Protokoll der Sitzung vom 22.04.2008

Gehen Sie in die Schulen, sprechen Sie mit den Lehrern, denn dann werden Sie feststellen, dass es gar keine Querversetzungen gibt, die gegen den Willen der Eltern vorgenommen werden. Wo sind denn die ganzen Klageverfahren der Eltern? Querversetzungen finden auf der Grundlage von intensiven Gesprächen mit den Eltern statt. Wenn die Eltern vernünftig sind, dann nehmen sie ihr Kind von der Schule, um ihm weiteres Leid zu ersparen. Wenn Sie dieses Druckmittel aber aus dem Gesetz herausnehmen, dann werden gerade die unvernünftigen Eltern gestärkt, die ihr Kind an der Schule belassen. Was passiert dann mit dem Kind? Es bleibt einmal, zweimal oder dreimal sitzen – bis es dann vielleicht von der Schule kann. Wenn Sie aber so ehrlich wären, zu sagen, dass Sie auch dies abschaffen wollen, dann haben Sie durch die Hintertür die Einheitsschule, denn das Gymnasium müsste dann alle aufnehmen und dürfte keinen mehr wegschicken.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das wollen sie doch!)

Seien Sie bitte so ehrlich, dies gleich zu sagen, denn dann hätten Sie in Ihrem Gesetzentwurf auch gleich das Sitzenbleiben abschaffen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Bei der Schülerbeförderung haben Sie selbst zugegeben, dass es nur einen einzigen Kreis gibt, der dies umgesetzt hat. Ich weiß, dass dies der Kreis Bergstraße ist. Er hat dies meiner Meinung nach in einer Art und Weise umgesetzt, die auch zum Wohle der Schüler ist. Dort gibt es nämlich Monats- und Jahresschülerkarten, die für alle öffentlichen Verkehrsmittel gelten. Das heißt, der Schüler kann damit nicht nur zur Schule und nach Hause fahren, sondern er kann im Verkehrsverbund des gesamten Kreises Bergstraße – auch in den Ferien, am Nachmittag sowie an den Wochenenden – kostenlos öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Ich denke, das ist letztlich ein Vorteil für den Schüler, vorausgesetzt, er muss dafür nur einen geringen Beitrag zahlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Er muss trotzdem dafür zahlen!)

Die Schüler müssen dafür nur einen geringen Beitrag bezahlen, dafür haben diese einen sehr hohen Nutzen. In diesem Zusammenhang würde ich die kommunalen Schulträger befragen sowie die Menschen, die davon betroffen sind.

Mit den Richtwerten verhält es sich gleich.Wir haben immer gefordert,dass die Richtwerte nicht zu starr ausgelegt werden sollen. Wir haben auch immer gefordert, dass unter der Moderation des Kultusministeriums Regionalkonferenzen stattfinden sollten. Das Kultusministerium hat in diese Richtung leider keine Aktivitäten durchgeführt. Darmstadt und Darmstadt-Dieburg haben dies selbst gemacht, sowie einige andere Kreise. Ich denke, dass es in Zukunft ein wichtiger Weg sein wird, Regionalkonferenzen einzuberufen und vor Ort wirklich genau zu schauen und zu fragen: Wo haben die Richtwerte schlechte Auswirkungen; wo sind sie als Richtwerte ganz gut?

(Beifall bei der FDP)

Bei der Dreizügigkeit der integrierten Gesamtschule bzw. bei den jetzt vorgeschriebenen Vierzügigkeiten hat die FDP von Anfang an gesagt: Wenn die kooperativen Gesamtschulen dreizügig sein dürfen, dann ist nicht durchschaubar, warum die integrierten Gesamtschulen vierzügig sein müssen. Sie müssen dreizügig sein, denn ansonsten könnte man die A-, B- und C-Differenzierung nicht durchführen, so wie das nun der Fall ist. Die von Ihnen vorgeschlagene Zweizügigkeit ist nach meiner Meinung in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll.

