Protokoll der Sitzung vom 24.09.2008

Wenn die hessische Landespolitik, in welcher Konstellation oder in welcher zukünftigen Regierung auch immer, das Kraftwerk ablehnt, dann können wir gegen diese politische Position eben das Kraftwerk nicht bauen. Das ist meine Aussage, und die steht auch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir finden, dass sich Herr Bernotat an diese Worte, die er in vollem Bewusstsein gesprochen hat, auch halten sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Herr Kollege Hahn hat mir einen Brief geschrieben, der einen schönen Satz beinhaltet:„Ich hätte nie gedacht,dass ausgerechnet mir das einmal aus der Feder rutscht, aber ich muss Joseph Martin Fischer recht geben.“ Er spielt dort darauf an, dass sich Joschka Fischer Gedanken über die Frage macht, wie lange wir noch Kohlekraftwerke brauchen.

Lieber Herr Staatsminister Rhiel, ich sage ausdrücklich: Die GRÜNEN waren nie der Meinung, dass man existierende Kohlekraftwerke vorzeitig abschalten sollte.

(Nicola Beer (FDP): Durch effiziente ersetzen!)

Aber wir sind der Meinung, dass man keine neuen, ineffizienten Kohlekraftwerke jetzt bauen sollte, die dann für 50 Jahre die Struktur prägen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sagen, Joschka Fischer hat recht, dann empfehle ich Ihnen das ganze Interview. Dann überlegen Sie sich vielleicht doch, ob Sie immer noch dieser Meinung sind. Ich zitiere aus dem Magazin der Deutschen Umwelthilfe:

Verschwendung und Unvernunft, mit der wir bisher gelebt haben, sind so nicht mehr haltbar.

Er sagt zur Frage, wie der Ölpreis sich entwickelt hat:

Endlich verschwinden die versteckten Subventionen, und die ökologische Wahrheit kommt in den Preisen zum Vorschein. Nur so wird sich etwas verändern.

Achtung an alle hier im Haus:

Da helfen auch keine neuen Subventionsversprechen à la Pendlerpauschale. Wenn die Lawine runterdonnert, nützt es nichts, den Regenschirm aufzuspannen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, da sollten Sie einmal sagen,Joschka Fischer hat recht.– Er sagt dann weiterhin, die entscheidenden Defizite der Atomenergie sind und bleiben ungelöst: die Sicherheitsproblematik mit dem Potenzial einer Katastrophe, das Proliferationsrisiko und die Entsorgung. Es ist doch kindisch, zu glauben, wir könnten Atommüll, der Hunderttausende von Jahren strahlt, administrativ verbuddeln. – Da sagen wir ausdrücklich, Joschka Fischer hat recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ob die FDP immer noch der Meinung ist, bin ich gespannt, zu hören.

Ich gucke auf die Uhr; letzter Satz, Frau Präsidentin. – Wir wollen die Hochrisikotechnologie der Atomkraft beenden. Wir wollen endlich den Einstieg in die erneuerbaren

Energien, und wir wollen keine ineffizienten Kohlekraftwerke in diesem Bundesland. Es wird Zeit, dass wir endlich damit beginnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Apel für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Al-Wazir, Sie sprachen davon, wir müssen endlich beginnen mit den erneuerbaren Energien. – Ich kann mich gut daran erinnern, dass in den Neunzigerjahren, als Sie hier die Regierungsverantwortung gemeinsam mit der SPD hatten, in Bayern die Biogasanlagen geradezu aus dem Boden sprossen, während hier Tiefschlaf angesagt war für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Sie führen in Ihrem Antrag an, dass die CO2-Emissionen seit 1990 in Hessen als einzigem Bundesland angestiegen sind.Wir hatten vor der Landtagswahl schon einmal über diesen Punkt gesprochen. Sie verschweigen dabei aber, dass es Hessen als einzigem Bundesland gelungen ist, den Ausstoß der CO2-Emissionen vom Anstieg des Bruttosozialprodukts abzukoppeln.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt nicht! Bayern hat doch ein Wachstum!)

Wenn man den Energieverbrauch ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt setzt, dann erhält man ein Indiz dafür, wie effektiv Energie eingesetzt wird. Bei dieser Kennzahl nimmt Hessen bundesweit den vierten Platz ein. Das verschweigen die GRÜNEN aber natürlich in ihrem Antrag. Sie vergessen auch zu erwähnen, dass die energiebedingten Pro-Kopf-Emissionen in Hessen bei 7,5 t CO2 liegen. Im Bundesdurchschnitt sind es 10,4 t. Das heißt, die Stromerzeugung in Hessen ist um 28 % weniger mit CO2Emissionen verbunden als im Bundesdurchschnitt.

(Frank Gotthardt (CDU): Sehr richtig! – Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Woran liegt das?)

Demnach könnten die bundesweiten CO2-Emissionen um 28 % reduziert werden, wenn sich der Rest der Republik an Hessen orientierte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al- Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ei, ei, ei!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt darüber hinaus noch ein deutliches Glaubwürdigkeitsproblem in Sachen Ausstieg aus der Kernenergie im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Der Ausbau der erneuerbaren Energien führt erwiesenermaßen eben nicht automatisch zu einer Verringerung der CO2-Emissionen.Wie unter anderem auch Prof. Janicka von der TU Darmstadt in der Anhörung ausführte, kommt es durch erneuerbaren Energien nur dann zu einer unmittelbaren Reduzierung der CO2-Emissionen, wenn sie zum Ersatz von Kohlekraftwerken, nicht aber zum Ersatz des ohnehin schon emissionsarmen Atomstroms eingesetzt werden.

(Gernot Grumbach (SPD): Das ist physikalisch falsch!)

