Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Rudolph hat von einer denkwürdigen Situation gesprochen. Denkwürdig ist in den letzten Wochen logischerweise
eine ganze Menge. Es ist „denk“-würdig, Herr Kollege Rudolph, und genau dabei sind wir gerade. Die Frage ist nämlich: In einer solchen Situation ungeklärter Mehrheitsverhältnisse, unterschiedlicher Abstimmungen können sich bestimmte Dinge hochschaukeln, und es können sich bestimmte sachliche Positionen entwickeln.
Für die Landesregierung, die einen Gesetzentwurf eingebracht hat, ist diese Situation genauso wenig neutral wie für alle anderen; denn wir sind keine politischen Eunuchen geworden.Sie haben im Moment ein eindrucksvolles Beispiel gegeben; denn so, wie Sie gesprochen haben, kann man nur reden, wenn man nicht an der Regierung ist.
Ja, Herr Kollege Rudolph, so ist das, wenn sozusagen nicht der Rechenschieber dahintersteht. – Das ist eine schwierige Entscheidung. Aber in einer Zeit von wechselnden Mehrheiten sind alle auf dem vorsichtigen Weg, sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, sie hätten einer Gruppe zu wenig gegeben.
Der Kollege Al-Wazir war vor einiger Zeit im Gespräch auch mit mir. Diesen einen Satz darf ich vielleicht einmal zitieren. Er sagte, sie hätten erst geglaubt, wir wollten nicht mehr regieren, und später, andere wollten nicht regieren, weil alle gemeinsam das Geld ausgeben. Das ist jedenfalls eine schwierige Frage. Ich antworte der Fraktion der GRÜNEN auf den Antrag,den sie hier gestellt haben, aus meiner Sicht: Es macht keinen Sinn – da hätte Herr Kollege Rudolph recht –, es als ein völlig isoliertes Problem zu betrachten, ob wir jetzt als ein Beispiel, weil die GRÜNEN einen Punkt brauchen, gerade einmal „die Beamten ärgern“. Denn dann ist es ein illegitimes Opfer.
Es muss schon die Frage sein, die jedenfalls ich mir für die Regierung in dieser Diskussion stelle, ob wir dem Parlament sagen, dass wir uns in einer solchen Frage eines Gesetzgebungsverfahrens auch eine andere Alternative vorstellen können. Dass das eine denkbare ist, die auch in der Vergangenheit gelegentlich schon genutzt worden ist, hat der Kollege Rudolph richtigerweise gesagt. Das hängt ein bisschen von dieser Frage ab. Was jedenfalls ich für mich, aber, ich glaube, auch für die Kolleginnen und Kollegen der politischen Fraktion, der ich angehöre, sagen kann, ist: Wir wollen am Ende in einem Spiel, das gespielt wird, nicht die Deppen sein, weil wir gerade Partner eines Spiels waren – so offen formuliert –, und dann von Herrn Rudolph vorgeführt werden unter dem Motto, die GRÜNEN haben einmal etwas gespielt.
Das ist die spannende Frage, Herr Kollege Al-Wazir. Denn wenn wir jetzt daran denken würden, Sie würden gerade mit anderen in Koalitionsanbahnungsverhandlungen zum Verlobungsstand sein, würden jedenfalls wir uns vergleichsweise ärgern, wenn Sie sich so verhalten würden. Mit mir hätten Sie Schwierigkeiten; möglicherweise haben Sie mit Frau Ypsilanti weniger.
Aber die Frage,die dahintersteht,ist:Was ist die politische Botschaft? Die politische Botschaft hat eine andere Dimension, wenn man das liest, was Sie bisher öffentlich gesagt haben. Es ist aus meiner Sicht durchaus hörens- und lesenswert, wenn da steht: „Aus meiner Sicht muss spätestens 2011 der Landeshaushalt ausgeglichen sein und danach mit der Schuldentilgung begonnen werden.“ Dann beschimpfen Sie uns, das ist auch in Ordnung: „Allerdings hat die Finanzpolitik der Regierung Koch in den letzten Jahren einen Schuldenberg aufgehäuft.“
Das ist das, was ich bei Hans Eichel vor neun Jahren auch immer gesagt habe. Dann kommt der Satz: „Ausgeglichene Haushalte werden wir weder durch Steuersenkungen noch durch große Mehrausgaben erreichen, auch wenn viele Ausgabenwünsche bestehen.“ Insgesamt ist das eine Position – Sie wissen, sogar bei der Frage der Steuersenkung, wenn Sie die öffentliche Debatte verfolgen, die auch ich in meiner Partei führe –, bei der es einen Anlass gibt, sich über bestimmte Dinge zu unterhalten.
