Protokoll der Sitzung vom 23.09.2008

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich in der ersten Sitzung nach der Sommerpause in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung ausdrücklich gesagt, dass ich nicht verstehe,warum von einer Vollbremsung sofort auf Vollgas umgestiegen werden soll. Wer es hören wollte, konnte es hören. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ausdrücklich: Die Fraktion der GRÜNEN ist in dieser Frage, ob in der Regierung oder in der Opposition, immer stringent gewesen. Wir haben im Jahre 1996 die Debatte über die Frage eröffnet, wann eigentlich mit dem Ausgleich des Haushalts begonnen werden soll. Ich kann mich noch daran erinnern, dass der heutige Abg. Wagner damals Mitautor eines Papiers war, in dem er die damals revolutionäre Forderung aufgestellt hat, innerhalb von zwei Legislaturperioden auf Bundesebene zu einem Haushaltsausgleich zu kommen. Wir sind auf dem Bundesparteitag der GRÜNEN mit dieser Forderung kläglich untergegangen. Drei Jahre später war sie Gegenstand der Regierungspolitik von Bundesfinanzminister Hans Eichel.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Na ja! – Nicola Beer (FDP):Auf dem Papier!)

Liebe Kollegin Beer, ich bin seit 1995 in diesem Parlament. Seit dieser Zeit habe ich immer wieder erlebt: Am Ende der mittelfristigen Finanzplanung war der Haushalt immer ausgeglichen – der Termin verschiebt sich aber jedes Jahr um ein Jahr.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auch in Oppositionszeiten hier ausdrücklich die Linie gefahren, unterschiedliche Gehaltsgruppen unterschiedlich zu behandeln. Ich erinnere daran, dass wir, als die CDU im Herbst 2003 mit absoluter Mehrheit beschlossen hat, die Sonderzahlungen komplett auf 60 % zu kürzen, hier den Vorschlag eingebracht haben, bei bestimmten Gruppen auf unter 60 % zu gehen und bei bestimmten Gruppen bei 70 % zu bleiben – unter dem Strich zwar das gleiche Einsparvolumen, aber eine, wenn Sie so wollen, andere Behandlung von einfachem und mittlerem Dienst als von gehobenem und höherem Dienst. Das hat die CDU damals leider abgelehnt.

Ich muss aber noch einmal feststellen:Wir waren und sind in dieser Frage stringent. Herr Ministerpräsident, ich fände es gut, wenn Sie das einmal darstellen würden, denn die Tatsache, dass Sie rückwirkend eine Gehaltserhöhung um 3 % geben wollen, ist faktisch das Eingeständnis, dass der hessische Sonderweg gescheitert ist. Faktisch haben Sie sich auf denselben Prozentsatz wie den der TdL geeinigt.Wir sagen ausdrücklich, dass die hessischen Beschäftigten, auch die Beamtinnen und Beamten, an der Einkommensentwicklung teilhaben sollen, wir vertreten aber schon die Auffassung, dass das nicht bei allen Gehaltsgruppen zum selben Zeitpunkt geschehen muss.

Lieber Günter, SPD und GRÜNE haben in Hessen ja schon gemeinsam regiert. Ich meine, mich zu erinnern, dass es 1996 oder 1997 war, als im Gesetz- und Verordnungsblatt stand, dass das Ergebnis des Tarifabschlusses

für die hessischen Beamtinnen und Beamten ganze drei Monate später in Kraft tritt. Kann das so gewesen sein?

(Zurufe von der FDP)

Insofern meinen wir es sehr ernst. Geld hat keine politische Farbe. Geld ist entweder da, oder es ist nicht da. Momentan ist es so, dass wir davon nicht genug haben. Deswegen glauben wir, die Besoldung für alle Besoldungsgruppen, bis zu B 9, rückwirkend zum 1. Januar zu erhöhen, wäre falsch. Wir würden das übrigens auch dann für falsch halten, wenn die CDU-Fraktion hier noch die absolute Mehrheit hätte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Ypsilanti für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde es einen ganz interessanten Vorgang, dass sich der geschäftsführende Ministerpräsident zu diesem Punkt heute noch einmal zu Wort gemeldet hat. Ich denke, das liegt daran, Herr Ministerpräsident, dass Sie heute etwas vortragen wollten, was Ihr Innenminister nie vorgetragen hätte.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, Sie wollten Ihrem Innenminister an dieser Stelle einen Wortbruch ersparen.

(Beifall bei der SPD – Dr.Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Da sind Sie Fachfrau! – Lachen und weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Den Vorschlag der GRÜNEN kann man nachvollziehen. Man kann sich entscheiden, ob man ihn teilt oder nicht teilt. Wir haben vorgetragen, dass wir ihn an dieser Stelle in dieser Situation nicht teilen. Herr Koch, Ihnen nehme ich es aber nicht ab, dass es Ihnen an dieser Stelle um den Haushalt und um die Sache geht, denn um den Haushalt ist es Ihnen in den letzten neun Jahren nie gegangen – so, wie er jetzt aussieht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Ihnen und der CDU-Fraktion geht es allenfalls darum, hier noch einmal zu beweisen, dass man auch eine Jamaikakoalition eingehen kann. Das ist das einzige Ansinnen Ihres Vortrags.

(Michael Boddenberg (CDU): Der Antrag kommt von den GRÜNEN, Frau Kollegin!)

