Protokoll der Sitzung vom 27.08.2008

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das war die erste Rede des Kollegen Warnecke im Hessischen Landtag. Ich gratuliere Ihnen dazu.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Nicht zum ersten Mal hat Herr Kollege Posch das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Thema haben wir uns schon des Öfteren beschäftigt. Kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode sind Gesetzentwürfe eingebracht worden, wohl wissend, dass sie gar nicht mehr beraten werden konnten.

Dann haben die GRÜNEN einen Gesetzentwurf eingebracht, um zu beweisen, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Jetzt folgen die Sozialdemokraten mit einem Antrag, um der Öffentlichkeit kundzutun, dass sie sich um das Thema kümmern.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur, das Problem ist eigentlich ein anderes.

(Fortgesetzte Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Ich habe nur einen Sachverhalt beschrieben und dargestellt, wie Sie sich bei der Behandlung eines Themas aufgeführt haben.

Ich will dazu Folgendes sagen. Sie haben eben darauf hingewiesen: Landläufig wird geglaubt, eine Erdverkabelung sei besser, sie sei weniger gesundheitsgefährdend als eine Hoch- oder Höchstspannungsleitung.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich kann das nicht beurteilen. – Herr Kollege Möller hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach Ansicht der Fachleute der vollständige Schutz der Gesundheit gewährleistet ist, wenn die Werte der 26. BImschV eingehalten werden,die unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse festgelegt wurden.Ich setze mich nicht an die Stelle derer, die das besser beurteilen können.

Zweitens will ich Folgendes feststellen. Es handelt sich hier um einen Fall der konkurrierenden Gesetzgebung. Auch darauf haben Sie hingewiesen.Nach Lage der Dinge ist es doch so:Wenn der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch macht, hat der Landesgesetzgeber keine Zuständigkeit mehr. – Das ist relativ einfach.

Das hat aber die Fraktionen der GRÜNEN und der SPD nicht davon abgehalten – deswegen habe ich das erzählt –, schlicht und ergreifend aus populistischen Gründen die Initiative zu ergreifen. Das wollte ich hier einmal deutlich sagen. Nichts anderes ist das.

Ich finde, man sollte mit der Frage, die Sie eben angesprochen haben, vorsichtig umgehen. Wir müssen uns in der Tat mit der Frage beschäftigen, ob Gesundheitsgefährdungen auszumachen sind oder nicht.Wir sollten das,bitte schön, dort diskutieren, wo es auch hingehört. Deswegen haben Sie zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Bund mit diesem Thema befasst. Es gibt die vier Pilotprojekte. Nach Lage der Dinge werden die Ergebnisse der vier Pilotprojekte in ein Bundesgesetz einfließen. Dann ist für das, was wir hier machen, überhaupt kein Raum mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Es könnte durchaus sein, dass sich das alles erledigt, und zwar entweder durch die Pilotprojekte, die die Bundesregierung jetzt zu starten vorhat, oder eben auch nicht. Wir werden dann weitersehen.

Meine Damen und Herren der GRÜNEN und der SPD, eines lasse ich Ihnen aber nicht durchgehen. Bei dem Gesetzentwurf der GRÜNEN – das ist schon richtig „putzig“ – steht auf dem Vorblatt bei den „Finanziellen Auswirkungen“: „Keine“. In dem Antrag der SPD-Fraktion steht, es käme „kaum“ zu „wirtschaftlichen Mehrbelastungen“. Weder das „Keine“, noch das „Kaum“ wird der Realität gerecht. Richtig ist, dass der vorgelegte Gesetzentwurf bei Realisierung mit Sicherheit Mehrkosten nach sich ziehen wird, und zwar vor allem für den Verbraucher.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Zur Ehrlichkeit hätte es schon dazugehört, das den Bürgern auch so zu sagen. Das Trassennetz der E.ON hat in Hessen eine Länge von rund 3.340 km. Deutschlandweit sind es 17.500 km. Nach den bisherigen Schätzungen wird eine Verkabelung der Teilstrecke der Trasse von Wahle nach Mecklar, die Sie genannt haben – das sind nur 65 km –,

Mehrkosten von 0,30 Cent bis 1,30 Cent pro Kilowattstunde auslösen. Die Gesamtstrecke von Wahle nach Mecklar beträgt 190 km. Da betragen die Mehrkosten dann schon 0,89 Cent bis 3,80 Cent je Kilowattstunde.

