aller Deutschen fühlen sich durch Verkehrslärm belästigt.Daher ist ein massives Umsteuern auf allen Ebenen staatlicher Politik nötig, zumal die Prognosen für das kommende Jahr von einer weiteren Verdopplung des Güterverkehrsaufkommens ausgehen.Man muss den Güterverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene verlegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Prognose, die sich als falsch erwiesen hat, ist die der Bundesregierung. Sie ist davon ausgegangen, dass die Erhebung einer Lkw-Maut für Autobahnen den Straßengüterverkehr begrenzen würde. Der Güterverkehr auf der Straße hat sich aber tatsächlich seit der Einführung der Maut noch einmal um 30 % erhöht.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Das ist dann doch mehr!)

Auch die Tatsache, dass die Mauterhebung zu sogenanntem Ausweichverkehr auf nicht mautpflichtigen Straßen führt, ist seit Langem bekannt.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat nun neben einer Spreizung der Mautgebühren auch ihre Senkung von 15 auf 12,4 Cent pro Kilometer beschlossen. Das wird das Problem des Ausweichverkehrs nicht lösen, aber die Attraktivität der Straße gegenüber der Schiene weiter erhöhen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es weiterhin viel mehr Autoverkehr gibt, als Menschen und Umwelt vertragen können und wollen. Marktmechanismen führen eben nicht dazu, dass gesellschaftlich wünschenswerte Ziele erreicht werden. Deshalb sind Regulierungen nötig, wie es in diesem Fall versucht wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erleben derzeit die Umstrukturierung und die nun beschlossene Teilprivatisierung der Bahn AG. Sie wird die Probleme mittelfristig noch verschärfen. Denn Aufgabe dieses nun profitorientierten Unternehmens ist nicht mehr in erster Linie eine ausgewogene und an den Interessen der Menschen in diesem Land ausgerichtete Politik, sondern das Erwirtschaften von Profit.

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Ist das so schlimm?)

Wir werden das Problem nicht allein in Hessen lösen, weil das alles Bundesentscheidungen sind. Das wissen Sie. Ich denke, deshalb sollten Sie Ihren Kollegen in Berlin umgehend das Problem schildern und eine Bundesratsinitiative starten, die es Ländern und Kommunen ermöglicht,

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Lübcke (CDU))

Straßen, die durch ihr Gebiet führen, für bestimmten Verkehr zu sperren. Die Bevorzugung der Straße vor der Schiene muss ein Ende haben. Sonst verschieben wir den Verkehrskollaps nur weiter von einer Straße auf die andere.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Pfaff hat vorhin gesagt, die Interessen der Wirtschaft müssen gleich gewichtet werden mit den Interessen der Anwohner. Ich bin der Meinung, die Interessen der Anwohner, der Menschen, müssen im Vordergrund stehen. Denn auch in der Verkehrspolitik muss gelten: Menschen vor Profit.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Lübcke (CDU): Ohne Arbeitsplätze kein Wohlstand, junge Frau!)

Mein lieber Kollege von der CDU, wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.

(Dr.Walter Lübcke (CDU):Was?)

Ihre Partei bekommt jedes Jahr 300.000 c von Daimler und 100.000 c von BMW. Dass Sie für neue Autobahnen sind, ist nicht verwunderlich.

(Beifall bei der LINKEN – Lebhafter Zuruf des Abg. Dr. Walter Lübcke (CDU) – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Herzlichen Dank. – Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Dr. Rhiel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Sachverhalt, der schon ausreichend diskutiert wurde, aus Sicht der Hessischen Landesregierung folgende Feststellungen treffen.

Erstens. Die politisch Verantwortlichen dürfen die Anwohner an den betroffenen Landesstraßen nicht alleinelassen.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen sie vor Lärm, Gestank und den Erschütterungen schützen, die die Transit-Lkw verursachen. Die Hessische Landesregierung hat sofort nach Einführung der

Maut gehandelt, und zwar gleich im Jahre 2006, nachdem die ersten Erfahrungen vorgelegen haben.

Zweitens. Dank der Sperrung für Transit-Lkw wurden die Anwohner deutlich vor Lärm, Abgasen und Erschütterungen an den Bundesstraßen in Nord- und Mittelhessen geschützt.

(Beifall bei der CDU)

Durch die Fahrverbote ist die Lebensqualität für die Menschen an diesen betroffenen Durchgangsstraßen wieder stark gestiegen.

Drittens.Der Transitverkehr gehört auf die Autobahn und nicht auf die Bundesstraßen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Wer Güter von Norwegen nach Sizilien transportieren will,

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Soll die Bahn nehmen!)

für den besteht keine Berechtigung, die Autobahn zu verlassen und durch Mittel- und Nordhessen auf den Bundesstraßen zu fahren und die Anwohner zu belästigen.

