Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Ich will jetzt zu unserem Gesetzentwurf kommen und dazu einige Ausführungen machen.Es handelt sich um ein wahlkampfnahes Gesetzgebungsvorhaben, wie der Ministerpräsident es heute Morgen bezeichnete. Das Schöne an solchen Gesetzesvorhaben ist nämlich, dass sie sich daran orientieren, was man im Wahlkampf versprochen hat. Bei der Gelegenheit will ich schon einmal ankündigen, dass wir auch in Zukunft sehr viele wahlkampfnahe Gesetzesinitiativen hier einbringen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Gesetzentwurf beinhaltet die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren, des Verwaltungskostenbeitrages sowie der Langzeit- und Zweitstudiengebühren. Wir halten Studiengebühren für sozial zutiefst ungerecht. Wir treffen nicht nur Studierende, sondern gerade auch deren Familien, die sich weiter finanziell einschränken müssen, um dem Kind oder den Kindern ein Studium finanzieren zu können. Die LINKE tritt für mehr Chancengerechtigkeit und gegen eine verstärkte Auslese ein.

Vielleicht kann sich auch jeder von Ihnen einmal fragen, ob Sie den Lebensweg, den Sie gegangen sind, auch gegangen wären, wenn es Studiengebühren gegeben hätte und Sie selber keinen freien Zugang zu Hochschulen gehabt hätten.Der Zugang zu Bildung muss unabhängig von Status und Geldbeutel der Eltern sein. Die Tochter des Bankdirektors darf keine besseren Chancen aufgrund ihrer Herkunft haben als das Kind der alleinerziehenden Sozialhilfeempfängerin.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wer erreichen will, dass Studierende ihr Studium in kürzerer Zeit absolvieren, der muss die Bedingungen an den Hochschulen verbessern. Denn sonst kann man gar nicht feststellen, ob ein Student selbstverschuldet die Regelstudienzeit überschreitet.Ich bin Studentin,und ich weiß,wie unzumutbar zum Teil die Bedingungen an den hessischen Hochschulen sind. Ich weiß, dass man Seminare nicht besuchen kann, weil sie überfüllt sind, dass man Scheine nicht machen kann und dass man ins Hintertreffen gerät. Es ist auch eine Tatsache,dass 70 % aller Studierenden arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt und ihr Studium finanzieren zu können. Das kostet natürlich Zeit. Das ist Zeit, die zum Studieren fehlt. Deshalb fordern wir die Abschaffung der Langzeitstudiengebühren, und deshalb lehnen wir auch den Art. 3 im Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN ab,

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

mit dem Zwangsexmatrikulationen unserer Meinung nach erleichtert werden sollen. Das lehnen wir ab.

Die bereits gezahlten Studienbeiträge müssen zurückgezahlt werden. Wenn es falsch war, allgemeine Gebühren zu erheben, dann ist es jetzt auch richtig, sie zurückzuzahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Den Hochschulen müssen die Ausfälle durch die Abschaffung der Studiengebühren aus Landesmitteln erstattet werden.

Jetzt möchte ich etwas zur vermeintlichen Nichtfinanzierbarkeit der Forderungen sagen, die wir aufstellen. Ich möchte darauf hinweisen, dass allein durch die Unternehmensteuerreform, an der der Ministerpräsident tatkräftig zur Unterstützung von Peer Steinbrück mitgewirkt hat, über 200 Millionen c dem hessischen Haushalt jedes Jahr fehlen. Ich habe niemanden gehört, der aufgeschrien hätte: „Das ist zu teuer, das können wir nicht gegenfinanzieren, das können wir uns nicht leisten, da müssten wir uns verschulden.“

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wer hat Ihnen das erzählt?)

Da hat niemand aufgeschrien. Das kann man sich offensichtlich leisten. Diese 200 Millionen c würden reichen, um die Studiengebühren zumindest finanzpolitisch überflüssig zu machen.

(Beifall bei der LINKEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Was für eine Logik!)