(Axel Wintermeyer (CDU): Ei, ei, ei!)

Nach der dena-Netzstudie umfasst die Gesamtstrecke 907 km. Davon befinden sich 850 km nicht in Hessen. Aber das Schutzbedürfnis besteht dann nicht nur in Hessen. Es kann nicht sein, dass das in Niedersachsen dann anders gemacht wird.Das würde dann 4,26 Cent bis 18,8 Cent pro Kilowattstunde mehr ausmachen. Würde man die vollständige Leitung zugrunde legen,dann würde das zu einer Verteuerung von 66,70 Cent pro Kilowattstunde führen. Nach EU-Vorgaben würde das für einen mittleren Haushalt Mehrkosten von rund 2.334,38 c ausmachen.

Meine Damen und Herren, nur so viel wollte ich zum Thema Redlichkeit sagen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Tun Sie doch nicht so. Sie wollen den Leuten den Eindruck vermitteln, Sie täten etwas für ihre Gesundheit. Sagen Sie dann aber, bitte schön, auch, was das kostet. Denn das sind Kosten, die umgelegt werden. Das gehört in der politischen Auseinandersetzung zur Redlichkeit dazu.

Diese beiden Fraktionen haben aus populistischen Gründen ein Thema besetzt.Wir werden uns jetzt im Ausschuss damit befassen.Es fällt mir sehr schwer,das zu sagen,aber ich muss das mir selbst gegenüber akzeptieren: Wir sind guter Hoffnung, dass in diesem Fall die Große Koalition mithilfe der vier Pilotprojekte etwas Positives auf den Weg bringt. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die nächste Wortmeldung stammt von Frau Abg.Wissler. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE begrüßt den Vorstoß der Fraktion der GRÜNEN. Wir begrüßen auch den Antrag der Fraktion der SPD dazu.

Die Hochspannungsleitungen sind für die flächendeckende Stromversorgung in Deutschland von zentraler Bedeutung. Das Leitungsnetz muss in den kommenden Jahren ausgebaut werden, damit eine umweltverträgliche Stromversorgung überhaupt ermöglicht werden kann. Dazu wird der Bau neuer, langer Trassen notwendig werden, um den aus Wind-,Wasser- und Solarenergie gewonnenen Strom deutschlandweit zu verteilen. Denn eine nachhaltige Energieversorgung hängt gerade von der dezentralen Produktion in den kleineren Werken ab.

E.ON hat bereits angekündigt, eine Strategie einzuschlagen, die zu kapitalintensiven Investitionen in die Netze führt. Deshalb kommen die Initiativen zur rechten Zeit. Wir müssen jetzt Regelungen einführen, damit der zu erwartende Aus- und Umbau der Netze umwelt- und gesundheitsverträglich erfolgt.

Unterirdische Leitungen verbrauchen deutlich weniger Raum und belasten die Umgebung weniger stark mit Elektrosmog. Sie sind deutlich besser isoliert. Freileitun

gen geben bis zu 30 % ihrer Spannung an die Umluft ab. Ich denke, angesichts des heutigen Stands der Technik ist das, ökologisch gesehen, unvertretbar. Damit werden Ressourcen vergeudet und der Strom unnötig verteuert.

Der Ansatz, die Energiekonzerne zu verpflichten, neue Hochspannungsleitungen grundsätzlich unterirdisch zu verlegen, geht daher in die richtige Richtung. Der vorliegende Gesetzentwurf lässt unserer Ansicht nach aber Fragen offen. Das betrifft vor allem die Zumutbarkeitseinschränkung in § 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs. Denn wir fragen uns, wer wie entscheiden soll, welche Kosten zumutbar sind. Wenn wir den Betreibern diese Entscheidung überlassen, wissen wir alle, zu welcher Entscheidung sie im Zweifelsfall kommen werden. Denn diese Einschätzung basiert natürlich auf Projektbeschreibungen, die die Konzerne wiederum in eigener Regie und im Hinblick auf ihre Geschäftsinteressen treffen.

