Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was die Intention Ihres Vorstoßes anbelangt, sind wir durchaus einer Meinung – obgleich Herr Kollege Blum gestern die Zielverfolgung der Steuergerechtigkeit als Ausbau des Überwachungsstaats missverstanden hat. Es ist unser erklärtes Ziel, die aktuellen Überwachungsgesetze zu stoppen. Das heißt nicht nur, auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten, sondern auch das neue Bundeskriminalamtsgesetz – das soeben angesprochen worden ist – mit seinen Möglichkeiten der Onlinedurchsuchung von Computern sowie der Videoüberwachung von Privatwohnungen nicht zu befürworten.
Das Kabinett hat dieses BKA-Gesetz gestern verabschiedet. Nach der Vorratsdatenspeicherung stellt das BKAGesetz einen weiteren Tabubruch in der Nachkriegsgeschichte der deutschen Sicherheitsbehörden dar. Diese Gesetze – auch die Vorratsdatenspeicherung – stellen das Grundgesetz schlichtweg auf den Kopf. Unsere Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Sie stellen ein institutionalisiertes Misstrauen gegen einen unvernünftigen Staat dar. Mit der Vorratsdatenspeicherung hingegen
wird ein prinzipielles Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern institutionalisiert, da alle Bürger unter Generalverdacht gestellt werden.
Herr Kollege, entschuldigen Sie, wenn Sie in der Bundesrepublik Deutschland unter Beweis stellen wollen, dass die Stasi noch zu toppen sei, dann ist das mit uns nicht machbar.
Mit dem neuen BKA-Gesetz wird in Deutschland erstmals auf deutschem Boden eine Sicherheitsbehörde in die Lage versetzt, über sämtliche Befugnisse sowohl eines Geheimdienstes als auch der Polizei zu verfügen. Damit wird eine zentrale Lehre aus der Nazizeit über Bord geworfen.
Mit dem sogenannten Polizeibrief haben die alliierten Militärgouverneure damals aus gutem Recht ein Trennungsgebot festgelegt. Der Bundesrepublik wurde der Aufbau von Geheimdiensten nur unter der Bedingung erlaubt, dass diese keine Polizeibefugnisse haben dürfen. Wieso sollte dies auf einmal nicht mehr gelten? Die nunmehr geplanten umfassenden Kompetenzen des Bundeskriminalamts verletzten dieses Gebot in eklatanter Weise.
Herr Kollege Wagner, es stellt sich wieder einmal die Frage, wo eigentlich die Verfassungsfeinde sitzen und wen der Verfassungsschutz eigentlich beobachten müsste.
Meine Damen und Herren, wir haben noch nie an einem Gesetz mitgewirkt,das später vom Verfassungsschutz kassiert wurde. Wir verteidigen die Verfassung und das Grundgesetz gegen diese Angriffe.
Das vom Verfassungsgericht kassiert wurde. Herr Kollege Hahn, danke für die Korrektur, denn was richtig ist, soll auch richtig bleiben. Ich entschuldige mich für diesen Versprecher.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Passen Sie auf, dass Herr Hahn hierfür keine Gebühren erhebt!)
Meine Damen und Herren, was die Republik für ihre Verteidigung braucht, sind nicht Behörden mit einem allumfassenden Überwachungsanspruch, sondern die Gewissheit, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Grundrechte – ohne Angst vor unberechtigten Mitschnitten – in Anspruch nehmen können. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag hat – Herr Kollege von der FDP,das haben Sie bereits angesprochen – die Tatsache geleistet,dass in der Privatwirtschaft immer noch große Regelungslücken im Bereich des Datenschutzes klaffen. Diese müssen schnellstmöglich geschlossen werden. Rechtlich verstärkt werden muss vor allem die Unabhängigkeit der betrieblichen Datenschutzbeauftragten.
Der Telekom-Skandal zeigt deutlich, dass die Selbstverpflichtungen der Privatwirtschaft nicht ausreichen, um Mitarbeiter und Kunden vor dem Missbrauch ihrer Daten zu schützen. Der Staat muss sicherstellen, dass die Daten seiner Bürger ebenso vor Missbrauch durch staatliche Behörden wie auch durch Unternehmen der Privatwirtschaft geschützt werden. Unserer Ansicht nach sind die bestehenden Möglichkeiten völlig unzureichend, den Datenschutz missachtende Firmen zu Verhaltensänderungen zu zwingen, etwa durch die Verhängung von minimalen Bußgeldern.
Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, gegenüber dieser Aufgabe, die ich skizziert habe, ist die Schaffung eines hessischen Kompetenzzentrums beim Datenschutzbeauftragten bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, der das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger erhöhen sollte, dass sie vor Datenmissbrauch und Überwachung nur äußerst ungenügend geschützt sind. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wilken, ich bin froh, dass Sie am Ende noch auf das eigentliche Thema zurückgekommen sind. – Herr Greilich, ich freue mich, dass Sie das Thema Zusammenlegung der Aufsicht im Datenschutz im privaten und im öffentlichen Bereich auf die Tagesordnung gebracht haben, weil das auch unser Thema ist. Auch wir wollen bei der Gewährung des Datenschutzes endlich die Trennung zwischen öffentlichem und nicht öffentlichem Bereich aufgeben und so gewährleisten, dass der Datenschutz in Hessen seine gesetzlichen Aufgaben noch wirkungsvoller und effizienter erfüllen kann.
Zum einen steht das so in den Landtagswahlprogrammen der SPD und der FDP. Zum anderen sind die Formulierungen in unserem Programm nahezu identisch, Herr Greilich. Umso mehr bedauere ich, dass Ihr Vorsitzender nicht bereit war, unsere Programme nebeneinanderzulegen und nach Übereinstimmungen zu suchen.
Er hätte dort nämlich eine ganze Menge entdeckt. Aber vielleicht kommt er noch dazu. Das wäre mein Wunsch.
Die EU hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil bei der Hälfte der deutschen Bundesländer der private Datenschutz dem Innenminister untersteht, wie auch in Hessen über das zentral zuständige Regierungspräsidium Darmstadt. Das wollen wir aufheben. Ob eine Bündelung der Aufsicht nach Art. 28 Abs. 1 der Europäischen
Datenschutzrichtlinie wirklich zwingend erforderlich ist, müssen wahrscheinlich die Gerichte klären. Unstreitig ist aber, dass eine Bündelung dem Geist der Richtlinie entspräche. Es ist richtig, dass es Fragen zu klären gilt, wenn man den öffentlichen und den privaten Bereich des Datenschutzes zusammenführt. Ich gehe davon aus, Herr Kollege Beuth wird dazu gleich noch etwas sagen.
Die Aufsichtsbehörde für den nicht öffentlichen Bereich hat heute Befugnisse mit Eingriffscharakter, die von der Sachverhaltsaufklärung bis zur Ahndung mit Bußgeldern reichen. Für die Ausübung dieser Befugnisse muss sich in einer parlamentarischen Demokratie die Exekutive dem Parlament gegenüber verantworten. Ein Landesdatenschutzbeauftragter wäre nicht mehr in vollem Umfang unabhängig,da er entweder der Rechts- oder sogar der Fachaufsicht unterliegt. Dieses Problem ist jedoch lösbar, wie es uns acht andere Bundesländer vorgemacht haben, unter anderem Sachsen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Ich muss nicht erklären, wer dort regiert. In Niedersachsen ist sogar eine erst im Jahre 2005 veranlasste Trennung der öffentlichen und privaten Aufsicht bereits ein Jahr später wieder rückgängig gemacht worden, weil man dort nämlich bessere Erfahrungen mit der zusammengeführten Aufsicht gemacht hat.
Weitere zu klärende Punkte sind die unterschiedlichen Datenverarbeitungsprozesse für die Landes- und Kommunalverwaltung einerseits und die Wirtschaft, den Mittelstand und die freien Berufe andererseits.Auch muss man schauen, ob der Datenschutzbeauftragte den Zuwachs durch den privaten Geschäftsbereich mit seinem bisherigen Personal schultern kann. Aber auch dies sind keine unüberwindbaren Hürden.