Zudem fordern wir die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die würde dem Land Hessen 1,2 Milliarden c jährlich bringen. Das ist das Zehnfache der Einnahmen, die jetzt durch die Studiengebühren entstehen. Ich denke, man kann nicht immer Steuersenkungen für Unternehmer und für Vermögende fordern und sich dann beschweren, dass die Kassen so leer sind.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Sie haben es nicht verstanden!)

Ich weiß nicht, wer Sie sind, ich kenne Ihren Namen noch nicht. Ich habe auch den Zwischenruf nicht verstanden.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ich möchte Ihnen noch den Vorschlag machen, wie man kurzfristig im Landeshaushalt umschichten kann, bei

spielsweise bei teuren Verkehrsprojekten wie dem Ausbau des Flughafens Kassel-Calden, den wir im Übrigen auch aus ökologischen Gründen ablehnen.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Es ist unserer Meinung nach keine Frage des Nicht-Könnens. Es ist jahrzehntelang möglich gewesen, in Hessen kostenfrei zu studieren, in Deutschland kostenfrei zu studieren. Deutschland ist nicht ärmer geworden. Hessen ist ein reiches Land,wie wir auch in der Regierungserklärung gehört haben. Warum also soll ein kostenfreies Studieren heute nicht mehr möglich sein? Ich denke, es ist eine Frage der Prioritäten, nicht der Möglichkeiten. Es muss möglich sein, dass in einem der reichsten Länder jedes Kind gleichberechtigt Zugang zu Bildung hat.

Es geht dabei auch nicht ums Piesacken. Das Geld gehört nicht der Landesregierung,man will es ihr nicht entreißen. Vielmehr soll das Geld von der Regierung verwaltet werden, und zwar zum Wohle der Menschen. Dazu gehört auch der gleichberechtigte Zugang zu Bildung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die LINKE steht darüber hinaus für einen grundsätzlich anderen Bildungsbegriff, der sich nicht an der Verwertbarkeit des Marktes, sondern am Menschen orientiert. Bildung darf eben keine Ware werden, die man kaufen kann, wenn man es sich leisten kann – oder eben nicht, wenn man es sich nicht leisten kann. Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft, weder bei der Bildung noch bei der Gesundheit, noch beim Zugang zu Kultur. Für die LINKE gilt: Bildung ist ein Menschenrecht und darf nicht zum Privileg werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben die Möglichkeit, in Hessen ein Zeichen für freie Bildung, für Chancengerechtigkeit zu setzen, indem wir die Studiengebühren wieder abschaffen. Das wäre ein Signal für ganz Deutschland: In Hessen gibt es keine Auslese nach dem Geldbeutel der Eltern.

Der freie Hochschulzugang ist eine Errungenschaft, die erkämpft wurde. Heute gilt es sie zu verteidigen. Deshalb ist es nötig, dass die Studierendenbewegung und die Gewerkschaften so lange Druck machen und auf die Straße gehen, bis dieses Gesetz endlich gekippt ist. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. Es ist eine Tradition, dass in diesem Hause darauf hingewiesen wird, wann jemand seine erste Rede gehalten hat. Diese Tradition wollen wir beibehalten, weil es viele neue Abgeordnete gibt. Herzlichen Dank, Frau Abg.Wissler.

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort hat Frau Abg. Beer.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war die Jungfernäußerung des Präsidenten!)

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP ist gegen das Verbot von Studiengebühren in Hessen. Wir sind als FDP für mehr Autonomie unserer

hessischen Hochschulen. Die Hochschulen in Hessen sollen zukünftig selbst darüber entscheiden können, ob sie Studiengebühren beibehalten, in welcher Höhe, ab welchem Semester und vor allem in welchen Studiengängen.

