Protokoll der Sitzung vom 23.09.2008

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der im Grunde genommen seit dem Jahre 2003 immer wieder in der Diskussion war. Es betrifft das Thema Sparkassen.

Im April 2008 hat die SPD das Thema wieder auf die Agenda gehoben. Wir GRÜNEN haben damals erklärt: Wenn wir dieses Thema wieder angehen, dann wollen wir keine kleinen Lösungen haben. Vielmehr sollten wir, die in der Politik tätig sind, den Mut haben, die Probleme wirklich zu lösen, die seit Langem bekannt sind und diskutiert werden. Unser Job besteht darin, einen Rahmen für die Sparkassen zu setzen. Wie die Kommunen ihn dann nutzen, ist ihre Sache.Aber wir sind gefordert, dafür wirklich eine Lösung zu präsentieren. Das tun wir heute.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben mit allen Fraktionen gesprochen, denn eigentlich ist es ein Thema, bei dem es gut wäre, wenn Einigkeit im Hause bestünde. Die Sparkassen sind ein Thema, das alle betrifft. Die Sparkassen sind auch ein Thema, wo wir

uns im Grunde genommen gar nicht so weit voneinander unterscheiden, weil alle die dritte Säule mit dem Sparkassenwesen wollen. Alle wollen die Sparkassen im kommunalen Besitz erhalten.

Dieser Gesetzentwurf ist ohne Zweifel ein Gesetzentwurf, wo einige Beteiligte über einige Schatten springen mussten. Das war keine einfache Sache.Aber es war klar, wenn wir Handlungsbedarf sehen, müssen wir handeln. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger auch von uns erwarten. Dass wir an so einem Punkt unseren Job tun und uns nicht im Klein-Klein verlieren, dafür sind wir gewählt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Bei diesem wichtigen Thema ist es klar, dass die Sparkassen endlich Sicherheit brauchen, dass sie endlich eine Perspektive brauchen. Wenn wir uns die Situation der Konzentration im Bankenwesen anschauen, wenn wir uns die Krise der Finanzmärkte anschauen, wenn wir uns anschauen, dass die Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank stattgefunden hat, wenn wir uns anschauen, dass am Tag der Anhörung die Deutsche Bank bekannt gegeben hat, dass sie die Postbank teilweise übernimmt, dann heißt das, die steigen ganz massiv in das Privatkundengeschäft ein. Und das heißt, wer die Sparkassen schützen will, der muss an dieser Stelle handeln, und zwar ohne Zögern und ohne Mimositäten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Wir haben neue Instrumente geschaffen, denn die Situation, dass auch im Rhein-Main-Gebiet in den letzten Jahren keine Lösung zustande kam, ist unbefriedigend. Wir schützen mit diesem Gesetzentwurf die Sparkassen vor Privatisierung.Wir haben – Kollege Posch hat es erläutert – das Stammkapital abgeschafft und schaffen öffentlichrechtliche Trägeranteile. Das heißt, alles bleibt in kommunaler Hand.

Wir sorgen dafür, dass kein Verkauf von Sparkassenanteilen möglich ist. Es fließt kein Geld aus dem Sparkassensystem heraus. Wir ermöglichen den Kommunen, Stiftungssparkassen zu gründen. Das ist eine Option. Wir eröffnen aber auch alle Handlungsmöglichkeiten – das unterscheidet es von unserem vorherigen Gesetzentwurf –,ohne dass Stiftungssparkassen gegründet werden. Wir ermöglichen stille Einlagen. Wir ermöglichen die Übertragung von Sparkassen mit gemeinsamer Geschäftsführung. Wir ermöglichen Holdings.

Wir haben eine spezielle Regelung für das Rhein-MainGebiet.Wir sind dafür, dass die Frankfurter Sparkasse bei der Helaba bleibt. Die EU-Wettbewerbskommissarin hatte im Zuge der Auseinandersetzung mit der WestLB darauf hingewiesen, dass das Privatkundengeschäft eine wesentliche Säule der Landesbanken sein muss. Also tun wir hier auch etwas im Sinne der EU-Festigkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Der gemeinnützige Auftrag der Sparkassen wird neu definiert und fortentwickelt. Die Qualifikation und die Auswahl der Verwaltungsräte werden verbessert.Auch da sorgen wir für mehr Qualität und mehr Sicherheit, die wir im Bankenwesen dringend brauchen.

