Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Es kann doch nicht wahr sein, dass die einzige hochschulpolitische Initiative, die Sie in den letzten zehn bis zwölf Wochen verkünden und die Sie jetzt wieder mit vielen Begleitartikeln und Interviews gebracht haben, die Abschaffung der Studiengebühren betrifft. Wer so handelt, der versündigt sich an den Studentinnen und Studenten in diesem Land.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Als ob die Frage von 500 c im Semester eine entscheidende Frage für die Weiterentwicklung des Hochschulsystems in Hessen sei – darüber kann man tatsächlich nur noch traurig sein.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Manfred Gö- rig (SPD))

Herr Kollege, ich sage Ihnen dazu: Es gibt nichts Ungerechteres, als dass man einen Angestellten, eine Auszubildende oder einen Meister dafür mit seinen Steuergeldern bezahlen lässt, dass ein Akademiker für null eigenes Geld eine qualifizierte akademische Ausbildung bekommt. Das ist soziale Ungerechtigkeit pur.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn Sie tatsächlich Gerechtigkeit wollen, dann müssen Sie sich natürlich für die Einführung von Studiengebühren aussprechen. Denn wer zahlt die Universitäten? Die zahlen alle diejenigen, die keinen Vorteil von dieser Ausbildung haben. Die zahlen diejenigen, die für ihre Ausbildung teilweise eigenes Geld in die Hand nehmen müssen – wir haben doch Meister im Raum, die können das bestätigen – und das noch nicht einmal steuerlich angemessen absetzen können. Das ist soziale Ungerechtigkeit pur, und dafür steht offensichtlich die linke parlamentarische Mehrheit im Hessischen Landtag.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir machen da nicht mit.Wenn Sie das durchsetzen, dann verhalten Sie sich sozial ungerecht, und das werden wir auch demonstrativ – ich sage ganz bewusst: plakativ – den Menschen in diesem Land deutlich machen. Da werden wir die vielen Millionen Hessen, die keinen Vorteil von der akademischen Ausbildung haben, darauf hinweisen, dass ihr Geld teilweise dafür genommen wird, um es anderen zur Verfügung zu stellen, die nachher in aller Regel – das sagt sogar die Statistik – höhere Einkommensmöglichkeiten haben. Diese Debatte hat mir schon im Wahl

kampf unheimlich Spaß gemacht. Diese Debatte wird, wenn Sie es wollen, auch im Hessischen Landtag unheimlich Spaß machen. Ich sage Ihnen eines: Es wird uns dann unheimlich Spaß machen, im nächsten Wahlkampf – und der kommt bestimmt – wiederum den Hessinnen und Hessen Ihren falschen Weg zur Abstimmung vorzulegen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte aber neben den Themen, die eben von Kollegen Koch und Kollegin Ypsilanti angesprochen worden sind, noch zwei, drei andere ein bisschen anders ansprechen.

Wir Liberale werden uns mit der Ausstattung der Kräfte der inneren Sicherheit beschäftigen. Da hat der Ministerpräsident zunächst einmal recht,das unterstützen wir.Das ist,wie wir alle wissen,nicht nur die Polizei.Wir verkürzen das häufig auf die Polizei, aber es ist Gott sei Dank viel mehr. Die Ausstattung muss immer wieder verbessert und erneuert werden. Wir haben im Wahlkampf alle gemeinsam festgestellt, es ist notwendig, die Personalausstattung der Polizei auszubauen. Nur, Herr Ministerpräsident, in der inneren Sicherheit gibt es noch mehr zu tun. Auch da werden wir Liberale mit entsprechenden Gesetzesinitiativen vorstellig werden und um Ihrer aller Unterstützung bitten. Ich sage es einmal sehr deutlich. Die Überschrift über diesem Antrag wird lauten: Zurückführung des hessischen Polizeigesetzes auf den Weg der Verfassungsgemäßheit.

(Nancy Faeser (SPD): Sehr schön! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da sind wir dabei!)

