Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

Letzter Punkt. Es geht hier nicht um Parteischelte. Natürlich ist der politische Betrieb auch immer ein Ort, wo man andere Konzepte kritisiert. Das ist völlig unbestritten. Sonst würden wir das hier alle nicht machen. Aber wenn man ein solches Problem diskutiert, wie es die SPD aufgeworfen hat, dass die Krankenhäuser in vielen Fällen keine Finanzmittel mehr haben, um genügend Personal einzustellen, dann muss man doch zunächst einmal die Frage stellen:Wo kommt denn das Geld her? – Ich glaube nicht – da werden wir einer Meinung sein –, dass die Landesregierung, jedenfalls bis jetzt noch nicht, das Geld selbst im Keller druckt. Frau Kollegin Schott, das mag, wenn Sie regieren, anders sein.

(Beifall bei der FDP – Michael Boddenberg (CDU): Das hat der Finanzminister bestritten!)

Aber bis jetzt druckt sie es nicht selbst. Für die Finanzierung von Personalmitteln ist der Bund zuständig. Da gibt es eine unterschiedliche Finanzierung: Bund und Länder. Deshalb müssen wir uns auch mit dem Bund beschäftigen. Wir können uns leider nicht alle hierhin stellen und sagen: „Es wäre schön, wenn wir einmal darüber gesprochen haben.“ Denn ein bisschen ernsthafter, Frau Kollegin Schott, ist die Debatte leider schon.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Für die Landesregierung hat sich Frau Staatsministerin Lautenschläger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schott, mich hat Ihr Beitrag zugegebenermaßen ein bisschen überrascht. Natürlich streiten wir an vielen Stellen über die Krankenhausfinanzierung und das Gesundheitssystem. Ich gebe zu, das demokratische System bringt es mit sich, dass man Mehrheiten finden muss und man, im Gegensatz zu dem, was Ihre Freunde an einigen Stellen wollen, schlichtweg nicht die Revolution ausruft, sondern viele Jahre lang verhandeln und schauen muss, wie man zu Verbesserungen kommt.

Ich stelle doch fest, dass wir im Hessischen Landtag in der Vergangenheit zum Glück gerade bei der Frage der Krankenhäuser an vielen Stellen durchaus einen breiten Konsens finden konnten. Ich bin froh, dass die heute vorliegenden Anträge noch einmal das unterstützen, was wir in den letzten Jahren insbesondere über den Bundesrat bei der Krankenhausfinanzierung mehrfach deutlich gemacht haben, nämlich dass die Finanzausstattung der Krankenhäuser so, wie sie heute über die Finanzierung des Bundes ist, auf Dauer nicht hinnehmbar ist.

Das war zum einen der Sanierungsbeitrag. Ich will doch noch einmal daran erinnern, dass wir über die Länder massiv Druck gemacht haben. Es stand damals 1 % im Raum. Frau Kollegin Schulz-Asche, es ist richtig, dass wir in Berlin in einer Großen Koalition reagieren. Aber es gibt immer ein Ministerium, das Vorschläge macht. Das war nun einmal das Bundesgesundheitsministerium mit einer SPD-Spitze.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Dr. Thomas Spies: Sie saßen doch in der Koalitionsarbeitsgruppe, die das entschieden hat!)

Mit viel Kleinarbeit der Länder – ich sage durchaus: aller Länder, nicht nur der CDU-geführten Länder; wir alle haben großen Druck gemacht – und der Krankenhäuser haben wir es geschafft,den Sanierungsbeitrag zu reduzieren. Unsere hessischen Krankenhäuser waren sehr froh darüber.Aber Sie wissen auch,dass wir alle gemeinsam wollen, dass der Sanierungsbeitrag endgültig wegfällt, was in dem vorliegenden Gesetzentwurf auch vorgesehen ist.