Heute kam – leider sehr spät, muss ich sagen – der Änderungsantrag der SPD, der sich aber in wesentlichen Punk

ten von unserem Antrag doch noch einmal unterscheidet, in dem sie z. B. fordert, dass nur Komplettübertragungen möglich sind. Wir haben lange darum gerungen, ob wir diesen schrittweisen Einstieg wollen. Aber wir wollen in der Sparkassenlandschaft Bewegung, und wir wollen die Schwelle möglichst niedrig halten. Deswegen schaffen wir die Möglichkeit, schrittweise einzusteigen.

Wir halten im Gegensatz zu Ihnen die stille Einlage für europafest. Wir haben das sorgfältig geprüft. Wir wollen nach wie vor die Helaba als Träger. Mir ist unklar, warum Sie wieder die Verbandssparkassen ins Spiel gebracht haben, die in der Anhörung bei allen Beteiligten außer den Betroffenen komplett durchgefallen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Wir haben das auf die Region Rhein-Main begrenzt. Das geht auf eine Forderung der Gewerkschaften zurück. Es erstaunt mich, dass das in Ihrem Gesetzentwurf anders vorgesehen ist. Die Gewerkschaften hatten Sorge, dass das Rhein-Main-Gebiet die Banken aus dem Umland aufsaugt. Deshalb haben wir Grenzen gezogen, weil das nicht Sinn der Sache ist. Wir haben allerdings für die anderen Landesteile auch die Möglichkeiten der Holding geschaffen. Eines ist wichtig: Es handelt sich ausschließlich um freiwillige Möglichkeiten, über die die Kommunen entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben die Rechte der Kommunen und die demokratischen Grundlagen der Kommunen noch verbessert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Damit komme ich zur Anhörung. Es gibt die Behauptung, wir hätten die Anhörung nicht berücksichtigt. Wir haben erst nach der Anhörung mit dem Schreiben dieses Gesetzentwurfs angefangen. Eine Forderung aus der Anhörung war, dass der Kapitalabfluss gering gehalten wird. Nach unserem Entwurf findet kein Kapitalabfluss aus dem Sparkassensystem statt.

In der Anhörung gab es die Forderung nach Beseitigung der Gemengelage im Rhein-Main-Gebiet. Das waren Offenbach, die Taunussparkasse, die Fraspa, die Helaba und kommunale Träger.Wir haben Möglichkeiten geschaffen, diese Gemengelage endlich anzugehen – freiwillige Möglichkeiten.

Es gab Kritik an der Stiftungslösung. Das haben wir berücksichtigt, indem wir davon abgegangen sind, dass alle, bevor sie zusammen arbeiten müssen, erst in die Stiftung gehen müssen. Es gibt nun die Möglichkeit für die Kommunen, die das wollen und ihr Tafelsilber festlegen: Man kann eine Stiftung gründen.Die anderen müssen das nicht machen und können die unterschiedlichen Möglichkeiten der Zusammenarbeit trotzdem in Anspruch nehmen.

Heute kam ein Brief der Gewerkschaften mit ganz essenziellen Vorwürfen, die ich mit aller Deutlichkeit zurückweisen muss.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Die Vorschläge der FDP liegen seit Januar auf dem Tisch. Unsere Vorschläge liegen seit fünf Wochen auf dem Tisch. Es hat sich wenig geändert. Es stand immer darin: Stiftung, Holding, stille Einlage, öffentlichen Auftrag erhalten, Modalitäten der Verwaltungsräte, die Fortbildung,

Girokonto für alle, Existenzgründungsberatung und Transparenzregelung. Das heißt, es gab fünf Wochen Zeit, sich mit diesen Gedanken zu beschäftigen. Ich weiß nicht, was hieran kurzfristig sein soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Ich habe gerade noch einmal erläutert, an welchen Stellen wir die Kritik in der Anhörung haben mit einfließen lassen. Ich glaube, wir haben sehr gründlich zugehört und gründlich gearbeitet. Wenn sich die Gewerkschaften jetzt hinstellen und sagen, das sei die Vorstufe zur Zerstörung der Sparkassenstrukturen, dann ist das eine bodenlose Behauptung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Die Strategie in der gegenwärtigen Situation kann nur sein, die Sparkassen zu schützen. Die Sparkassen können wir nur schützen, wenn wir handeln. Die Sparkassen können wir nicht schützen – das sage ich auch deutlich in Richtung der LINKEN –, indem wir in einen Zustand von damals zurückgehen, sondern die Welt entwickelt sich weiter. Derjenige, der handelt und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, und Mut beweist, ist derjenige, der die Sparkassen schützt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

