Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Bevor ich den Gesetzentwurf im Einzelnen vorstelle, will ich noch einen kurzen Blick auf die Vergangenheit werfen. Es war schon in gewisser Weise beeindruckend: Ich erinnere mich an den Zeitpunkt, als die CDU hier den Gesetzentwurf vorgelegt hat mit dem Ziel, Studiengebühren einführen zu wollen.Man hatte den Eindruck,dass die CDU-Fraktion fast schon von der Idee besessen war, dass Studiengebühren der richtige Weg sind.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Ich erinnere daran, dass in einer sehr umfangreichen Anhörung herausgekommen ist, dass Ihr erster Gesetzentwurf, Herr Wintermeyer, so was von offensichtlich verfassungswidrig war, dass Sie diesen Gesetzentwurf in weiten Teilen einkassieren und in wesentlichen Punkten revidieren mussten. Das ist die Realität des Verfahrens, das wir hinter uns gebracht haben.

Ich habe heute Morgen in einer „dpa“-Meldung von Frau Lautenschläger gelesen, dass sie sagt:Wir müssen uns den Realitäten stellen. Ich sehe das zwar politisch anders. Aber letztendlich wird es so sein, dass, wenn dieser Gesetzentwurf eine Mehrheit findet, wir ihn natürlich auch ordentlich verwaltungsmäßig exekutieren werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde es ehrenwert, dass Frau Lautenschläger dies gesagt hat.

(Günter Rudolph (SPD):Es ist verfassungsgemäß!)

Es ist verfassungsgemäß. – Ich will auch noch das sagen, was bei der letzten Plenarsitzung Kollege Wagner hervorgehoben hat. Es gab einen Austausch und ein Spitzengespräch – –

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Herr Reif, einen Nachteil hat dieser Plenarsaal. Ich gehe eigentlich immer ganz gerne auf Zwischenrufe ein. Bei dieser Akustik höre ich sie aber so schlecht. Herr Reif, vielleicht schreiben Sie es einfach auf. Dann kann ich es lesen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das liegt vielleicht an dir! – Zurufe der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Axel Wintermeyer (CDU))

Besonders schade finde ich, dass ich insbesondere die Zwischenrufe von Herrn Hahn nicht höre. Das vermisse ich schon ein bisschen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ich schreibe es dir nächstens auf!)

Ja, schreiben Sie es mir bitte auf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gab ein Spitzengespräch auf Anregung des hessischen Finanzministers,Herrn Weimar,in dem wir die Frage der Finanzierung sehr ausführlich erläutert und besprochen haben. Ich finde, es ist ein in der Tat der Verfassung entsprechender Vorgang gewesen, dass wir uns dort auf ein paar Sachen verständigt haben. Ich nehme an, Herr Arnold wird nachher auch aus der Sicht des Finanzministeriums noch einmal dazu beitragen. – Das macht die Ministerin.Aber Sie machen das immer in großem Einvernehmen. Wir haben uns darauf verständigt, dass die Finanzierung und auch der Weg der Finanzierung,den wir gefunden haben – nämlich die Finanzierung aus 20 Millionen c für Zinsen, für Anleihen,Landeszuweisungen und Schuldscheindarlehen anderer Darlehensgeber, also das, was wir auf dem Geldmarkt zu besorgen haben –, eine durchaus machbare und auch solide Finanzierung ist.

(Nicola Beer (FDP): Na klar!)

Frau Kollegin Beer, ich weiß zwar nicht genau, was Sie gesagt haben. Ich wies schon auf die Akustik des Saales hin.

(Norbert Kartmann (CDU): Deswegen ist er gebaut worden! – Axel Wintermeyer (CDU): Sie wollen es nicht verstehen!)

Da wir uns schon gestern Abend ein bisschen darüber unterhalten haben, weiß ich, dass Sie jetzt sagen, dass wir von Ihnen auch noch ein finanzpolitisches Proseminar hören werden. Sie können sich dann mit dem Kollegen Arnold auseinandersetzen, wer an dem Punkt richtig liegt. Wenn wir aus dem Finanzministerium diesen Hinweis kriegen, folgen wir dem gerne, insbesondere in der jetzigen Situation.

