Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

Investitionen in die Krankenhäuser und Be- und Entlastung des Krankenhauspersonals stehen auch in einem Zusammenhang. Transporte von Patienten in entfernte Gebäude durch unübersichtliche Gangsysteme und Wagen vor Aufzügen gehören zum Klinikalltag. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe von betroffenen Fachleuten und den Landtagsfraktionen, um Vorschläge zu erarbeiten, damit Qualitätsanforderung und Pflegepersonalausstattung einander in der Praxis angepasst werden, wird von uns befürwortet.

Es soll hier diskutiert werden, ob etwa Zielvereinbarungen vor Ort, Regelungen über den Wettbewerb durch Deklarationspflicht des Pflegeschlüssels oder ein Landesgesetz das Problem am besten und vor allen Dingen am schnellsten lösen können. Wir stehen einer gesetzlichen Regelung durchaus offen gegenüber, wenn dies von den Beteiligten als notwendig erachtet und von den Trägern

als machbar angesehen wird. So äußerte sich etwa der Geschäftsführer der Universitätskliniken Gießen-Marburg, er sehe in der Einführung von Personalmindeststandards keine Probleme – „Gießener Anzeiger“ vom März 2008.

Die Einschätzung anderer Krankenhausträger wollen wir natürlich auch erfahren. Bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe halten wir es daher für sinnvoll, dass uns nicht nur Vertreter der Krankenhausgesellschaft beraten, sondern dass uns Vertreter von kleineren Krankenhäusern, mittleren und Universitätskliniken beraten und dass uns öffentliche, frei-gemeinnützige und private Träger ihre Sichtweise darstellen.

Wenn in einem bestimmten Bereich der Krankenhauslandschaft, etwa in kleineren Kreiskrankenhäusern auf dem Lande in öffentlicher Trägerschaft, ein besonderer Handlungs- und Finanzierungsbedarf bestehen würde und wir uns für eine gesetzliche Regelung entscheiden würden, stellt sich zumindest die Frage der Anwendung des Konnexitätsprinzips. Dann dürfen wir die Kommunen nicht im Regen stehen lassen.Wir wollen auch dann Partner der Kommunen sein.

Es würde unserer Intention zuwiderlaufen, wenn etwa durch ein mögliches Gesetz Kliniken die Schließung geboten würde. Wir müssen dann dieselben Überlegungen anstellen wie bei der Verbesserung von Personalschlüsseln in Kindergärten und Kinderkrippen. Dann kommt bei der Bereitstellung von Haushaltsmitteln und Deckungsvorschlägen die Stunde der Wahrheit.

Meine Damen und Herren, es ist anzustreben, Regelungen in einem breiten Konsens herzustellen, denn sie müssen Eingang in die sehr langfristigen Planungen der Krankenhäuser finden. Die Maßnahmen, auf die wir uns auf Landesebene gemeinsam einigen wollen, müssen von kommunalen, frei-gemeinnützigen und privaten Trägern umgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, wir bitten Sie bei dieser sicher nicht einfachen Diskussion herzlich, nach Möglichkeit auf ideologische Phraseologie zu verzichten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Jawohl!)

Im Vorfeld der Debatte über Personalmindeststandards – ich möchte betonen: nicht im formulierten Antragstext – wurde zuweilen der Eindruck erweckt, die Tatsache, dass derzeit knapp 30 % der Krankenhäuser in privater Trägerschaft sind, sei ursächlich dafür verantwortlich, dass die Qualität der Pflege abgenommen habe – bis hin dazu, dass Ängste geweckt wurden, die Mortalität, also die Sterblichkeit, bei schweren Erkrankungen sei dort deutlich erhöht.

Auch Sie, Herr Spies, konnten in Ihrer Rede nicht unterdrücken, zu sagen,Wettbewerb schafft keine Qualität. Ich meine, darüber können wir streiten. Wettbewerb ist eine notwendige, jedoch noch keine hinreichende Bedingung für Qualität. Aber Sie haben auch gesagt – und dem möchte ich doch energisch widersprechen –, Wettbewerb steht ihr entgegen. Das widerspricht natürlich der Realität.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Wenn wir mehr Geld für Gebäude und personelle Ausstattung in den Krankenhäusern benötigen, müssen wir versuchen, private Investoren zu motivieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zur Thematik der Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Abhängigkeit von der Trägerschaft – also privat oder öffentlich – hier nur zwei Stichpunkte.

Die Techniker Krankenkasse publizierte kürzlich in der „FAZ“ unter dem Titel „Kliniken der Region im Leistungsvergleich“ – gemeint war die Rhein-Main-Region – Qualitätskriterien und Ergebnisse häufiger operativer Eingriffe in mehr als 20 Kliniken. Die Ergebnisse der Eingriffe wie Operation der Halsschlagader, Brustkrebsoperation, Entfernung der Gallenblase, Eingriffe an Hüftund Kniegelenken unterschieden sich hinsichtlich der Komplikation und der Misserfolge nicht in Abhängigkeit von öffentlicher oder privater Trägerschaft. Sie waren nicht besser und nicht schlechter.

