Bereits vor der Wahl haben wir einen diesbezüglichen Antrag vorbereitet und der Öffentlichkeit vorgestellt, und in Kürze werden wir ihn hier einbringen.
Zu einigen Punkten stehen wir aber auch ganz anders, z. B.zu G 8.Wir fordern die generelle Rückkehr zu G 9;dazu komme ich noch einmal.
Außerdem möchten wir zwei Punkten, die bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter „ferner liefen“ stehen,mehr Gewicht geben.
Der Ausbau der Ganztagsschulen auch im Primarbereich in gebundener Form ist unseres Erachtens die richtige Antwort auf viele pädagogische und soziale Probleme. Die Gemeinschaftsschule, das gemeinsame Lernen für alle ohne den Verweis an Förderschulen und ohne Sitzenbleiben, ist für uns ebenfalls von zentraler Bedeutung.
Ein Sofortprogramm muss unseres Erachtens zumindest erste Schritte in diese Richtung benennen. Das könnte z. B. die Ausweitung des gemeinsamen Unterrichts in qualifizierter Form sein.
Schließlich fehlen Schritte im Übergangsfeld Kindertagesstätte/Schule wie auch im Übergangsfeld Schule/Beruf. Hier werden berechtigterweise ebenfalls hohe Erwartungen an den neuen Landtag gestellt.
Kurz und gut:Ein hessisches Sofortprogramm Schule wird dringend benötigt, aber das braucht noch ein bisschen mehr.
Kommen wir zum Antrag der FDP zu G 8. Ein Gutes hat G 8:Wir verdanken es dieser unseligen Reform, dass Themen wie Ganztagsunterricht, Mittagessen, die Verantwortung der Schulen für die Hausaufgaben, individualisierte Förderung, Überprüfung der Lehrpläne usw. wieder öffentlich diskutiert werden.
(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Gegenruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Irmer, Sie haben es schwer!)
Dies sollten wir nutzen, aber nicht für G 8.Wir wollen G 8 nicht reformieren, sondern abschaffen und zu G 9 zurückkehren.
Dazu hat mein Kollege Willken schon etwas gesagt, und ich werde das nicht weiter ausführen. Nur eines noch:Als Psychologin sehe ich ergänzend die stark gestiegene Belastung, unter der aufgrund der Ausleseprozesse die Kinder, aber auch ihre Eltern als Coach und Nachhilfelehrer stehen – besonders dann, wenn sie die kommerzialisierte Nachhilfe nicht bezahlen können.
Sicher, über einzelne Ideen im FDP-Antrag könnte man sprechen, z. B. über die Stärkung des selbst organisierten Lernens.Allerdings gehe ich davon aus, dass die FDP und wir darunter unterschiedliche Dinge verstehen.
Der Rest aber ist für uns nicht akzeptabel und kulminiert in dem Vorschlag, Vertreter von Unternehmerverbänden in die Lehrplankommissionen der Schulen zu holen. Was sollen die denn dort, bitte schön? Wer will denn, dass Unternehmerverbände mit darüber entscheiden, welche Inhalte ein Lehrplan allgemeinbildender Schulen vorsieht und welche nicht?
Ich komme zum letzten Antrag, der von der CDU nachgereicht worden ist. Ganz kurz: Ausbau der Ganztagsschulen – prima. Bedingungen an den Hauptschulen, wie sie generell in den SchuB-Klassen existieren – prima, solange wir nicht zur Gemeinschaftsschule kommen.
Zusammenarbeit mit Realschulen – wir lehnen ein ZweiSäulen-Modell ab.Verlässliche Schule – nur U-plus-Mittel reichen meines Erachtens nicht; dazu habe ich eben schon etwas gesagt.An G 8 festhalten – natürlich nicht. Sozialindizes – ich denke, okay, wir beobachten die Situation; generell ist es gut, dass Schulen, die unterschiedlichen Herausforderungen begegnen müssen, unterschiedlich entlastet werden. Das sehen wir durchaus so. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Cárdenas. – Das war die erste Rede der neuen Kollegin. Herzlichen Glückwunsch dafür im Namen des ganzen Hauses.
Meine Damen und Herren, noch eingegangen und an Sie verteilt ist zu Tagesordnungspunkt 4 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 17/37, zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Wille der Schulgemeinden umsetzen – Gesamtschulen genehmigen –, Drucks. 17/17. Ich glaube, der ist bei Ihnen angekommen, ja?