Das heißt: Entweder überlassen wir die Entscheidung den Stromriesen. Damit würden wir de facto auf das Erreichen des im Gesetzentwurf aufgeführten weiter gehenden Ziels verzichten. Oder aber wir beschließen, dass jedes einzelne Bauvorhaben bei den Hochspannungsleitungen einem langwierigen und komplizierten Kontrollverfahren unterworfen wird. Ich denke, das wäre eine Überfrachtung und eine Überforderung der Planfeststellungsverfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die deutschen Energieversorger sind Monopolunternehmen. Das sagt unter anderem die Wettbewerbskommissarin der Europäischen Union. Sie hat ihnen deshalb mit Zerschlagung gedroht. Herr Minister Rhiel hat sich einmal ähnlich ausgedrückt und ebenfalls von einer Zerschlagung der Energiekonzerne gesprochen.

Auch deswegen liegen die Strompreise in Deutschland weit über dem europäischen Durchschnitt. Die vier großen Energieversorger E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall zählen bei den Fondsmanagern zu den Filetstücken unter den deutschen Industrieriesen. Denn sie fahren seit Jahren weit überdurchschnittliche Gewinne ein. Das können sie völlig ungestört von Markt, Staat oder Konkurrenz tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Beispiel hat E.ON im vergangenen Jahr seinen Gewinn um über 22 % gesteigert. Der Umsatz stieg derweil nur um 7 %. Der bereinigte Konzernüberschuss des Unternehmens lag bereits nach den ersten neun Monaten im Jahr 2007 bei 4,2 Milliarden c.

EnBW hat seinen Gewinn im Jahr 2007 um ganze 36 % gesteigert. Das sieht bei den anderen Betreibern, die aus der Privatisierung der Stromversorgung hervorgegangen sind, nicht anders aus.

Den Verbrauchern, aus deren Abgaben die Netze einmal finanziert wurden, steht derweil eine Preiserhöhung nach der anderen ins Haus. Die Energiekonzerne geben dabei eben nicht nur die steigenden Öl- und Gaspreise an die Kunden weiter.Nein,die steigenden Weltmarktpreise führen zu historisch hohen Profiten in der gesamten Branche.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das können Sie Herrn Putin von Gazprom erzählen! – Gegenruf – Axel Wintermeyer (CDU): Steuerer ist der Herr Putin! Herr Schröder ist nur der Erfüllungsgehilfe! Herr van Ooyen, das wissen Sie!)

Vor diesem Hintergrund kann ich kaum sagen, was man diesen Monopolisten nicht zumuten könnte. Es geht um die Gesundheit der Menschen, die in der Nähe der Leitungen leben, und um die Einwirkung des Elektrosmogs auf die Biosphäre.Wenn es um den Bau von Schallschutzmauern an Autobahnen oder Bahntrassen geht,fragt auch niemand, ob die Kosten unzumutbar sind. Die Frage muss doch auch lauten, ob die Gesundheitsbeschädigungen zumutbar sind. Das ist für uns LINKE das maßgebliche Kriterium. Nicht die Kosten sind es, sondern die Auswirkungen auf Mensch und Natur.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank. – Neue Trassen sollten grundsätzlich unterirdisch verlegt werden, sofern das nicht, wie es beispielsweise in bergigen Regionen der Fall sein kann, zu größeren Umweltbelastungen als überirdische Leitungen führen würde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Rhiel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wissler hat recht. Die Strompreise in Deutschland sind die höchsten im Vergleich zu den Ländern um uns herum,vor allem in Europa.Und das hat Gründe.Das hat zum einen den Grund, weil wir in der Stromerzeugung, also in dieser Marktstufe, keinen Wettbewerb haben. Darüber haben wir hinreichend diskutiert. Meine Initiative – Stichwort: Gesetzentwurf zur Verschärfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – kennen Sie.Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss auch feststellen, und das gehört zur Wahrheit, dass die Strompreise in Deutschland deshalb überhöht sind, weil der Staat mit seinen Vorschriften und seinen Abgaben dafür sorgt, dass 40 % des Preises, den wir für Strom, den wir aus der Steckdose beziehen, bezahlen müssen, staatlich begründet sind.