In dem ver.di-Schreiben wird behauptet, dass die Haltung der Kommunalen Spitzenverbände ablehnend sei. Wer das sagt, berücksichtigt nicht, dass es im Gesetz nur um den Rahmen für kommunale Entscheidungen geht. Die Kommunen haben alle Handlungsmöglichkeiten: Wir haben die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen von früher zwei Möglichkeiten – nämlich Fusion und Zweckverband – auf nunmehr sechs Möglichkeiten erweitert.

Das heißt, die Kommunen haben es in der Hand, ob sie diese Instrumente nutzen. Sie haben es in der Hand, wie sie diese Instrumente dann einsetzen. Wer nichts ändern will, der kann alles so belassen, wie es ist.Wir zwingen keinen zu irgendetwas.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Von daher wird unser Gesetzentwurf den breiten Forderungen gerecht. Er ist EU-fest. Das war ein ganz wichtiger Punkt. Er sichert die regionale Anbindung. Er bietet eine Lösung für das Rhein-Main-Gebiet.Von daher halten wir diesen Gesetzentwurf für zukunftsfähig, um die Sparkassen so aufzustellen, dass sie erhalten bleiben, dass sie die regionale Versorgung sichern, dass sie die Versorgung der kleinen und mittleren Unternehmen sichern, und dass die Sparkassen weiterhin in kommunaler Hand bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hölldobler-Heumüller. – Für die Fraktion der SPD erhält der Kollege Frankenberger das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst müssen wir feststellen, dass heute für die hessischen Sparkassen ein guter Tag ist, denn wir werden wahrscheinlich mit breiter Mehrheit in diesem Hause für die Abschaffung des Stammkapitals bei den hessischen Sparkassen stimmen. Und das ist ein guter Tag für die hessischen Sparkassen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns allerdings nochmals die Debatte um die Einführung des Stammkapitals vergegenwärtigen – sie ist noch gar nicht so lange her –, so muss man feststellen, dass das, was die CDU noch im letzten Jahr immer als die zukunftsweisende Lösung für die hessischen Sparkassen angesehen hat, nämlich die Einführung des Stammkapitals, jetzt auf einmal null und nichtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Bod- denberg (CDU): Da hat sich etwas verändert!)

Meine Damen und Herren von der CDU, dafür kann es mehrere Gründe geben. Ich nehme den Kollegen Wintermeyer sehr ernst, der vorhin bei einem anderen Tagesordnungspunkt gesagt hat, auch oder selbst bei der CDU sei Einsichts- und Lernfähigkeit vorhanden. Ich hoffe, in diesem Falle brauchen Sie dafür nicht wieder eine viertelstündige Unterbrechung, die dann eine halbe Stunde dauert.

(Beifall bei der SPD)

Oder aber Ihre Einsicht beruht nicht auf sachlichen Argumenten, sondern hat etwas mit anderen Tagesordnungspunkten dieser Plenarsitzung zu tun. Meine Damen und Herren, es bleibt jedem im Haus überlassen, seine Schlussfolgerung zu ziehen, welcher Argumentation er sich anschließen will.

Unabhängig von der Motivlage der CDU bleibt unter dem Strich festzuhalten: Auch die CDU ist für die Abschaffung des Stammkapitals. Deswegen freuen wir uns gemeinsam mit den hessischen Sparkassen, denn das ist ein guter Tag für sie.

(Zuruf des Abg. Dieter Posch (FDP))

Meine Damen und Herren, im jetzt vorliegenden geänderten Gesetzentwurf der FDP gibt es den Begriff „Trägeranteile“. Die einen reden von Trägeranteilen, die anderen von Trägerkapital.Keiner weiß so richtig,was damit eigentlich gemeint ist.

(Michael Boddenberg (CDU): Worin besteht der Unterschied?)