Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb sage ich klar:Alle 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger, völlig gleich, wo sie stehen, sollen sich in unserem freiheitlichen Lande äußern dürfen und können.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Auch unsere Wähler!)

Aber wenn sie nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, dürfen sie keinen Einfluss auf die Entwicklung unseres Landes nehmen. Das ist das Entscheidende, was ich hier und heute klar sagen möchte.

(Beifall bei der CDU)

Das muss bei allen grundsätzlichen Unterschieden eine Konstante der Politik bleiben. Die Gemeinsamkeit der Demokraten muss dauerhaft wichtiger sein als kurzfristige, zweifelhafte Mehrheiten.Auch das wird unsere künftige Arbeit prägen. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall bei Abgeordneten der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Dr.Wagner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich stelle damit fest, dass die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten betreffend „In gemeinsamer Verantwortung für Hessen – Mut zu neuen Wegen“ gegeben wurde. Die Aussprache hat stattgefunden. Sie ist beendet.

Ich darf darauf hinweisen,dass eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist: ein Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Schutz der Bevölkerung in Tibet, Drucks. 17/34. Wir die Dringlichkeit bejaht? – Dem wird nicht widersprochen. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 15. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das so beschlossen.

Dann darf ich gemäß unserer Geschäftsordnung Tagesordnungspunkt 2 aufrufen:

Erste Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Sicherstellung von Chancengleichheit an hessischen Hochschulen – Drucks. 17/15 –

dazu Tagesordnungspunkt 3:

Erste Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren an hessischen Hochschulen – Drucks. 17/16 –

sowie Tagesordnungspunkt 13:

Erste Lesung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzautonomie der hessischen Hochschulen – Drucks. 17/32 –

Als erster Redner sowie zur Einbringung des Dringlichen Gesetzentwurfs der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Kollege Siebel gemeldet. Herr Kollege Siebel, ich darf Sie bitten, den Gesetzentwurf einzubringen. Die Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt fängt die Sacharbeit an. Es ist mir eine große Ehre, den ersten Gesetzentwurf – –

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Siebel-Strich! Da sind Sie der beste Redner!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in gewisser Weise geht es so weiter wie beim letzten Mal: Ich versuche, Sacharbeit zu machen, und Herr Hahn redet gleich am Anfang dazwischen. Herzlich willkommen, Herr Hahn, Sie sind auch da.

Es ist mir eine große Ehre, dass ich den ersten Gesetzentwurf der 17. Wahlperiode des Hessischen Landtags einbringen darf.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Gesetz zur Sicherstellung von Chancengleichheit an hessischen Hochschulen löst die Fraktion der SPD – mit uns die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – eines ihrer zentralen Versprechen ein, das sie im Landtagswahlkampf gemacht hat: die Abschaffung der Studiengebühren, der Langzeitstudiengebühren und der Zweitstudiengebühren. Wir lösen damit unser Wahlversprechen ein; gleichzeitig machen wir aber auch deutlich, wohin unserer Ansicht nach die Reise in der Hochschulpolitik in den nächsten Jahren gehen muss.

Wir wollen den Zugang zu unseren Hochschulen so organisieren, dass er möglichst frei von Beschränkungen ist. Wir wollen die Zukunftsperspektiven des Landes Hessen sichern, indem wir auf eine qualifizierte Ausbildung setzen. Das heißt für uns durchaus nicht weniger, sondern mehr Studierende.Wir wollen die Barrieren beiseiteschieben, die es jungen Menschen aus einkommensschwachen Familien erschweren, ein Studium aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Das sind nicht nur die drei Elemente, die diesen Gesetzentwurf tragen, sondern es sind auch die Bereiche, die unsere Hochschulpolitik in Zukunft durchdringen und in vielen anderen Zusammenhängen ebenso wieder auftauchen werden.

Mit dem Gesetz schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass im Wintersemester 2008/2009 an den hessischen Hochschulen wieder ohne Studiengebühren studiert wird und dass gleichzeitig – ich kann das nicht oft genug wiederholen – den Hochschulen 52 Millionen c zur Ver

fügung gestellt werden, um die Qualität der Lehre zu verbessern.