Der zweite Punkt,aus dem wir es finanzieren werden – die 8,7 Millionen c sächliche Verwaltungsausgaben –, sind im Kern vom Finanzministerium auch so akzeptiert worden. Ich kann verstehen, wenn das Finanzministerium sagt: „Liebe SPD, wir wüssten gerne, wo genau ihr das gekürzt haben wollt.“ Dafür habe ich Verständnis. Ein Finanzminister macht sich nicht gerne bei den eigenen Kollegen die Finger dreckig.Sie wissen,die Summe von 8,7 Millionen c ist eine vergleichsweise kleine Summe gegenüber dem, was Sie mit derselben Methode an anderen Orten zu anderen Zeiten bereits eingestellt haben. Insofern ist das,

was Sie hier zu besorgen haben, eher etwas, was unter leichter Gartenarbeit und nicht unter schwerer Handarbeit einzusortieren ist. Das wird schon so gehen.

Ich will noch ein Weiteres zur Finanzierung sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich höre momentan das Gerücht, dass die Finanzierung angeblich aus LOEWE-Mitteln laufen soll. Ich sage es hier in aller Deutlichkeit – ich erlaube mir diese über den Gesetzentwurf hinausgehende Bemerkung –: Wir halten das Programm, das unter dem Titel LOEWE aufgelegt worden ist, für die hessischen Hochschulen in der Tat für ein positives Programm.

Das wird auch in den Programmrichtlinien in vollem Umfang unter einer möglichen Verantwortung einer Regierung und Koalition, an der die SPD beteiligt ist, weiter erhalten bleiben. Es ist positiv, dass wir dieses Programm aufgelegt haben. Es wird nur wenige Feinkorrekturen geben, die Sie aber auch selber vornehmen. Aber ich will auch schon nachhaltig dagegenhalten, dass wir die Finanzierung auf dem Weg sicherstellen werden, wie das im Gesetzentwurf vorgesehen ist, und auf keinem anderen Weg.

Zweitens.Es ist zu Recht gefragt worden,wie das denn für 2009 aussieht. Das ist eine korrekte und spannende Frage. Weil Sie mir immer ein bisschen mit ein paar Zwischenrufen assistieren, die ich auch hören kann, möchte ich Ihnen vielen Dank dafür sagen.

Wir müssen schon heute in die Diskussion über die Struktur des Haushalts 2009 eintreten. Natürlich ist das notwendig. Wir werden uns schon sehr bald über die Eckdaten für den Haushalt 2009 hier im Parlament darüber zu verständigen haben, wie wir das, was wir mit diesem Gesetzentwurf, von dem wir erwarten, dass er eine parlamentarische Mehrheit findet,auch im Haushalt des Jahres 2009 fest, verlässlich und zuverlässig für die Hochschulen zu verankern haben. Es ist ein wichtiger Schritt, dass wir sehr früh mit den Beratungen über die Eckwerte des Haushalts 2009 beginnen. Dieses Gesetz ist ein großer Brocken. Deshalb muss diese Strukturfrage schon sehr früh angegangen werden.

Ich will aber Folgendes in aller Deutlichkeit sagen:Wir finanzieren diese 52 Millionen c, die pro Semester notwendig sind, aus dem Landeshaushalt. Das bedeutet, dass wir erstmals in der Geschichte des Landes Hessen eine Steigerungsrate für die hessischen Hochschulen aus staatlichen Mitteln für den Bereich der direkten Zuwendungen in einer Höhe von – das variiert ein bisschen zwischen Fachhochschulen und Universitäten – 6 bis 15 % haben. Diese Steigerungsraten aus staatlichen Mitteln hat es in der Geschichte des Landes Hessen für die Hochschulen noch nicht gegeben.

Ich glaube, an dieser Stelle ist es, weil es in der Tat um so viel Geld geht, auch angesagt, dass ich mich auch einmal bei denen bedanke, die dafür gesorgt haben, dass wir das möglich machen konnten. Insbesondere möchte ich mich bei demjenigen bedanken, der auch zuvor die Verhandlungen geführt hat, dem Mitglied unseres Zukunftsteams, Reinhard Kahl, der gemeinsam mit Norbert Schmitt dort in der Tat eine schwierige Aufgabe bewältigt hat. Vielen Dank, lieber Reinhard. Das ist eine große Hilfe für uns und unser gemeinsames Projekt gewesen, das wir zu schultern haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Kollege Siebel, es tut mir außerordentlich leid, dass das meine erste Amtshandlung ist, aber ich muss Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Wie die Zeit vergeht.