(Beifall bei der CDU)

Durch unsere Maßnahmen ist der größte Teil des Schwerlastverkehrs wieder auf die Autobahnen zurückgedrängt worden, ohne – das möchte ich deutlich unterstreichen – die heimischen Spediteure und die heimische Wirtschaft zu belasten. Es geht ausschließlich um die Zurückdrängung des Transitverkehrs.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bilanz ist insgesamt positiv. Der Lärm ist auf allen Streckenabschnitten spürbar zurückgegangen. Also wurde das erste Ziel, die Reduzierung von Lärm,Abgasen und Erschütterungen, erreicht.

(Beifall bei der CDU)

Viertens. Auch die Verkehrssicherheit wurde wieder verbessert. Denn die Polizei hat in ihren Berichten eindeutig dokumentiert, dass es auf der B 7 und auf der B 27 nach Einführung der Maut vermehrt Unfälle mit Beteiligung von Lkw gegeben hat.In dieser Zeit ohne Sperrung wurde die höchste Unfallbelastung beispielsweise im WerraMeißner-Kreis auf der B 27 verzeichnet. Dank der Durchfahrverbote für die Transit-Lkw ist die Zahl der Verkehrsunfälle deutlich gesunken. Also wurde auch das zweite Ziel erreicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte fünftens fest: Über die Entscheidung in der ersten Instanz durch das Verwaltungsgericht in Kassel bin ich genauso enttäuscht wie Sie, die Sie ebenfalls Ihre Enttäuschung hier vorgetragen haben. Ich bin vor allem genauso enttäuscht wie die Anwohner an diesen Straßen. Bei den Durchfahrverboten handelt es sich nämlich um einen guten Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen der Anwohner einerseits und der regionalen Wirtschaft andererseits, aber auch der regionalen Speditions- und Güterverkehrsunternehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die schriftlichen Entscheidungsgründe – Sie haben das eben dokumentiert – liegen uns seit gestern Abend offiziell vor. Wir werden diese Gründe nüchtern und genau analysieren und dann die endgültige Entscheidung treffen.

Ich darf aber sechstens bereits heute nach der ersten Einschätzung hier deutlich machen, dass ich Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes einlegen werde.

(Beifall bei der CDU)

Denn ich komme zu folgender Erkenntnis – Herr Kaufmann, das sage ich auch an Ihre Adresse –: Das Verwaltungsgericht ist leider nur unzureichend auf die vorgetragenen Argumente eingegangen. Die Fairness gebietet es, dass wir das Urteil erst genau studieren. Aber ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Die Richter haben sich ausschließlich auf zwei Zählstellen und die Daten bezogen, die dort produziert wurden.Alle anderen Daten haben sie nicht berücksichtigt. Meine Damen und Herren, das ist ein wesentlicher Grund, warum wir dringend die nächste Instanz anrufen müssen. Wenn das Gericht sein Urteil auch damit erklärt – das ist auch emotional nicht nachvollziehbar; das macht die Empörung der Menschen deutlich –, dass mit den Sperrungen keine positiven Wirkungen für die Bevölkerung eingetreten seien, so nachzulesen, kann ich und können wir das alles sicher nicht nachvollziehen.

(Beifall des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden also gegenüber der nächsten Instanz im Berufungsverfahren, also gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof, noch einmal deutlich die Schätzung der entlastenden Wirkung dieser Maßnahmen vorlegen. Ich denke, wir dürfen große Hoffnung haben, weil gerade vor wenigen Tagen – am 13. März 2008 – ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zu einem analogen Sachverhalt, in dem Fall in Bayern, ergangen ist.

Die Fraktionsredezeit ist abgelaufen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil deutlich gemacht, dass nicht nur sozusagen der Zahl nach gewertet werden darf, sondern auch dem Sinn des § 45 Abs. 9 StVO entsprochen werden muss. Frau Pfaff, es freut mich sehr, dass Sie diese Einschätzung teilen. Sie haben uns gebeten, Berufung einzulegen. Ich habe gesagt, dass wir das tun werden. Ihr Argument war, dass Sie sich Erfolg von einer solchen Berufung versprechen. Das ist letztlich nichts anderes als das Lob dafür, dass wir es richtig gemacht haben.

(Zuruf der Abg. Hildegard Pfaff (SPD))

Denn wenn wir es falsch gemacht hätten, dann hätten Sie nicht diese Formulierung und diese Hoffnung hier aussprechen können.