Nur, wir haben eine andere Diskussion, und ich erbitte mir, dass wir daraus ein Stück eine Antwort bekommen. Ich habe der Frau Präsidentin schon angedroht, ich rede ein bisschen länger als fünf Minuten, weil ich einen gewissen Zusammenhang herstellen will.Hinter der Frage steht auch eine Chance, eine solche Debatte zu führen.
Wir haben mit der Hessischen Landesregierung in den letzten Jahren mit den Vorschlägen zur Besoldung einen zweifellos nicht einfachen Weg beschritten, den man auch nicht in jedem Element so gehen muss, wie wir ihn gegangen sind.Aber er hat, wenn man alles zusammenführt, bestimmte Ergebnisse.
Der Kollege Schaus hat gesagt, wir hätten Stellen eingespart. Ich will gar nicht sagen: „Schön wärs“, weil Sie das ärgern würde. Aber die Bilanz der Stellen dieses Landes ist am Ende annähernd identisch. Wir haben für Stellen, die wir eingespart haben, die Sie bemerkt haben – rund 6.000 Stellen in verschiedenen Bereichen über die Personalvermittlungsstelle –, an anderen Stellen, insbesondere in den Hochschulen und den Schulen, Stellen geschaffen, sodass die Netto-Stellenbilanz des Landes sich nicht signifikant verändert hat, wenn man alles zusammenrechnet.
Wir haben aber auch einen Bericht von Herrn Staatssekretär Suchan in den Zeiten von Herrn Ministerpräsident Eichel gehabt, der uns nachgewiesen hat, wie sich bis zum Jahr 2020 finanzielle Entwicklungen im Lande abzeichnen aufgrund der höheren Versorgungslasten und der Personalkostensteigerung, wie dann die Personalkostenquote – also das, was insgesamt im Haushalt für Personal ausgegeben wird – in eine nicht mehr beherrschbare Größenordnung steigt.
Im Vergleich dazu muss man heute feststellen, dass wir rund 1 Milliarde c jährlich weniger für Personalkosten ausgeben, als das Suchan für diesen Zeitpunkt prognostiziert hat. Das tun wir im Wesentlichen in Aktivgeldern, weil man logischerweise Versorgungsbezüge nur in einem geringerem Umfang und Beihilfen in gar keinem Umfang in einer solchen Weise steuern kann. Da gibt es Verschiebungen untereinander, aber am Ende war Suchan der Meinung,dass wir etwa 9 Milliarden c im Jahr zahlen,und jetzt zahlen wir etwa 8 Milliarden c.
Man muss aber wissen:Wer dieses Prinzip aufgibt, gefährdet die gesamte Finanzierung eines Haushalts. Ich streite auch heute bewusst nicht über die Details, ob man in der Tarifgemeinschaft ist oder nicht. Dazu habe ich eine Meinung, auch das haben wir gesagt, aber das steht heute nicht zur Abstimmung.
Sie sagen, Sie wollen auf den Weg einer Verhandlung gehen, bei dem der Wiedereintritt in die Tarifgemeinschaft etwa 350 bis 400 Millionen c im Jahr kostet.Die LINKEN sagen,sie wollen einen öffentlichen Beschäftigungssektor, der 600 Millionen c plus/minus X strukturell kostet, selbst wenn man das in mehreren Jahren einführt. Die Linkspartei hat gesagt, wir brauchen eine Hessencard, die rund 100 Millionen c kostet, wie sie sie beschrieben hat. Die „Operation sichere Zukunft“ wollen Sie zumindest im Sozialbereich gemeinsam streichen. Das kostet mindestens 30 Millionen c. Damals waren es unstreitig so viel; und das muss man sicher ein bisschen hochrechnen. Bei der kostenlosen Bildung von der Krippe an können Sie rechnen. Das sind 400 bis 500 Millionen c; da kommt es auf die Details an.
Wenn Sie das zusammenrechnen, dann findet damit eine Diskussion über einen Politikwechsel statt, die faktisch bedeutet, dass Mehrausgaben diskutiert werden. Wenn Sie beim Personal wieder alles glattstellen wollen – dabei wollen Sie nicht weniger Stellen haben und nicht weniger bezahlen, sondern mehr –, legen Sie die Milliarde wieder drauf. Gleichzeitig muss man noch mit 1 Milliarde c Mehrausgaben rechnen. Wenn ich Herrn Kollegen Beuth richtig verstanden habe,ist das die Freibierpolitik,von der er gesprochen hat, und nicht die gesamte Besoldung, Herr Kollege Schaus, um das nebenbei zu sagen.