Die Vorteile, die eine Aufhebung der Trennung des Datenschutzes in den öffentlichem und in den nicht öffentlichem Bereich mit sich bringt, überwiegen die angesprochenen, aber lösbaren Probleme jedoch deutlich. Wir straffen die Strukturen. Es entstehen Synergieeffekte, wodurch Effizienzgewinne in der Verwaltung erreichbar wären. Wir können besser auf die schnelle Entwicklung der Datenschutztechnologie reagieren. Gerade im nicht öffentlichen Bereich gibt es Kontrollbedarf. Wir schaffen mehr Bürger- und Wirtschaftsfreundlichkeit, d. h. Datenschutz aus einer Hand. Die schwer einsehbaren Abgrenzungsprobleme zwischen dem öffentlichen und dem nicht öffentlichen Sektor werden abgeschafft. Der Datenschutzbeauftragte wird zum Servicezentrum für die Bürger.
Im privaten und im öffentlichen Datenschutz geht es um dasselbe Rechtsgut, weshalb eine Kontrolle Sinn macht. Die Berührungs- und Überschneidungspunkte zwischen den beiden Bereichen nehmen zudem stetig zu. Wir wollen daher eine Aufhebung der Trennung zwischen dem öffentlichen und dem nicht öffentlichen Bereich des Datenschutzes. Datenschutz ist kein bürokratisches Hemmnis. Datenschutz ist Grundrechtsschutz. – Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Weiß. – Für die CDUFraktion erteile ich Herrn Kollegen Beuth das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem unglaublichen Unsinn, den Herr Dr. Wilken hier vorgetragen hat, will ich eingangs vielleicht nur insofern antworten: Herr Dr. Wilken, wenn ein LINKER hier angesichts der offensichtlichen IM-Vergangenheit Ihres Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Gysi, zum Thema Datenschutz spricht, kann ich das insgesamt nur als unappetitlich empfinden.
Im Übrigen bin ich auch der Auffassung, dass diejenigen, die hier in der Form wie vorgetragen gegen die Sicherheitsgesetze polemisiert haben, der Sicherheit und der Freiheit in unserem Land keinen Dienst erwiesen haben. Herr Kollege Greilich, das muss ich Ihnen schon mit auf den Weg geben. Das, was Sie hier vorgetragen haben, hat mit dem, was wir in der Sache zu behandeln haben, nicht so wahnsinnig viel zu tun.
Ich möchte dem Kollegen Weiß danken, dass er sich wenigstens mit der Sache beschäftigt hat. Er kommt nur, wie ich finde, zu dem falschen Ergebnis.
Weil hier ein falscher Eindruck entstanden ist, lassen Sie mich zunächst einmal feststellen: In Hessen ist der Datenschutz ganz hervorragend aufgestellt. Ein unabhängiges Kompetenzzentrum, wie es im Antrag der FDP gefordert ist, wird keinen zusätzlichen Nutzen für unser Land, für den Datenschutz und für die Bürgerinnen und Bürger bringen.
Der Eindruck, den Sie hier mit dem Antrag erwecken, ist problematisch. Ich will Ihnen auch vortragen, warum. Das Thema Telekom im Rahmen einer solchen Debatte aufzugreifen, ist ziemlich unredlich, weil es mit hessischem Datenschutz überhaupt nichts zu tun hat.Für die Telekom ist der Bundesdatenschutzbeauftragte zuständig. Meine Damen und Herren, dort ist es auch richtig angesiedelt.
Wir haben nämlich den Hessischen Datenschutzbeauftragten als Behörde für den öffentlichen Bereich. Er hat seine Rechtsgrundlage im Hessischen Datenschutzgesetz. Zum Zweiten haben wir den Regierungspräsidenten in Darmstadt für den nicht öffentlichen Bereich, eine Behörde, die Ihnen, wenn ich das hier sagen darf, angesichts der Führung nicht so wahnsinnig fern steht. Der Regierungspräsident in Darmstadt arbeitet im Wesentlichen im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes.
Die Konzentration, die Sie hier fordern, haben wir bereits im Jahre 2006 vorgenommen. Wir haben beim Regierungspräsidenten in Darmstadt den nicht öffentlichen Datenschutz konzentriert. Ausweislich der Datenschutzberichte, die wir jedes Jahr miteinander debattieren, haben sowohl der Hessische Datenschutzbeauftragte für den öffentlichen Bereich wie auch die Datenschützer für