Dann haben Sie natürlich die verlässliche Schule und die Unterrichtsgarantie plus aufgegriffen. Wissen Sie, auch hierzu sage ich: Auf der einen Seite predigen Sie den Schulen Eigenverantwortung, auf der anderen Seite steht in dem Gesetzentwurf sehr verführerisch eine tägliche Schulzeit von 8 bis 13 Uhr. Daher frage ich Sie: Was soll das für eine eigenverantwortliche Schule sein? Wenn ein Gymnasium, dessen Schüler weite Schulwege zurücklegen müssen, sagt, es verständige sich mit seinen Schülern darauf, freitags bereits um 12 Uhr aufzuhören, vorausgesetzt, die Eltern sind damit einverstanden, dann ist das sinnvoller,als wenn es die Schüler bis 13 Uhr in der Schule halten muss. An dieser Stelle predigen Sie wieder Eigenverantwortung,machen aber Vorschriften.Ich muss Ihnen sagen:Das haben Sie bereits die letzten fünf Jahre lang getan.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Dahingegen ist das Modell der FDP sehr viel günstiger und besser:Eine 105-prozentige Lehrerversorgung an den

Schulen, und die Schule soll sich selbst darüber verständigen, was für sie verlässliche Zeiten sind, wie lange diese dauern sollen und an welchen Tagen diese eingehalten werden sollen.

Ich denke, wir werden uns im Ausschuss über dieses Gesetzgebungsverfahren noch unterhalten müssen. Ich mahne wirklich noch einma: Wenn wir einstimmig beschließen, mit allen Beteiligten eine Anhörung machen zu wollen, dann macht es keinen Sinn, wenn man – wie dies die SPD tut – durch die Hintertür Gesetze einbringt und die Schullandschaft verändern will, ohne jedoch mit den Betroffenen gesprochen zu haben.

Zu dem Gesetzentwurf der GRÜNEN. Ich hoffe sehr, dass Sie dabei mitmachen, dass wir aus dem Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben, einen Teil heraustrennen, damit wir wenigstens diesen Teil in einem möglichst schnellen Gesetzgebungsverfahren umsetzen könne, damit die kooperativen Gesamtschulen mit Beginn des nächsten Schuljahres entscheiden können, ob sie verkürzen oder nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Henzler, danke sehr. – Als Nächster hat Herr Irmer für die CDU-Fraktion das Wort.

Hochverehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Ehrt mich sehr.

Herr Kollege Schmitt,es gibt auch bei Ihnen durchaus den einen oder anderen Kollegen, den ich als Mensch sehr schätze. Hierzu gehört der derzeit amtierende Vizepräsident durchaus dazu, weil wir uns in früheren Jahren bei den unterschiedlichsten bildungspolitischen Debatten kontrovers, aber menschlich durchaus angenehm auseinandergesetzt haben. An dieser Stelle darf man der Wahrheit sicherlich die Ehre geben.

Liebe Frau Kollegin Habermann, Sie haben im Zusammenhang mit der Unterrichtsgarantie plus/verlässliche Schule im Vergleich zu dem, was Sie früher öffentlich verkündet haben, eine gewaltige Abrüstung vorgenommen. Es handelt sich um eine Abrüstung verbaler und inhaltlicher Art.Wenn ich mir vorstelle, was Sie bis zum 27. Januar dieses Jahres öffentlich zum Thema verlässliche Schule gesagt haben,und sehe,Sie bringen nun diesen Gesetzentwurf ein, der in weiten Teilen mit dem identisch ist, was es an den Schulen ohnehin schon gibt, dann stelle ich fest: Es ist ein gewaltiger Quantensprung, den Sie hier inhaltlich vollzogen haben.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin, Sie haben im Dezember 2006 zu dieser Thematik Unterrichtsgarantie plus/verlässliche Schule öffentlich erklärt, dass das der größte bildungspolitische Bluff des Jahres sei. Herr Kollege Walter hat im Oktober des gleichen Jahres erklärt, statt Handwerksmeister und

Studenten fordere die SPD 2000 zusätzliche Lehrer. Davon ist zumindest im Moment nicht mehr die Rede. Ich will das nicht weiter vertiefen. Ich will auch nicht vertiefen, was Ihre Parteikollegen bezüglich der U-plus-Kräfte öffentlich gesagt haben. Es war von „pädagogischem Volkssturm“ und von „Barfußpädagogen“ die Rede. Sie haben kritisiert, dass es kein polizeiliches Führungszeugnis gab und dass somit Sexualstraftäter Unterricht halten würden, usw. Sie haben also ein Horrorszenario aufgebaut.