Aber das war ein harter Weg. Zu dem Punkt sind wir nicht einfach so gekommen. Wer sich daran erinnert, wie die Diskussion im Dezember des letzten Jahres über die Finanzierung der Krankenhäuser gelaufen ist: Die Bundesländer haben einstimmig dafür gekämpft, dass eine Änderung im Krankenhauswesen, d. h. vor allem bei der sogenannten Deckelung der Betriebskostenfinanzierung, kommt. – Wir haben die Budgets der Krankenhäuser inzwischen seit 15 Jahren. Wir haben den Landesbasisfallwert. Aber wir haben eben auch nach wie vor die große Problematik, dass Zuwächse bei den Krankenhäusern nur in Höhe der Veränderungsrate, also der Grundlohnsummensteigerung,überhaupt möglich waren.Das ist das Problem, das die Gesundheitsminister der Länder im Dezember vergangenen Jahres einvernehmlich aufgenommen haben.

Ich muss doch einmal sagen: Ich bin zwar froh, dass wir in diesem Hause inzwischen einen Konsens haben. Aber noch im Frühjahr hat sich Herr Staatssekretär Schröder, Staatssekretär bei Frau Ulla Schmidt, massiv dagegen gewehrt, dass im Gesundheitswesen und insbesondere bei der Krankenhausfinanzierung eine Änderung vorgenommen werden soll. Auf der Gesundheitsministerkonferenz in Plön waren wir auch noch nicht so weit, dass wir darüber Einvernehmen mit dem Bund hatten, sondern es mussten die gleichen Anträge beschlossen werden, dass eine Veränderung vorgenommen werden muss.

Nun sind wir endlich so weit, dass Ihre Parteikollegin, Frau Schmidt, den Gesetzentwurf inzwischen auf Referentenebene so vorgelegt hat, dass dort Änderungen absehbar sind. Aber über diese Änderungen müssen wir noch im Detail reden. Denn momentan sind sie in dem Gesetzentwurf so enthalten, dass eine Veränderungsrate durch das Statistische Bundesamt irgendwie berechnet wird und der Bund das ohne Beteiligung der Länder festlegt, ohne dass für die Krankenhäuser auf Dauer eine Planungssicherheit vorhanden ist. Denn das kann dann jedes Jahr anders festgelegt werden, was in diesem Bereich leider meistens heißt, dass es keine Steigerungsraten gibt, dass es sich negativ auswirkt. Deswegen werden wir diesen Punkt sicher noch sehr intensiv miteinander diskutieren.

Ich will aber auch deutlich machen, dass ich durchaus froh bin, dass wir auch hier über das Thema der Personalsituation in den Krankenhäusern miteinander reden. Denn die Investitionsförderung ist das eine. Dort sind wir in Hessen

deutlich besser als alle anderen Bundesländer. Hamburg wurde genannt; Hamburg steht noch vor Hessen. Aber das ist die Sondersituation eines Stadtstaates. Dort stehen wir gut da. Gleichzeitig wissen wir, dass wir in der Finanzierung nicht nachlassen dürfen, weil wir in den Kliniken über viele Jahrzehnte einen Investitionsstau haben. Der Sachverständigenrat hat nicht ohne Grund einen Investitionsstau von rund 5 Milliarden c deutschlandweit festgestellt.

Dazu kommt aber, dass vor allem die Personalausstattung ein ganz wichtiger Bereich ist. Ich denke, man kann erst einmal schlichtweg nur den Hut davor ziehen, was die Pflegekräfte unter sehr schwierigen Bedingungen – Energiekostensteigerungen, Tarifsteigerungen und vieles mehr; auf der anderen Seite wurde an vielen Stellen Personal abgebaut – in den hessischen Krankenhäusern, aber auch bundesweit leisten, wie sich der Einzelne einbringt. Trotz zum Teil äußerst schwieriger Arbeitsbedingungen versuchen sie immer noch, das Beste für den Menschen zu machen.

(Beifall der Abg. Petra Müller-Klepper (CDU))

Der jetzt im Bund vorliegende Gesetzentwurf wird einige Erleichterungen bringen, beispielsweise die zusätzliche Pauschale für die Pflege.Wir haben auch in Hessen solche Fälle, die inzwischen beim Bundesgerichtshof vorliegen, bei denen Krankenkassen und Krankenhäuser darüber streiten, ob der entsprechende Aufwand für die Ausbildung und Pflegeanleitung – damit es zukünftig genügend Pflegepersonal geben wird – überhaupt aufgefangen und finanziert werden kann. Im Gesetzentwurf ist jetzt klargestellt – da waren sich Bund und Länder schon ewig einig, aber es hat trotzdem Verfahren gegeben –, dass das finanziert werden muss. Das halten wir für richtig.