Wir akzeptieren es nicht, dass wir in mindestens drei Bereichen Entscheidungen entweder des Staatsgerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts – teilweise nicht zu unseren eigenen Gesetzen, sondern zu Gesetzen von Nachbarländern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen – haben,

(Minister Volker Bouffier: Bund!)

die sagen, dass die entsprechenden Normen verfassungswidrig sind.Wenn man nachschaut, stellt man fest, sie sind teilweise wortgleich, jedenfalls inhaltsgleich mit den Worten, die bei uns im Polizeigesetz stehen. Das werden wir zur Abstimmung stellen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD))

Da geht es, wie Sie wissen, um Rasterfahndung, da geht es um akustische Wohnraumüberwachung, und da geht es um Telekommunikation.Da haben wir Liberale schon seit Jahren einen Sachverständigen an unserer Seite, der uns immer wieder bestätigt, nämlich den Datenschutzbeauftragten des Landes Hessen, Herrn Prof. Ronellenfitsch.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg.Thorsten Schä- fer-Gümbel und Silke Tesch (SPD))

Meine sehr verehrten Damen und Herren,lassen Sie mich an dieser Stelle sagen – in der Hoffnung, dass ich nichts Falsches sage –: Ich würde mich freuen, wenn Prof. Ronellenfitsch bereit wäre, auch in der nächsten Legislaturperiode Datenschutzbeauftragter des Landes Hessen zu bleiben.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

auf unser Landesrecht übertragen. Herr Ministerpräsident, das ist sozusagen die gesetzliche Seite der Innenpolitik gegenüber der praktischen Seite, die Sie in Ihrer Regierungserklärung bereits angesprochen haben.

Wir wollen – das wird Sie nicht überraschen – auch unter dem Titel „Beachtung der Rechtsprechung“ diesem Hause einen Novellierungsentwurf des Nichtraucherschutzgesetzes vorlegen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ja, ich weiß, eben haben Sie alle noch geklatscht, als ich gesagt habe, es muss verfassungsgemäß und rechtmäßig sein.Jetzt sagen so manche:Ach,das muss wohl doch nicht so sein. – Wir sind da ganz und gar Bürgerrechtler und Rechtsstaatspartei.

(Beifall bei der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ein bisschen gesund auch!)

Wenn in Rheinland-Pfalz wie auch in Nordrhein-Westfalen und Bayern entsprechende Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorliegen, dass diese Regelung, wie sie auch im Hessischen Nichtraucherschutzgesetz steht – wieder fast wörtlich, jedenfalls vom Inhalt her identisch –, nicht rechtmäßig ist, so muss das natürlich auch in Hessen geändert werden.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen mit dieser Debatte auch noch einmal fragen, wie denn das Gefühl und die Stimmung in diesem Hause zu der Frage sind: Muss der Staat wirklich alles regeln? Ist es sinnvoll, dass wir als Gesetzgeber bis ins kleinste Essgefach hinein mit Gesetzen und mit Sanktionsmöglichkeiten aus diesen Gesetzen heraus unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern vorschreiben, wie sie sich zu benehmen haben?

Wir Liberale haben darauf eine eindeutige Antwort. Ich habe sie vorhin schon einmal in Abgrenzung zur Ideologie der Postkommunisten der LINKEN gesagt. Wir möchten so wenig Staat wie möglich. Wir möchten so wenig Regulierung wie möglich. Wir möchten, dass die Verbote verboten werden, wenn sie nicht sinnvoll sind. Wenn auch noch rechtswidrig ist,dass etwas verboten wird,umso eher muss es auf die Tagesordnung des Hessischen Landtags. Da freue ich mich auf die Debatte und hoffe auf eine Mehrheit.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden die Landesregierung unterstützen bei dem Thema „schnelle und konsequente Durchführung der Genehmigungsverfahren“. Wir hoffen darauf, und ich appelliere auch von diesem Platz aus an die dritte Gewalt in diesem Land oder in der Bundesrepublik Deutschland – ich meine jetzt entweder in Kassel oder in Leipzig –, die Verfahren zügig durchzuführen.

(Zuruf)

Wir werden hier nicht sagen – dazu sind wir wiederum Rechtsstaatler durch und durch; da haben Sie recht, wer immer gerade dazwischengerufen hat –, das und das hat das Gericht zu machen. Es gibt auch manchmal Äußerungen in diesem Parlament, dass Gerichte das und das machen sollen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wünsche!)