Ich sage noch etwas zu dem Vorschlag der GRÜNEN.Tarek, es trifft zu, dass wir in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen für die Beamten später nachvollzogen haben. Wir haben aber klar gesagt, dass wir das diesmal nicht machen. Warum nicht? – Diese Landesregierung hat im Wahlkampf gesagt, es werde keine Sonderopfer für Beamte geben. Genau das hat sie aber gemacht. Die Beamten sind in der „Operation düstere Zukunft“ rasiert worden. Wir haben es alle schon oft gehört: Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld gekürzt, Arbeitszeit verlängert. Wir träfen an dieser Stelle alle, die die 42-Stunden-Woche schon eine lange Zeit mitgetragen haben,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

unter anderem die Polizisten und die Lehrer, die im Moment wirklich einen guten Job machen und die wir nicht doppelt bestrafen wollen. Deshalb noch einmal:Auch wir nehmen die Problemlage des Haushalts wahr. Wir nehmen sie auch ernst.Auch wir sagen, wir müssen mittelfristig einen ausgeglichenen Haushalt haben. Aber in dieser Frage haben wir heute mit euch einen Dissens, Genossen – Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU und der FDP – Unruhe)

Wenn man sich die Haushaltslage ansieht: Was heißt das denn?

(Unruhe)

Frau Kollegin Ypsilanti, entschuldigen Sie bitte. – Auch wenn der Versprecher lustig war, bitte ich, der Rednerin zuzuhören und hier im Saal wieder Ruhe einkehren zu lassen. Herzlichen Dank.

Ich habe die Übersprungshandlung schon verstanden.

Es gibt überhaupt keinen Dissens, wenn es darum geht, die Haushaltslage sehr ernst zu nehmen. Aber was heißt das? Wenn wir im den nächsten Jahren eine noch schwierigere Haushaltslage haben, sollen wir dann mit der Besoldung der Beamtinnen und Beamten noch ganz anders umgehen? Wir können doch die Besoldung der Beamten nicht von der Haushaltslage abhängig machen und nach Gutdünken entscheiden, Kolleginnen und Kollegen.

(Dr.Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Doch,das muss man tun!)

Das können wir nicht machen. Deshalb an dieser Stelle noch einmal: kein doppeltes Sonderopfer für Beamtinnen und Beamte. Wir werden das Thema heute noch einmal beim Thema Sparkasse haben; davon gehe ich aus. Tarek Al-Wazir, du hast jetzt nicht das vorgetragen, was der Ministerpräsident gerne gehört hätte, nämlich dass es nicht nur um die Besoldung und nicht nur um den Haushalt, sondern um eine ganz neue politische Orientierung deiner Fraktion geht. Das hast du nicht gesagt, aber darauf wird seitens der CDU gewartet. Davon wird deren Abstimmungsverhalten abhängig gemacht werden. Ich kann nur sagen: Offensichtlich ist es so, dass die CDU an vielen Stellen Grundsätzliches über Bord wirft, um wirklich jeden Strohhalm zu fassen, der vielleicht doch noch in Richtung Jamaikakoalition zeigen könnte.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ypsilanti. – Nächster Redner ist Herr Kollege Hahn für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Ypsilanti, ich finde es beachtlich, dass Sie das Wort „Wortbruch“ dauernd in den Mund nehmen.

(Heiterkeit bei der FDP)

Ich glaube,als Fachfrau dafür sollten Sie zu diesem Thema einfach schweigen und es nicht noch problematisieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Kollegin Ypsilanti, interessant finde ich auch, dass Sie in Ihrem Redebeitrag eben,als Sie sich an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt haben,in das vertrauliche Du verfallen sind.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sind die Genossen!)

Das war fast schon ein Betteln, nach dem Motto: Lieber Tarek, mach es nicht, mach nicht gemeinsam mit FDP und CDU Politik. – Frau Kollegin Ypsilanti, es war peinlich, wie Sie sich eben hier benommen haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Ärgerlich ist es, dass Sie zu dem zentralen Thema, nämlich zu der Sanierung des Haushalts des Landes Hessen, kein einziges Wort gesagt haben. Kein einziges Wort haben Sie gesagt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich habe den Eindruck, dass Sie und andere in Ihrer Fraktion – den Kollegen Rudolph nehme ich ganz bewusst aus – gar kein Gefühl dafür haben,welche Diskussion wir derzeit führen.

(Zurufe von der SPD)

Als Kollege Al-Wazir vor ein paar Wochen zu mir kam und sagte, darüber müssten wir einmal reden – das war im Haus des Hessischen Rundfunks –, habe ich ihm geantwortet: Ich habe das Gefühl, die GRÜNEN spielen mit dem Feuer.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es für die FDPFraktion noch einmal auf den Punkt bringen – Wolfgang Greilich hat es bereits gesagt –: Allein den Beamten ein Sonderopfer aufzuerlegen – nein. Den Beamten im Konzert mit vielen anderen ein Sonderopfer zur Sanierung des hessischen Haushalts aufzuerlegen – ja. Das ist offensichtlich der Unterschied zu den Redebeiträgen der SPD, wobei Herr Kollege Rudolph eben eine ganz besonders spannende Volte schlug, indem er gesagt und dann noch einmal zur Unterstützung seiner Fraktions- und Landesvorsitzenden hineingerufen hat: „In diesem Jahr nicht!“

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Meine Damen und Herren, auch die Sozialdemokraten überlegen sich also, ob es ein Sonderopfer für die Beamten geben soll. Nur in diesem Jahr eben nicht, haben sie gesagt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen bei der SPD)