Herzlichen Dank. – Dann gebe ich jetzt der Landesregierung in Form des Kultusministers Banzer das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hatte ich erwartet, dass es einer der wenigen Vorteile ist, wenn man sich nicht als Justizminister, sondern als Kultusminister engagieren muss, dass man die Frage der Verantwortlichkeiten und der Schuldfrage, die Juristen immanent ist,in der Kultuspolitik nicht pausenlos beantworten muss. Ich wäre auch dankbar, wenn wir uns das für die Zukunft ersparen würden. Es führt zu nichts, wenn wir darüber nachdenken, welche Situation wir in den Schulen vor neun Jahren vorgefunden haben, wie viele ausgefallene Schulstunden, welches Ansehen das hessische Abitur hatte oder wie man damals über Ganztagsschulen dachte. Ich glaube, es ist gut, wenn wir über neue Fragestellungen reden.
Wenn man sich überlegt, was heute alles vorgetragen wurde, dann war das eine Stoffsammlung sämtlicher denkbarer Problemstellungen, die man sich in der hessischen Schulpolitik vorstellen kann.
In diesem Zusammenhang habe ich etwas die Sorge – das nächste Schuljahr kommt ungewöhnlich schnell, wir haben frühe Sommerferien –, wenn wir all dies in einem überstürzten Reformprozess angehen, werden wir den Schulen nicht helfen, sondern sie noch mehr in Unsicherheit und Unruhe stürzen.Deswegen ist es wichtig,dass wir
Es ist eine vernünftige Idee, eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Dies kann auch – ich betone „auch“ – im Wege einer Anhörung geschehen. Ich denke, dass das nützlich ist und dazu dient, dass Gruppen noch einmal ihre Position deutlich machen können.
Wichtig ist, dass wir nicht alle Zeit und alle Kraft auf die reine Diskussion über Organisationsstrukturen verlegen. Es kommt mir ein bisschen vor wie ein deutsches Urübel, erst einmal über Organisationsstrukturen zu reden und dabei die inhaltliche Qualität der Schule, wie es Frau Henzler gesagt hat, ein wenig in den Hintergrund zu rücken.Ich glaube,dass das Thema Qualität der Schule auch das schwierigere ist. Über Organisation kann man sich viel besser auseinandersetzen. Trotzdem sollten wir den Versuch machen, möglichst bald über die Qualität der Schule zu reden.
In einem Punkt kann man auf das verweisen, was der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat: dass wir uns selbstverständlich auch als Servicestruktur für den Landtag verstehen, dass wir aber auch in dieser besonderen Situation die unterschiedlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten im Auge behalten wollen. Schulentwicklungspläne und Organisationsänderungen werden nicht im Landtag beschlossen. Dafür gibt es ein Verfahren, das im Hessischen Schulgesetz vorgesehen ist – mit gutem Grund. Ich glaube, dass es in ruhigen Zeiten konsensfähig ist, dass wir in einem sehr komplexen Anhörungsverfahren die Schule, aber insbesondere auch den Schulträger zu hören haben, dass wir überlegen müssen, wie sich eine Organisationsentscheidung auf benachbarte Schulen, auf die gesamte Schulstruktur einer Region auswirkt. Dieses Verfahren kann nicht einfach durch einen Beschluss ersetzt werden, selbst wenn er mit der Weisheit des Hessischen Landtags getroffen wird.
Deswegen weise ich darauf hin, dass dieser Antrag so, wie er vorgelegt wird, erheblichen rechtlichen Bedenken begegnet.Es gibt dazu rechtskräftige Bescheide für eine Anzahl der Schulen, die hier aufgeführt sind. Da kann man nicht ohne Weiteres sagen, das zählt nicht mehr, sondern da muss man überlegen, ob man, wenn es gewünscht wird, ein neues Verfahren beginnt. Hier sind sogar Schulen aufgeführt, bei denen es gar keinen entscheidungsfähigen Antrag im Sinne unseres Schulgesetzes gibt.Spätestens da würden wir in erhebliche Probleme kommen. Deswegen rege ich an, dass wir diese Thematik noch einmal in Ruhe im Ausschuss diskutieren.
Vordringlich ist, dass wir im Bereich von G 8 vorwärtskommen; das ist ehrgeizig genug, wenn Sie nur überlegen, dass die Entlastung der Lehrpläne nur mit entsprechenden Mitbestimmungsvorläufen abzuwickeln ist. In diesem Zusammenhang bin ich dankbar, dass ein Gespräch mit der Vorsitzenden des Landeselternbeirats ergeben hat, dass dort eine große Bereitschaft besteht, mitzuhelfen, dass man in einem möglichst geordneten Verfahren noch das hinbekommt, was möglich ist. Aber das ist natürlich kein Freibrief, sondern das hängt eben auch davon ab, welche Veränderungen sich als notwendig erweisen.