Dann will ich nur noch zwei Dinge sagen, Herr Präsident. Ich möchte mich darüber hinaus noch bei den Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedanken, insbesondere bei Sarah Sorge und Frank Kaufmann. Es war ein kollegiales und konstruktives Arbeiten an einem Gesetzentwurf, das mir viel Hoffnung und Mut macht, dass daraus mehr entstehen kann als nur dieser Gesetzentwurf. Ganz, ganz herzlichen Dank dafür. Und wenn mein kleines Ausschweifen an der einen oder anderen Stelle dazu geführt hat, dass du, liebe Sarah, den Gesetzentwurf nachher im Einzelnen vorstellen kannst,dann will ich das dir hiermit ermöglichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Siebel. – Das Wort hat Frau Abg.Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für Solidarität und freie Bildung – das ist das Motto der hessischen Studierendenbewegung. Zehntausende Studierende, aber auch Schüler und Eltern sind für das Recht auf gebührenfreie Bildung auf die Straße gegangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Studierendenvertretungen hat fast 80.000 Unterschriften im Rahmen der Verfassungsklage gesammelt. Das zeigt, wie groß die Solidarität und die Sympathie für die Studierenden und ihre Proteste sind und wie breit die Unterstützung für ihre Forderungen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Studiengebühren kippen, ist das nicht der Erfolg dreier Parlamentsparteien, sondern ein Erfolg der Studierendenbewegung und der Beharrlichkeit der Aktiven. In vielen Bundesländern sind Studiengebühren eingeführt worden. In keinem Bundesland haben die Studiengebühren eine solch wichtige Rolle im Wahlkampf gespielt.

(Axel Wintermeyer (CDU):Aber in 70 % aller Universitäten gibt es Studienbeiträge!)

In keinem Land waren die Proteste so groß wie in Hessen. Ich denke: Sollten die Studiengebühren abgeschafft werden, ist das doch auch ein Zeichen, dass es sich lohnt, für seine Rechte einzutreten, dass es sich lohnt, sich zu engagieren, und dass es sich lohnt, auf die Straße zu gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das stärkt doch die Demokratie, weil die Menschen merken, dass sie Einfluss nehmen können und dass Veränderungen von unten möglich sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es der LINKEN besonders wichtig, dieses Anliegen so schnell wie möglich in den Landtag einzubringen und für die sofortige Abschaffung von Studiengebühren einzutreten, damit im Wintersemester kein Student mehr die verfassungswidrigen Studiengebühren zahlen muss.

(Beifall bei der LINKEN – Axel Wintermeyer (CDU):Woher wissen Sie das denn?)

Zu meinem Erstaunen nannte Ministerpräsident Koch in seiner heutigen Regierungserklärung die Verwirklichung von Bildungsgerechtigkeit als zentrales Anliegen der Bildungspolitik seiner Regierung. Diese Regierung hat jedoch in den letzten Jahren eine sozial ungerechte Bildungspolitik in Hessen vorangetrieben, die auch in der Bevölkerung auf große Ablehnung gestoßen ist.Als „Auslesen statt Fördern“ hat die Gewerkschaft GEW die Politik der Regierung meiner Meinung nach treffend bezeichnet.

Der Rückzug der beiden zuständigen Minister Wolff und Corts spricht ja auch Bände – für die verfehlte Bildungspolitik dieser Regierung.

Die Einführung der allgemeinen Studiengebühren ist unserer Meinung nach ein Bruch der Hessischen Verfassung. Sie verstößt gegen Art. 59, der einen unentgeltlichen Unterricht an allen Schulen und Hochschulen garantiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Studierenden haben mit ihren Protesten ihr in der Verfassung verankertes Recht auf freie Bildung verteidigt, und wir wenden uns gegen alle Versuche, diese Bewegung zu kriminalisieren. Der Protest ist und war legitim.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will jetzt zu unserem Gesetzentwurf kommen und dazu einige Ausführungen machen.Es handelt sich um ein wahlkampfnahes Gesetzgebungsvorhaben, wie der Ministerpräsident es heute Morgen bezeichnete. Das Schöne an solchen Gesetzesvorhaben ist nämlich, dass sie sich daran orientieren, was man im Wahlkampf versprochen hat. Bei der Gelegenheit will ich schon einmal ankündigen, dass wir auch in Zukunft sehr viele wahlkampfnahe Gesetzesinitiativen hier einbringen werden.