Aber natürlich habe ich die Hoffnung und habe juristische Glaubwürdigkeit in den Argumenten des Planfeststellungsbeschlusses für die Erweiterung des RheinMain-Flughafens gefunden, dass dieser rechtmäßig ist. Auch dort konnte nicht jeder gewinnen. Frau Kollegin Ypsilanti, man kann dazu stehen, wie man will.Aber man kann auf alle Fälle nicht sagen, der Planfeststellungsbeschluss habe nicht das Ergebnis der Mediation umgesetzt.

(Beifall bei der FDP)

Das Ergebnis der Mediation beinhaltete keine Nullzahl. Sie wissen, dass wir als hessische Liberale den Willen hatten,dass es nachts eine Nullzahl gibt.Die Mediation hat es aber nicht vorgeschlagen. Das weiß jeder von uns, der sich mit dem Ergebnis der Mediation beschäftigt hat und auch die Chance hatte,sich mit den drei Mediatoren darüber zu unterhalten.

(Beifall bei der FDP)

Wir möchten – und Dieter Posch wird das für uns in den nächsten Wochen und Monaten auch tun – uns nicht nur mit der Frage auseinandersetzen, welche Lärmwerte auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt aus besonderer Situation zu gelten haben. Wir werden uns grundsätzlich mit der Lärmbelastung von Anwohnern durch große Infrastrukturmaßnahmen auseinandersetzen. Es macht keinen Sinn, dass es einen Lärmwert für Frankfurt gibt, der bei x liegt, in München bei x plus 1 und in Heathrow bei x minus 1. Wenn wir uns in einer europäischen Welt befinden, werden wir gemeinsam versuchen, dies unter ein Regelwerk zu bringen. Das hängt letztlich mit einer Verkürzung der Verfahren zusammen. Das ist die Idee, die dahintersteht, und nicht eine weitere Verlängerung.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich als letzten inhaltlichen Punkt – da habe ich in den Redebeiträgen von Frau Ypsilanti und von Herrn Koch versucht, etwas Positives herauszuhören, und meine, es auch gefunden zu haben – die Themen Integration und demografische Entwicklung ansprechen. Wenn wir es wirklich ernst meinen – ich unterstelle es allen meinen 109 Kolleginnen und Kollegen – und unser Hessenland positiv weiterbringen wollen, so müssen wir uns verstärkt um diesen Themenblock Integration und demografische Entwicklung kümmern. Es reicht nicht aus, in der letzten Legislaturperiode eine Enquetekommission eingerichtet zu haben. Es reicht nicht aus, einen umfassenden und,ich finde,guten Abschlussbericht einer Enquetekommission zu haben und nunmehr zu sagen, wir nehmen die Hände, legen sie in den Schoß und warten, wie es weitergeht. Das ist bei dem Thema demografische Entwicklung falsch, und das ist bei dem Thema Integration nicht nur falsch, sondern höchstwahrscheinlich auch noch gefährlich.Wir müssen an dieses Thema herangehen.

(Beifall bei der FDP)

Unser Alterspräsident hat in seiner Eröffnungsrede am Samstag schon einiges dazu gesagt. Uns Liberalen schwebt vor, dass wir diese Themenbereiche noch um das Thema Globalisierung und Auswirkungen der Globalisierung ergänzen. Wir kommen nicht darum herum, zur Kenntnis zu nehmen,dass die Themen Integration und demografische Entwicklung etwas mit Globalisierung zu tun haben. Gerade in einem Bundesland wie Hessen, das Tor zur Welt ist – wir haben den Rhein-Main-Flughafen – –

(Dr.Walter Lübcke (CDU): Und Kassel-Calden!)

Der nordhessische Kollege hat mich gerade daran erinnert, es gebe in der Nähe von Kassel noch einen Flughafen. Aber das ist bisher eher ein Verkehrslandeplatz, Herr Kollege.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP) – Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben mit dem Flughafen Frankfurt/Rhein-Main das Tor zur Welt, mit der Öffnung für die Menschen, die hierherkommen, aber auch für die Güter, die von hier weggehen.Wir sind das Tor zur Welt mit den zu organisierenden Dienstleistungen. Ich habe das in diesem Haus schon in der letzten Legislaturperiode mit der immer stärkeren Verknüpfung mittelständischer Unternehmen in der globalisierten Welt deutlich gemacht.