Diese Fragestellung besteht also: Gibt es im Hessischen Landtag eine Mehrheit, die gemeinschaftlich der Auffassung ist, dass man anfangen kann, auch in riskanten Fragen zu handeln? Das Beamtengesetz ist eine riskante Frage; denn sie wird genau die Argumentation bringen, die Herr Rudolph angewandt hat,weil er noch die Chance hat, das frei zu diskutieren, unabhängig von Bindungen, von Koalitionsdiskussionen und Sonstigem. Er nutzt die Chance des letzten Populismus.
Dann will er verhandeln. Herr Kollege Rudolph, ich glaube, dass das am Ende nur Verhandlungen werden und nicht mehr.Aber das ist natürlich nicht Ihre Meinung.
Deshalb steht am Ende die entscheidende Frage: Ist das, was die Fraktion der GRÜNEN beantragt hat – das ist eine Frage, die nur die Fraktion der GRÜNEN beantworten kann, weil die beiden anderen Fraktionen auf der linken Seite des Hauses an der Debatte nicht teilnehmen, also ob sie einen Antrag stellen oder nicht; sie haben sich klar positioniert –, ein Einstieg? Wenn es ein Einstieg ist, dann ist es aus Sicht der Landesregierung ein Vorschlag, der weiter geht als das, was wir in Verhandlungen zusammen gewagt haben, in einer solchen politischen Diskussion zu machen.
Wenn es kein Einstieg ist, sondern nur ein Beispiel eines Fußtritts, dann ist das unseren Beamtinnen und Beamten gegenüber angesichts der Diskussion nicht angemessen. Da liegt nach meiner Einschätzung die Kante. Deshalb ist es in der Tat ein intellektuelles Ringen.Es ist eine Debatte im Parlament: Lohnt es sich, oder nicht?
Ich will ausdrücklich sagen, dass ich den Eindruck habe, dass Herr Kollege Wagner nichts gesagt hätte, was dem widerstrebt. Aber er hat sich sehr präzise und ganz vorsichtig nur auf diesen Fall bezogen.
Ich glaube, dass jedenfalls aus Sicht der Landesregierung, die ein Recht und eine Pflicht zur Stellungnahme hat, die Frage wichtig ist: Will das Parlament an dieser Stelle ein Signal setzen, das etwas damit zu tun hat, dass der Ansatz, 2011 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, auch wenn es Schmerzen auslöst – die Entscheidung, die da getroffen würde,löst Schmerzen aus –,ein weiterhin ernsthafter Ansatz ist?
Natürlich ist richtig, was gesagt worden ist, dass sich, seitdem Volker Bouffier und ich und andere – wir sind dafür persönlich verantwortlich und stehen gegenüber den Beteiligten dafür gerade – diese Verabredung mit den Beamten getroffen haben, die Situation unseres Landes weiter verändert hat. Ich weiß nicht, wie Sie auf die KfW gekommen sind. Das werde ich noch mit Peer Steinbrück besprechen.
Aber die Tatsache, Herr Kollege Rudolph, dass wir Gott sei Dank der Bankenstandort Europas sind und deshalb viele Menschen eine gute Beschäftigung und vieles andere haben, bedeutet, dass in der Krise des internationalen Bankenwesens im Augenblick Hessen derjenige ist, der den ersten Schwall des ganzen Problems auf den Tisch geknallt bekommt.Sie haben in der Steuerabrechnung gesehen, dass wir einen signifikant anderen Steuereingang haben als die anderen Bundesländer.Das wird sich wieder ändern. Das ist keine Frage, die man auf das Jahrhundert diskutieren muss. Aber für 2008 und 2009 wird kein Mensch in diesem Lande, der das ernst nimmt, was in dem Antrag der GRÜNEN offenbar intendiert ist, über Ausgabenprogramme reden können, sondern er wird in den nächsten Wochen tendenziell über Sparprogramme reden müssen.
Die Frage ist: Ist dazu wirklich eine parlamentarische Diskussion da, und gibt es hierfür einen hinreichenden Verdacht an Übereinstimmung? Denn wir verhandeln heute Abend keine Kürzungspakete. Wir verhandeln keine Haushaltssanierungsstrukturen, wir beschließen am Ende
ein Gesetz.Aber wir beschließen mit diesem Gesetz auch über die Frage, ob es ein Signal ist oder nicht.