Ähnliche Ergebnisse sind in einer Publikation der BKK aus dem Jahr 2006 nachzulesen.Tun Sie das bitte.

Im Geschäftsbericht der HELIOS-Kliniken des Jahres 2007 wurde eine Umfrage in den eigenen Kliniken und in Referenzkliniken unterschiedlicher Trägerschaften speziell hinsichtlich pflegerischer Versorgung veröffentlicht. Auch hier gab es keine signifikanten Unterschiede.

Wer nun dem skeptisch gegenübersteht, der sei auf ein Interview mit einem ehemaligen, sehr kompetenten hessischen Sozialminister in der „FAZ“ vor etwa einem Jahr verwiesen. Ich zitiere daraus Fragen und die entsprechenden Antworten.

Mit dem Hinweis auf die zunehmende Anzahl von Kliniken in privater Rechtsform wird gefragt:

Bedauern Sie das?

Nein, aber ich warne davor, dass sich die öffentliche Hand ganz aus diesem Sektor zurückzieht.

Dann müssen kommunale Kliniken aber effizienter arbeiten, oder?

Werden Privatkliniken an Personal sparen?

Nein. Sie haben aber andere hierarchische Strukturen und zahlen für Führungspersonal höhere Gehälter als ein kommunales Haus, für geringer qualifiziertes Personal weniger. Sie können flexibler reagieren. Wenn eine OP-Schwester dringend gebraucht wird, muss diese eben mit einem entsprechenden Honorar angeworben werden.

Dieser ausgewogenen Bewertung von Armin Clauss, einem erfahrenen Sozialpolitiker, der lange Ihre Fraktion führte, kann ich mich nur uneingeschränkt anschließen.

Meine Damen und Herren, wir wollen hier an guten Lösungen arbeiten. Hessen soll nicht nur bei den Krankenhausinvestitionen in Gebäude und Großgeräte spitze sein, sondern auch in der Personalausstattung eine Spitzenposition einnehmen.Dies verbessert ihre Wettbewerbsposition gegenüber anderen Kliniken und stärkt insgesamt den Standort Hessen. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Schulz-Asche jetzt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorhin kam die Frage nach der Telefonnummer der Bundesministerin für Gesundheit auf – die nenne ich Ihnen jetzt: Es ist die 206400, für alle, die hier Gesprächsbedarf haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP):Vielen Dank!)

Meine Damen und Herren, ich sage aber gleich dazu: Ich habe nicht nachgeschaut, welches die Durchwahl von Frau Merkel ist. Denn wenn ich mich richtig erinnere, regiert in Berlin eine Große Koalition. Diesen Eindruck hat man hier zurzeit nicht.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Fritz-Wilhelm Krüger (FDP))

Meine Damen und Herren, die Krankenhausfinanzierung ist schon immer ein Problem. Seit über 40 Jahren wird das bei uns diskutiert, und zwar aus einem einfachen Grund: In den Krankenhäusern gibt es einen sehr hohen Personalanteil. Deswegen sind Krankenhäuser teuer.

Ein ganz großer Teil der Menschen, die in den Krankenhäusern arbeiten, ist in der Pflege tätig. Deswegen sind in den letzten Jahren die Versuche, die Kosten in den Krankenhäusern zu reduzieren, zunehmend auf Kosten der Pflege umgesetzt worden.

Deswegen stimme ich dem im Grundsatz völlig zu:Wir haben in den Krankenhäusern eine Situation, in der bei der Pflege akuter Handlungsbedarf besteht.

Als ich 1979 mein Krankenpflegeexamen gemacht habe, war das eigentlich auch schon so.Aber man muss dazusagen: In den letzten Jahren hat sich diese Situation weiter verschärft.

Dazu kommt noch – und das wurde heute noch nicht gesagt –, dass bei der Pflege eine sehr starke Verwissenschaftlichung stattgefunden hat. Heute ist sehr viel klarer geworden, welche Bedeutung die Pflege innerhalb der medizinischen Versorgung hat. Die wissenschaftlichen und die professionellen Anforderungen in der Pflege, die Ansprüche, die man an sich selbst als Krankenschwester oder -pfleger hat, sind sehr stark gestiegen.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Aber auch bei den Patientinnen und Patienten gibt es eine Entwicklung. Sie werden immer älter und brauchen mehr Zuwendung.Auch dies belastet die Pflege zunehmend.

Durch die verkürzten Liegezeiten in den Krankenhäusern haben wir zudem eine Verdichtung der Pflege. Die Patienten sind schwerer erkrankt, wenn sie im Krankenhaus liegen, während sie die Zeit der Besserung bereits außerhalb des Krankenhauses verbringen. Dies belastet die Pflege zusätzlich.

Meine Damen und Herren, all dies hat tatsächlich dazu geführt,dass die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäu

sern heute zum Teil unerträglich und nicht länger hinzunehmen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)