Wir gründen unseren Gesetzentwurf auf die tiefe politische Überzeugung, dass es auch an den Hochschulen gerecht zugehen muss. Wir gründen unseren Gesetzentwurf auch darauf, dass wir uns sicher sind, dass er eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz hat. Es waren 70.000 Menschen in diesem Land, die eine Verfassungsklage unterschrieben haben, nicht nur die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD im Hessischen Landtag. Es waren 70.000 Hessinnen und Hessen, die dafür unterschrieben haben, dass sie keine Studiengebühren in diesem Land haben wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Deswegen will ich an der Stelle noch einmal zwei Geschichten erzählen, weil viele denken, dass es nur die Studierenden gewesen sind, die sich artikuliert haben. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Herr Kollege Wintermeyer, ich habe mit Unternehmen, insbesondere in meinem Wahlkreis und im südlichen Hessen, gesprochen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Numerus clausus!)

Das sind die, die unverdächtig sind, dass sie die flammenden Verfechter gegen Studiengebühren sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die haben alle gesagt: Wir haben zwar eine Verbandsmeinung, aber wenn wir in unsere Unternehmen hineinschauen, dann stellen wir fest, dass wir an vielen Stellen Fachkräftemangel haben

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

und dass es deshalb kontraproduktiv ist, wenn durch Studiengebühren eine bestimmte Gruppe ausgeschlossen bleibt, weil sie es sich nicht mehr leisten können.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb ist es auch ein ökonomisches Gebot, Studiengebühren abzuschaffen, nicht nur eines der sozialen Gerechtigkeit. Aber es ist ein Argument und ein Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit.

Ich habe mit vielen alten Menschen gesprochen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Kollegin aus einem großen Sozialverband in Hessen. Sie sagte: Herr Siebel, ich habe mir vorgenommen, meinem Enkel einen Teil des Studiums zu finanzieren.Wir kommen aus armen Verhältnissen. Aber ich habe dafür gespart, dass mein Enkel studieren kann. Wenn ich jetzt aber noch die 500 c dazulegen muss, dann geht das nicht, dann schaffe ich das nicht, dann wird das für mich schwierig. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es waren breite gesellschaftliche Schichten, und es sind breite gesellschaftliche Schichten, die die Abschaffung der Studiengebühren wollen. Das werden wir jetzt in das gesetzliche Verfahren einbringen. Das ist unser Credo dessen, was wir hier einbringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will auch nicht verhehlen, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, dass wir von den Hochschulleitungen, den Präsidien fast überwiegend Zustimmung zu unserer Position und, wenn

ich das sagen darf, auch zu unserem Gesetzentwurf erhalten haben. Ich habe heute Morgen in hr-info gehört, dass die Präsidenten der Hochschule Wiesbaden und der Hochschule Fulda sich sehr eindeutig dazu geäußert haben. Sie haben gesagt: „Wir haben das schon immer so gesehen.“

(Zuruf des Abg. Norbert Kartmann (CDU))

Ich komme noch zu den anderen. – Sie haben gesagt, dass sie das schon immer so gesehen haben und dass sie es richtig finden, dass sie jetzt diese Option haben. Es muss aber wichtig sein, dass die Mittel auch erhalten bleiben. Auch dazu werde ich noch etwas sagen.

Fast alle Präsidenten haben sich gegen Studiengebühren ausgesprochen, mit Ausnahme eines Kollegen aus Frankfurt, der sich sozusagen fast im Beraterteam des Ministerpräsidenten befunden hat, zumindest in dieser Angelegenheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat mich gefreut, dass auch dieser Gesetzentwurf in den Hochschulen durchaus, und zwar bei denen, die verantwortlich im Präsidium sind, auf Widerhall stößt. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf auch in der Anhörung mit den Hochschulen erörtern. Wir sind auch offen – ich sage das noch einmal vor dem Hintergrund, dass wir ein Stück weit für einen anderen und neuen politischen Stil stehen – für Verbesserungen und für Ergänzungen.

(Peter Beuth (CDU): Erst einmal Wortbruch!)

Herr Kollege Beuth, eines werden wir aber nicht mitmachen: Das in dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion vorgeschlagene Modell der Beliebigkeit wird es nicht sein.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Nicola Beer (FDP): Freiheit, Herr Kollege!)

Die Mitte unserer Gesellschaft will, dass es in unserem Land gerecht zugeht und dass gerade im Bildungsbereich Hürden und Stolpersteine abgebaut werden. Dafür steht dieser Gesetzentwurf.

Bevor ich den Gesetzentwurf im Einzelnen vorstelle, will ich noch einen kurzen Blick auf die Vergangenheit werfen. Es war schon in gewisser Weise beeindruckend: Ich erinnere mich an den Zeitpunkt, als die CDU hier den Gesetzentwurf vorgelegt hat mit dem Ziel, Studiengebühren einführen zu wollen.Man hatte den Eindruck,dass die CDU-Fraktion fast schon von der Idee besessen war, dass Studiengebühren der richtige Weg sind.