Wenn man sich überlegt,dass sich das menschliche Wissen alle vier Jahre verdoppelt und dass wir in der Schule den Anspruch erheben, schon einen Teil des menschlichen Wissens in die Köpfe der kleinen Schülerinnen und Schüler hineinzubekommen, sieht man, dass es nicht nur eine
Frage von G 8 ist, sondern dass es eine ständige Aufgabe bleibt, sich die Lehrpläne anzuschauen und zu überlegen: Welches Wissen ist jetzt notwendig zum Verständnis dieser Welt, was ist notwendig, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein?
Deswegen ist es richtig, sich weniger an diesen Wissensfragen, an den Inhalten zu orientieren, sondern stärker auf das Thema Bildungsstandards einzugehen, also Methodenkompetenz zu erlangen, die Art, zu lernen, sich Wissen zu verschaffen in der Situation, in der man es benötigt.Anders wird es nicht mehr gehen. Unsere Informationsgesellschaft,die wir alle genießen,hat an dieser Stelle auch eine Problematik, die vor den Schulen nicht haltmacht. Ich glaube, dass dies gerade in der aktuellen Situation, zehn Wochen vor Schuljahresschluss, eine sehr schwierige Fragestellung ist.
Wir müssen schauen, ob wir die Verteilung der Stunden anders organisieren können, inwieweit wir hier auch die Gestaltungsmöglichkeit der einzelnen Schulen erhöhen können. Hier muss Spielraum bleiben, dass sich auch regionale Unterschiede auswirken können. Ich glaube ohnehin, dass es richtig ist, der Schule möglichst viel Freiheit zu belassen. Aber jeder, der sich mit Freiheit beschäftigt, weiß, dass Freiheit zwei Gegner hat: Chaos und Verantwortungslosigkeit.Beides muss berücksichtigt werden.Zu viel Freiheit kann dazu führen, dass man kaum noch von einer Schule zur anderen wechseln kann. Es muss schon noch Spielregeln geben, die ermöglichen, dass sich Eltern aus beruflichen oder anderen Gründen von einem Ort zum anderen verändern können und dabei nicht damit rechnen müssen, dass das Kind in eine völlig neue Welt eintritt, in der es nicht mehr die Möglichkeit gibt, sich in eine neue Schulsituation einzufinden.
An dieser Stelle gibt es eine Grenze für die Gestaltung von Freiheit an den Schulen. Das wird man abwägen müssen, und wir müssen mit den Schulen diskutieren, dass wir diese Grenzen einhalten. Ich glaube, dass Konsens darüber besteht, dass wir das im Auge behalten sollten.
Das ist auch einer der wichtigen Gründe,warum wir so engagiert an G 8 festhalten: weil G 8 inzwischen Standard in Deutschland geworden ist und wir die hessischen Schülerinnen und Schüler nicht in eine Situation bringen können, dass sie fast die einzigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland wären, die diese Möglichkeit nicht hätten. Auch dies würde bei Umzügen, bei Veränderungen zu ganz erheblichen Belastungen führen.
Wir müssen insgesamt über Ganztagsschulen reden. Das ist für Deutschland,auch für Hessen,obwohl wir die meisten Angebote haben, eine neue Jugendkultur, eine neue Aufgabenstellung, wie wir diesen Bereich von Leben für junge Leute, aber auch von gesellschaftlichem Leben insgesamt organisieren.Natürlich ist das eine Frage nicht nur für Gymnasien, sondern für alle Schultypen. Das ist gesellschaftliche und ökonomische Realität; darauf müssen wir uns einstellen. Das hat für das Ehrenamt, für viele Bereiche im gesellschaftlichen Leben, wenn Sie so wollen, bis zum öffentlichen Personennahverkehr, Konsequenzen, auf die wir uns einstellen müssen und über die wir in Gelassenheit diskutieren müssen.
Ich will deutlich machen, dass ich nicht die Ganztagsschule als notwendige Konsequenz von G 8 sehe.Aber im Rahmen von G 8 muss man spezifische Ressourcen für Ganztagsschulen vorhalten,damit G 8 überhaupt funktionieren kann.
Herr Kultusminister, gestatten Sie mir einen kurzen Hinweis, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.
Dann bin ich froh, dass die Redezeit um ist, weil mich das davon abhält, noch zu vielen anderen Fragen Stellung zu nehmen.