Gleichzeitig ist in dem Gesetzentwurf ein Sonderprogramm Pflege verankert. Da muss man sicherlich noch einmal darüber reden, ob man das nicht ein bisschen einfacher ausgestalten kann. Das bedeutet nämlich sehr viel Aufwand. Das Wichtigste ist: Krankenhäuser stellen dann ein, wenn sie den finanziellen Spielraum dafür haben. Der Wegfall des Sanierungsbeitrags und die Veränderung,dass nicht mehr nur über die Grundlohnsummensteigerung ein Zuwachs stattfindet, damit überhaupt eingestellt werden kann, sind aus meiner Sicht die Grundvoraussetzungen, über die wir reden, wenn es um die Verbesserung der Personalausstattung geht.

Das zweite Thema, das Sie ansprechen, lautet, ob wir Personalstandards brauchen. Wir haben uns im Sozialministerium mit ver.di zusammengesetzt, ein Gespräch geführt und dabei gefragt, wie die Personalstandards aussehen können.Wer die Diskussion in den letzten Jahren mitverfolgt hat, weiß, dass es das alles schon einmal gab. Man hat sie abgeschafft,weil sie zu großen Schwierigkeiten geführt haben.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Weil sie zu teuer waren! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Auf der anderen Seite haben wir sehr unterschiedliche Situationen.

(Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Herr Kollege Spies, hören Sie mir doch bitte einmal zu. – Aus meiner Sicht ist es ein richtiger und wichtiger Schritt,darüber zu reden,wie man die Situation der Pflege weiter verbessern kann. Wir haben durch den Gemeinsamen Bundesausschuss inzwischen durchaus Qualitätskriterien in einigen Bereichen entwickelt, beispielsweise für

die Neonatologie und die Kinderonkologie. Dort gibt es in den Vorgaben personelle Standards. Gleichzeitig muss man schauen, wie man diese Standards in der Intensivpflege hinbekommt.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass die Frage der Standards auch etwas mit der baulichen Situation und der organisatorischen Situation eines Krankenhauses zu tun hat. Wenn Sie Pflegestationen haben, die durch Treppenhäuser getrennt sind, brauchen Sie deutlich mehr Personal als in einer neu eingerichteten Pflegestation, die nach den modernsten Kriterien der Pflege gestaltet ist. Deswegen sehe ich dort einige Schwierigkeiten, bestimmte Standards festzulegen. Ich kann mir aber vorstellen, dass sie an einigen Stellen funktionieren können,wenn man sie richtig definiert.

Dazu hat der Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e. V. sehr deutlich Stellung bezogen. Er kann sich die Pflegestandards beispielsweise im Bereich der Intensivmedizin vorstellen. Er macht jedoch zur Voraussetzung, dass diese Pflegestandards bundeseinheitlich geregelt werden sollen.Das halte ich auch für einen ganz wichtigen Schritt. Deswegen haben wir Gespräche angeboten – die Krankenhausgesellschaft hat schon ihre Bereitschaft erklärt –, mit den unterschiedlichen Disziplinen, also sowohl mit den Pflegeverbänden, mit ver.di und der Krankenhausgesellschaft und anderen, gemeinsam Vorschläge anzuschauen, was realistisch umsetzbar ist. Aus meiner Sicht ist es der erste Schritt, zu sagen, wir brauchen erst einmal eine bessere Finanzausstattung der Kliniken. Dann stellen Kliniken nämlich wieder ein und werden viel schneller und flexibler reagieren.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Der zweite Punkt ist, dass wir in die Ausbildung investieren müssen. Die Ausbildungskosten müssen refinanziert werden. Die ersten Schritte sind vorgesehen. Wie solche Programme aussehen können, muss sicher auch im Detail diskutiert werden. Bürokratische Regelungen gibt es in Krankenhäusern schon mehr als genug. Es muss ein möglichst einfacher Weg gefunden werden,um das gemeinsam umzusetzen.