Ich sage Ihnen für mich persönlich – ich werde aber auch versuchen, das mit meiner Fraktion zu diskutieren –: Wenn es ein Signal ist, das es über das Gesetz hinaus ernst meint mit dem Vorschlag vom Herrn Kollegen Al-Wazir, den er im Sommer formuliert hat und den ich zitiert habe, dann ist es eine ungewöhnliche Entscheidung, eine denkwürdige Entscheidung wert. Wenn er das hier im Parlament sagt, unterstelle ich das auch.
Dann weiß er, dass er und seine Fraktion in den nächsten Wochen in allen Diskussionen, die geführt werden, so gemessen werden, wie sie sich verhalten. Aber es ist kein Nebenkriegsschauplatz, sondern es ist ein wichtiges Thema. Es ist ein wichtiges Thema, weil es um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Es ist aber auch ein wichtiges Thema, weil jeder weiß, dass es nur unter symbolischen Gesichtspunkten die Bedeutung erlangen kann, die es jetzt in dieser Diskussion hat.
Dafür bin ich jedenfalls offen.Wenn das ein Signal ist,dass wir dort zu einer politischen Mehrheit in einem neu gewählten Landtag kommen können, der in einer solchen Frage sagt, dass das eine Entscheidung ist, die ein Schritt – ein Schritt, nicht mehr – in eine bestimmte Richtung ist, wie man mit dem Haushalt umgeht, dann kann es in der Tat eine spannende Sitzung des Hessischen Landtags sein. Ich glaube, dazu sollten wir einen Augenblick weiter diskutieren. – Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank,Herr Ministerpräsident.– Die nächste Wortmeldung stammt vom Herrn Kollegen Al-Wazir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will erst einmal zum geschätzten Kollegen Rudolph zwei Sachen sagen.
Erstens. Auch wir sind dafür, dass die Beamtinnen und Beamten die 3 % bekommen. Übrigens habe ich niemanden in diesem Haus gehört,der nicht der Meinung ist,dass die 3 % auch übertragen werden sollen.
Das Einzige, worüber wir uns jetzt auseinandersetzen, ist die Frage, ob das für alle heute, Ende September, rückwirkend zum 1. Januar geschehen soll. Das ist der einzige Punkt. Dass jemand, der im Dienste des Landes Hessen steht, an der Einkommensentwicklung teilhaben soll, das haben wir immer gesagt, und das ändert sich überhaupt nicht durch das, was hier beschlossen oder auch nicht beschlossen wird. Dieser Meinung sind alle.
Zweitens.Lieber Kollege Rudolph,Sie haben gesagt,nach der Vorstellung der GRÜNEN würde irgendwer etwas weniger bekommen. Dazu sagen wir ausdrücklich: Das stimmt nicht, sondern alle bekommen mehr, und zwar rückwirkend.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): So herum kann man das auch sehen!)
Um es jetzt einmal konkret zu machen, lieber Günter: Du hast als Beispiel die Polizeibeamten genannt. Die Justiz
vollzugshauptsekretärin mit A 8 bekommt nach unseren Vorstellungen rückwirkend 512 c. Der Polizeioberkommissar bekommt rückwirkend 311 c zusätzlich, und der Studienrat mit A 13 bekommt rückwirkend 242 c.Es geht also nicht darum, dass irgendwer weniger bekommen soll. Es ist wichtig, das in dieser Debatte noch einmal festzustellen.
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich in der ersten Sitzung nach der Sommerpause in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung ausdrücklich gesagt, dass ich nicht verstehe,warum von einer Vollbremsung sofort auf Vollgas umgestiegen werden soll. Wer es hören wollte, konnte es hören. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ausdrücklich: Die Fraktion der GRÜNEN ist in dieser Frage, ob in der Regierung oder in der Opposition, immer stringent gewesen. Wir haben im Jahre 1996 die Debatte über die Frage eröffnet, wann eigentlich mit dem Ausgleich des Haushalts begonnen werden soll. Ich kann mich noch daran erinnern, dass der heutige Abg. Wagner damals Mitautor eines Papiers war, in dem er die damals revolutionäre Forderung aufgestellt hat, innerhalb von zwei Legislaturperioden auf Bundesebene zu einem Haushaltsausgleich zu kommen. Wir sind auf dem Bundesparteitag der GRÜNEN mit dieser Forderung kläglich untergegangen. Drei Jahre später war sie Gegenstand der Regierungspolitik von Bundesfinanzminister Hans Eichel.