Ich will das an einer konkreten Beispielsrechnung deutlich machen. Die FH Aachen veröffentlichte vor Kurzem eine Studie,in der sie untersucht hat,wie sich im Vergleich von 2006 zu 2007 die deutsche Stromerzeugung entwickelt hat. Nach den in dieser Studie belegten Zahlen der unterschiedlichen Herkünfte der erneuerbaren Energieträger Wind, Sonne, Biomasse und Wasser und den vom Öko-Institut ermittelten jeweiligen CO2-Emissionen wurden die ca. 15 Milliarden kWh aus erneuerbaren Energien im Durchschnitt mit 46 g CO2 je erzeugter Kilowattstunde Strom erzeugt, während die mehr als 25 Milliarden weggefallenen Kilowattstunden aus Kernenergie mit nur 31 g CO2 je erzeugter Kilowattstunde zu Buche schlugen.

Gleichzeitig standen den ca. 3 Cent Erzeugungskosten für jede Kilowattstunde aus Atomenergie durchschnittlich 11 Cent für die Erzeugung aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser entgegen. Der Zuwachs des Stromanteils der erneuerbaren Energien an der Gesamtenergieerzeugung schlug nach Erhebungen der FH Aachen also allein im Vergleich von 2006 zu 2007 mit Mehrkosten von 1 Milliarde c zu Buche.

Das bedeutet,dass mit diesen Mehrkosten von 1 Milliarde c und demzufolge fast vierfach höheren Stromerzeugungskosten, die von allen Stromkunden zu zahlen sind, ein um 50 % höherer CO2-Ausstoß einherging.Angesichts dieser Zahlen müssen sich die Verfechter energiepolitischer Träumereien die Frage gefallen lassen, ob ihre Vorstellungen von heiler Welt den Grundsätzen von sozialer und ökologischer Politik entsprechen, wenn vierfach höhere Stromerzeugungskosten einen um 50 % höheren CO2Ausstoß verursachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wo bleibt bei einer solchen Energiepolitik der Klimaschutz? Wo bleiben die Millionen Stromkunden, die allein aus ideologischen Gründen viermal höhere Erzeugungskosten für ihre Stromrechnung bezahlen, wobei für den Klimaschutz nicht nur nichts erreicht wird, sondern ein um die Hälfte höherer CO2-Ausstoß damit einhergeht?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aussage im Antrag der GRÜNEN, dass der Weiterbetrieb von Kernkraftwerken wirksamen Klimaschutzanstrengungen widerspreche, ist somit nicht nur sachlich unhaltbar, sondern stellt vielleicht auch eine Täuschung der Wähler dar.

Kommen wir nun zur Versorgungssicherheit.Der Bundesverband Erneuerbare Energien prognostizierte in der Anhörung bundesweit einen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 35 bis 40 % bis 2020 – aber nur, wenn die geplanten Einsparungen von 11 % tatsächlich realisiert werden. Zweifel an dieser Prognose hegte unter anderem auch Prof. Schmid vom ISET, der sogar einen erhöhten Strombedarf vorhersagte.

Als Fazit kann also festgehalten werden, dass eine nicht unerhebliche Strommenge mittelfristig aus nicht erneuerbaren Quellen erzeugt werden muss. Auch wenn es nicht in Ihr Weltbild passt:Wenn wir hier von einem Anteil von 30, 40 oder 50 % erneuerbaren Energien bis 2020 oder 2030 sprechen, müssen wir uns die Frage gefallen lassen, wie der restliche Strombedarf gedeckt werden soll.

Nach der Pressekonferenz von Herrn Grumbach vor etwa zwei Wochen scheint mir mittlerweile auch in der SPD die Entwicklung eingetreten zu sein, dass man nicht mehr unbedingt an das vor der Landtagswahl propagierte Energiekonzept scheerscher Prägung glaubt.

(Zurufe von der SPD)

Herr Al-Wazir, Sie sagten eben:Wir müssen uns die Frage stellen, wo wir stehen. – Wir müssen uns vielmehr die Frage stellen:Wo wollen wir hin?

(Dr. Thomas Spies (SPD): Die haben wir schon beantwortet!)

Sie haben eben dankenswerterweise auf das Interview mit Joschka Fischer hingewiesen. Ich will diesem Interview noch ein paar Facetten anfügen, die Sie eben nicht erwähnten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich wusste doch, was von Ihnen kommt!)

Mit der Einwilligung der Frau Präsidentin würde ich gerne Joschka Fischer zitieren:

Wir werden aber als Übergangstechnologie auch weiter Kohle einsetzen müssen, wenn wir nicht wieder bei den mehr als zweifelhaften Segnungen der Atomkraft landen wollen. Es wäre ein Riesenfehler von GRÜNEN und Umweltbewegung, wenn sie an diesem Punkt unrealistisch sind. Ich sehe die Probleme der Kohle und beschönige nichts, aber für den Übergang kommen wir nicht ohne sie aus. An dieser Frage werden auch Wahlen entschieden.Wir können uns nicht ins Abseits manövrieren und alles ablehnen, da werden wir schnell in die sektiererische Ecke gedrückt.

Überlegen Sie bitte für einen kurzen Augenblick, welche Rolle die Kohle haben wird, wenn wir in Nahost tatsächlich einen massiven Konflikt bekommen sollten.Dann wird sie,weil sie aus politisch stabileren Regionen kommt, noch eine ganz andere Bedeutung erhalten.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehr Fischer, weniger Apel!)

Atom oder Kohle, da bin ich eindeutig pro Kohle.

Sie werden es nicht glauben, aber das ist immer noch Originalton Joschka Fischer.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist auch gut so!)