Wir freuen uns darüber – wir haben uns schon persönlich ausgetauscht –, dass die CDU mit ihrer Bad Wildunger Erklärung sich diese Fortentwicklung des Autonomiegedankens der hessischen Hochschulen zu eigen gemacht hat. Frau Kollegin Sorge, wir rufen insbesondere den GRÜNEN zu: Lasst uns über das Hamburger Modell diskutieren. Denn wie die schwarz-grüne Koalitionsvereinbarung in Hamburg ganz deutlich zeigt, sind für GRÜNE Studiengebühren, wenn man sie richtig macht, offensichtlich nicht gleichzusetzen mit sozialer Auslese.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wie man sie richtig macht, dafür haben wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf eine Diskussionsgrundlage vorgelegt; denn wir als FDP sind der festen Überzeugung, dass es nicht nur darum geht, über Studiengebühren – ja oder nein – zu diskutieren, sondern dass wir in unserem Land in den Hochschulen, in den Hochschulgremien zwischen Studierenden, Professoren und Mitarbeitern, aber auch im Rahmen der Steuerbürger darüber diskutieren müssen, welche Qualitätsziele wir in unserer Hochschulausbildung erreichen wollen.Wir brauchen eine Qualitätsdebatte hier in Hessen. Das ist dringend nötig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Welche Qualitätsziele wollen wir an unseren Hochschulen etablieren, um national wie international wettbewerbsfähig zu sein? Wir müssen darüber diskutieren, wie wir diese Qualitätsziele erreichen wollen und wie wir das Erreichte absichern. Wir müssen schauen, dass die Hochschulen in finanzieller Autonomie die Ziele, die sie sich selbst stecken, erreichen und halten können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen aber auch schauen – da sind alle Bereiche, die Politik, die Gesellschaft, aber auch die Studierenden, gefragt –, was wir bereit sind in ein solches gesteigertes Qualitätsniveau zu investieren.

Ich sage hier noch einmal ganz deutlich, und ich habe das in den vergangenen Legislaturperioden stets für die FDP betont: Die FDP bleibt dabei, dass die Bildung, und zwar auch im Hochschulbereich, eine öffentliche Aufgabe ist. Aber sie ist für uns mehr als nur die erste Säule der Hochschulfinanzierung, nämlich die staatliche Grundfinanzierung. Diese wird immer der größte Teil der Hochschulfinanzierung bleiben. Aber wir möchten diese Säule der Grundfinanzierung ergänzen um die Möglichkeit der Hochschulen, eine zweite Säule, nämlich Studiengebühren, danebenzustellen.

Genau deshalb haben wir heute erneut unser Gesetz zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen eingebracht. Dieses Gesetz beruht, kurz gesprochen, auf fünf wesentlichen Punkten.

Erster Punkt. Nur Qualität rechtfertigt Studiengebühren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Axel Winter- meyer (CDU))

Wir wollen die Hochschulen nicht nur dazu verpflichten, die Studierenden in der Regelstudienzeit durchs Studium zu bringen. Wir wollen sie auch dazu verpflichten, dass es eine bessere Beratung und vor allem auch eine bessere

Betreuung unserer Studierenden in Hessen gibt. Es muss klar sein:Wer mehr bezahlt, muss auch mehr Leistung bekommen.

Dazu gehört in unseren Augen als Allererstes die Relation von Studierenden zu Lehrenden. Die muss unbedingt verbessert werden. Wir haben mit dem Gesetzentwurf, wie er Ihnen vorliegt, hier auch keine Probleme mit dem geltenden Kapazitätsrecht, ganz anders als SPD und GRÜNE. Ich fand es interessant, dass Sie nicht darauf eingegangen sind, Herr Siebel.

(Florian Rentsch (FDP):Aha!)

Der Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN, der den Ersatz der Studiengebühren durch den Landeshaushalt vorsieht, bekommt massive Probleme damit, eine Qualitätsverbesserung in unseren hessischen Hochschulen herbeizuführen. Nach dem geltenden Kapazitätsrecht investieren Sie hier in die Breite, aber Sie investieren nicht in die Verbesserung der Studienbedingungen derer, die einen Studienplatz haben. Da sind wir Ihnen mit unserem Gesetzentwurf voraus. Wir können die Betreuungsrelation verbessern. Wir können die Qualität der Studienbedingungen verbessern. Sie können keinerlei Lehrpersonal aus den von Ihnen zur Verfügung gestellten Landesmitteln finanzieren, ohne gleichzeitig auch die Studienplatzanzahl erhöhen zu müssen.