(Axel Wintermeyer (CDU):Wir erinnern uns!)

Ich begrüße ausdrücklich, dass davon nun nicht mehr die Rede ist und dass die 12.000 U-plus-Kräfte, die wir haben, daher nicht mehr in dieser Form diskreditiert und diffamiert werden, denn sie haben dies in letzter Konsequenz nicht verdient. Daher glaube ich, dass wir in der Tat zu mehr Sachlichkeit kommen.

(Beifall bei der CDU)

Sie sagen heute:Externe Kräfte – also keine Lehrer,wohlgemerkt –: Ja, ist in Ordnung.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Sie sagen heute: Über Eignung und Auswahl entscheidet der Schulleiter. – Richtig, haben wir. Unterrichtsergänzende Maßnahmen durch diese Kräfte: Jawohl, in Ordnung.

(Norbert Schmitt (SPD): Eben!)

Zur klassenpädagogischen Betreuung sagen Sie: Jawohl, auch in Ordnung.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Genau das geschieht derzeit durch die U-plus-Kräfte im Rahmen der Unterrichtsvertretung.

(Norbert Schmitt (SPD): Nein!)

Von daher gibt es im Grunde genommen, was Ihre ursprüngliche Position angeht, mit der unserigen heutigen gar keinen Dissens. Sie haben sich in diesem Punkt aus meiner Sicht sehr entwickelt.

(Heiterkeit des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Sie haben doch eben noch gesagt: Da, wo Unterricht draufsteht, muss auch Unterricht drin sein. – Sie machen heute das, was Sie uns vorgeworfen haben. Sie sagen nämlich jetzt selbst: Jawohl, wir wollen externe Kräfte von außen in den Unterricht holen. – Das haben wir doch gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, von daher haben Sie sich in der Tat weiterentwickelt. Ich könnte auch bösartig sagen, das ist ein Wortbruch gegenüber dem, was Sie früher gesagt haben. Ich will das aber bewusst nicht so scharf formulieren.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Wir glauben auch, dass es im Rahmen der verlässlichen Schule – diesen Begriff übernehmen wir gerne; das haben wir öffentlich erklärt – in der Tat auch mehr Flexibilität für die Schulen selbst geben muss.Ich glaube,es waren die GRÜNEN, die z. B. irgendwo einmal gesagt haben: Man muss darüber reden, ob eine Randstunde, eine sechste Stunde unbedingt vertreten werden muss oder ob man

das anders machen kann. – Darüber kann man in der Tat reden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das war Frau Henzler, Herr Kollege!)

Frau Henzler, Entschuldigung. Das macht aber nichts. Ich denke, inhaltlich wird das wahrscheinlich nicht streitig sein.

Ich glaube, auch die Frage der Minijobs ist etwas, was in der Weiterentwicklung funktionieren wird. Wir müssen darüber diskutieren, ob z. B. die Mittel, die im Laufe eines Jahres nicht ausgegeben werden – das, was übrig geblieben ist –, für alle Belange der Schule übertragbar sind.

Ich glaube, dass dort eine ganze Menge Bewegung möglich ist. Aber man muss auch sagen: Wenn wir beispielsweise erklären,dass Schulen die Möglichkeit haben,zu sagen, dass sie statt der Mittel lieber eine halbe Stelle haben würden, gehört es zur Wahrheit dazu, dass das nur für die großen Schulen gilt und für die kleinen nicht machbar ist. Aber es liegt in der Entscheidungsdisposition der jeweiligen Schule. Deswegen glaube ich, dass es richtig ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch etwas zum Thema Querversetzung sagen.Frau Kollegin Henzler hat eben zu Recht kritisiert, welches Rollenverständnis und Lehrerbild Sie in letzter Konsequenz haben. Ich will nur darauf hinweisen, dass gerade heute der Verband der Oberstudiendirektoren öffentlich erklärt hat, er bitte darum, dass das pädagogische Instrument der Querversetzung beibehalten werden möge. Ich teile diese Auffassung ausdrücklich aus pädagogischen Gründen. Sie haben selbst – dankenswerterweise, muss man sagen – in dem „FAZ“-Interview öffentlich eingeräumt, dass es für Sie nicht um Pädagogik geht, sondern um Selektion. Das unterscheidet uns.