Wir werden versuchen, auf Bundesebene die Finanzausstattung zu verbessern und gemeinsam mit den hessischen Kliniken Wege zu finden, die die Kliniken nicht behindern, aber ihnen die Möglichkeit geben, für die Pflege Verbesserungen herbeizuführen. Für uns gehört auf der einen Seite die finanzielle und die bauliche Ausstattung dazu, auf der anderen Seite aber auch die interne Struktur eines Krankenhauses.Da kann man nicht einfach nur Vorgaben machen. Man muss sehen, wie das Betriebsklima ist und wie die hierarchischen Strukturen in der Klinik sind. Das gehört alles mit dazu. Wenn sich dann gemeinsame Positionen finden lassen, sind wir bereit, das anzuschauen.

Ich warne davor, die Hoffnung nur auf das Thema Standards zu setzen.Wir haben es in der Altenpflege lange gemeinsam diskutiert.Die Verbände konnten keine gemeinsamen Ergebnisse finden, weil die Unterschiede sehr groß waren. Wir hatten Institute beauftragt und sehr viel an Qualitätssicherung gemacht, aber ein gemeinsamer Standard ist sehr schwierig zu definieren. Aus diesem Grund sollten wir alle Arbeit dorthinein investieren, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht grundsätzlich beim Personal gespart wird. Die finanzielle Ausstattung steht an allererster Stelle. Dann kann sich das Krankenhaus vernünftig finanzieren.

Wir wissen, dass eine Schwester im Pflegedienst dadurch zusätzliche Arbeit hat, dass die Patienten immer kürzer liegen, dass immer schwierigere Fälle vorhanden sind und die Patienten nach kurzer Zeit entlassen werden. Durch die Anzahl der Fälle ist keine Entlastung zu erreichen. Man benötigt dort hoch qualifiziertes Personal, das an der richtigen Stelle eingesetzt werden muss. Das Personal sollte nicht die Tabletts herumtragen, sondern Dienst am Patienten leisten. Das Krankenhaus sollte eine sehr breite Struktur haben.

Dazu werden wir alle Kraftanstrengungen aufwenden,um das gemeinsam hinzubekommen. Aber der erste Schritt geht in Richtung Bund: Er muss die Finanzierung besser ausgestalten. Dann werden die Kliniken wieder aus eigener Kraft die Möglichkeit haben, nicht nur ärztliches Personal, sondern auch Pflegepersonal in notwendigem Umfang einzustellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist vorgeschlagen, den Antrag der Abg. Fuhrmann, Dr. Spies, Eckhardt, Künholz, Merz, Roth, Yüksel (SPD) und Fraktion betreffend Personalabbau in Kliniken stoppen – Qualität in der Gesundheitsversorgung sichern, an den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. Ebenso soll der Dringliche Antrag der Fraktion der FDP betreffend Verschlechterung der Krankenhausversorgung durch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt stoppen – Hessens Patienten brauchen lebensfähige Krankenhäuser, an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen werden. – Dem wird nicht widersprochen, dann ist das so beschlossen.

Verabredungsgemäß rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 41 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend wirtschaftlicher Aufschwung im Norden Hessens durch eine gut ausgebaute Infrastruktur – Drucks. 17/457 –

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP – Drucks. 17/571 –

Mit aufgerufen wird Tagesordnungspunkt 46:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kurhessenbahn reaktivieren – modernen ÖPNV realisieren – Drucks. 17/483 –

Mit aufgerufen wird Tagesordnungspunkt 85:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Nordhessens Qualitäten fördern, statt altes Denken in Beton zu gießen – Drucks. 17/568 –

Ebenso wird aufgerufen Tagesordnungspunkt 86:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend wirtschaftlicher Aufschwung im Norden Hessens – Drucks. 17/569 –

Ich darf Herrn Dr.Wagner von der CDU-Fraktion zur Erläuterung des Entschließungsantrags der CDU und der FDP an das Rednerpult bitten. Herr Dr. Wagner, die verabredete Redezeit beträgt 15 Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung Nordhessens ist eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))